Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Die TV-Serie in der Krise: Gute Zeiten? Schlechte Zeiten!
> Eines der wichtigsten TV-Formate kriselt seit Langem - weil deutsche
> Serien nicht innovativ genug sind. Die Sender schielen also weiter auf
> Erfolge aus dem Ausland.
Bild: Die Serie "Dr. Molly & Karl" wird nächste Woche von Sat.1 abgesetzt.
Als der Moderator vom "glossy look" amerikanischer TV-Serien sprach,
öffnete sich der Himmel über Marl. Neben dem Adolf-Grimme-Institut, durch
die Fenster des altfränkischen Tagungssaals gut zu erkennen, hüllte sich
ein leer gepumptes Hallenbad in tiefes Grau; drin liefen derweil
Hochglanzbilder über die Leinwand: Manhattan, Beverly Hills. Eine grelle
Welt. Vor allem, wenn man in Marl ist, der Chemiestadt.
Bei den diesjährigen "Marler Tagen der Medienkultur" wurde über TV-Serien
debattiert, über Trends, neue Ideen. Und natürlich über die Misere
hierzulande. Denn wie alle im Moment, die Banken, Opel, die SPD, steckt
auch die Fernsehserie "made in Germany" in der Krise. Der kleine
Unterschied: Sie steckt da schon seit Jahren.
Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Da sind einmal die "Entscheider".
Davon gebe es "irre viele" in den Sendern, und alle wollten mitreden, klagt
Drehbuchautor Martin Bauhaus ("Dr. Molly & Karl", wird nächste Woche von
Sat.1 abgesetzt) bei der Autorenrunde. Und Bora Dagtekin ("Türkisch für
Anfänger", ARD) sagt: "In den Sendern sitzen viele, die sind einfach nicht
cool - und versauen einiges." Nun sind Autoren zarte Geschöpfe, die an
ihren Texten hängen. Aber was sie in Marl erzählten, wie ihre Bücher
zuweilen zusammengestrichen werden, verrät einiges über den Irrsinn in
deutschen Sendeanstalten.
Man müsse es allen recht machen, sagte Dagtekin, der bei "Gute Zeiten,
schlechte Zeiten" begann: "Wenn der Mann oder die Frau eines
Verantwortlichen irgendetwas in einer Folge nicht verstanden hat, ist die
Sache tot."
Der zweite Grund für die Krise liegt dort, wos glänzt: Was in Deutschland
Quote bringt, stammt meist aus den USA. Dort entstehen Trends, die
hierzulande abgekupfert werden, was die Zuschauer natürlich merken - und
abschalten. Für Peter Nadermann eine normale Reaktion: "Wer einmal
Barcelona Fußball spielen gesehen hat, kann sich Hannover 96 sparen", sagte
der Chef von ZDF Enterprises Köln, der unlängst den erfolgreichen
Ein-Fall-zehn-Folgen-Krimi "Kommissarin Lund" aus Dänemark importiert hat.
Und so klagen alle munter darüber, dass in Deutschland jenseits vom
"Bergdoktor", "GZSZ" und "Alarm für Cobra 11" zu wenig ausprobiert werde.
Die im Gegensatz zu den USA geringeren Budgets dürften nicht immer als
Entschuldigung gelten, mahnte Frank Tönsmann vom WDR ("Lindenstraße"). Und
Volker Bergmeister vom Gong regte an, regionaler zu erzählen, kulturelle
Eigenarten aufzugreifen: "Wir müssen die Leute an der Basis abholen." -
Gute Idee. Aber schwer umzusetzen, wenn sich die Sender an Auslandserfolgen
orientieren.
Auch in Marl schaute man, was in der Welt läuft und bald auf deutsche
Mattscheiben schwappt. Radikal Neues ist nicht dabei: Kassenschlager wie
die Teeny-Soap "Beverly Hills 90210" etwa werden reanimiert. Und wenn etwas
neu erscheint, ist es letztlich doch nur zusammengeschustert: "Britannia
High" zum Beispiel ist ein kruder Mix aus Doku-Soap, fiktionaler Story und
Trällershow à la "DSDS", alles in einem. Verstehen muss man diesen
Formatemischmasch nicht.
In England läuft die Serie nur schleppend, trotz "360-Grad-Vermarktung" mit
eigenem Modelabel, wöchentlich neuen Popsongs und Internet-Brimborium. Eine
deutsche Adaption ist trotzdem in Arbeit. Sie soll natürlich in Berlin
spielen. So glänzend-glatt wie das Original dürfte sie kaum werden. Eher
grotty, nicht glossy. Ein bisschen wie Marl eben. Aber bitte ohne Regen.
7 Dec 2008
## AUTOREN
Boris Rosenkranz
## TAGS
Serien-Guide
## ARTIKEL ZUM THEMA
Arte-Serie „Follow The Money“: Crime gegen Quarantäne-Koller
Eine Bankerin, ein Polizist und ein Dealer: Drei kühle und emotional
gehemmte Hauptfiguren folgen in der dritten Staffel „Follow The Money“ dem
Geld.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.