# taz.de -- Neonaziaufmarsch in Lichtenberg: Rechte müssen sich kurz fassen | |
> Nazi-Gegner blockieren den Aufmarsch der Rechtsextremen in Lichtenberg. | |
> Die Polizei kürzt daraufhin die Route ab. Demonstranten kritisieren die | |
> Einsatzkräfte, weil sie die Protestveranstaltung abriegeln. | |
Bild: Mehrere Dutzend Gegendemontranten gelingt eine Blockade auf der Strecke d… | |
Bürger und Politiker, Gewerkschafter, Jusos und Linksautonome aus ganz | |
Berlin haben am Samstag mehrmals den Naziaufmarsch durch Lichtenberg | |
blockiert. Die laut Polizei etwa 650 Rechtsextremen mussten einen | |
wesentlich kürzeren Weg gehen als ursprünglich geplant. | |
Bezirksbürgermeisterin Christina Emmrich (Linkspartei) nannte es "einen | |
vollen Erfolg", dass die Nazis am Ende nicht durch den als Rechten-Hochburg | |
bekannten Weitlingkiez marschieren konnten. Auch die Bezirksbürgermeisterin | |
beteiligte sich an den Blockaden, Polizisten trugen sie von der Straße und | |
stellten ihre Personalien fest. | |
Man habe insgesamt 70 Gegendemonstranten und sechs Rechte festgenommen, | |
berichtete die Polizei, die mit 1.600 Beamten vor Ort war. Vielen | |
Gegendemonstranten kam dieses Polizeiaufgebot übertrieben vor. Vor allem | |
das Konzept der Polizei, die genehmigte Nazi-Demonstration so weit als | |
möglich vor Störungen zu schützen und von den Gegendemonstranten zu | |
trennen, stieß auf Kritik. Zumal die Einsatzkräfte am Morgen vielen | |
Demonstranten den Zugang zur Gegenveranstaltung "Ein Kessel Buntes gegen | |
braune Brühe" im Kulturhaus Karlshorst verwehrt hatten. | |
Dort, direkt gegenüber des Nazi-Treffpunkts am S-Bahnhof Karlshorst, waren | |
rund 700 Menschen zusammen gekommen. Viele standen auf dem Bürgersteig, | |
riefen "Nazis raus" zur anderen Straßenseite hinüber - umstellt von einem | |
Polizeikordon, der zeitweise auch Anwohner stoppte, die einkaufen oder nach | |
Hause gehen wollten. | |
Die Absperrung behinderte auch den Linke-Abgeordneten Udo Wolf. Erst nach | |
Diskussionen mit den Einsatzkräften wurde Wolf ins Kulturhaus gelassen. Der | |
Politiker zeigte sich empört: "So werden viele kleine Eskalationsherde | |
geschaffen." Ähnlich argumentierte Arbeitssenatorin Heidi Knake-Werner | |
(Linke), die - wie viele andere Politiker - ebenfalls im Kulturhaus war. | |
Die Polizei "behindert die Leute in ihrem Recht auf Protest", sagte sie der | |
taz. | |
Auch viele Bürger hatten kein Verständnis für das Vorgehen der Polizei. | |
Marina Haake vom Zimmertheater Karlshorst erklärte: "Das ist keine | |
Demokratie: Die Nazis dürfen laufen und die Gegendemo wird verboten." Und | |
eine Frau schimpfte: "Es ist eine große Unverschämtheit, dass überhaupt | |
Nazis durch die Stadt marschieren dürfen. Sie durch den Weitlingkiez zu | |
schicken, ist destruktiv." | |
Die Anwohner zeigten sich aber auch erleichtert. Dass so viele Menschen | |
gekommen seien, stimme sie froh, sagte etwa Ljuba Kirjuchina. Der Protest | |
bedeutet ihr viel. "Auf meinem täglichen Weg zum S-Bahnhof Karlshorst komme | |
ich an drei Stolpersteinen vorbei und gedenke der Menschen, die von Nazis | |
umgebracht wurden." | |
Von den Demonstranten, die nicht zum Kulturhaus durchgelassen wurden, | |
strömten viele - überwiegend schwarz gekleidete Jugendliche - in die | |
Seitenstraßen und versammelten sich an der Ecke Sewan-/Ontarioseestraße auf | |
der Fahrbahn. Der gegen halb eins mit neunzigminütiger Verspätung | |
gestartete Nazizug musste deshalb schon früh stoppen. Bei der Räumung der | |
Blockade gab es Applaus für eine ältere weißhaarige Frau, die sich von zwei | |
Beamten wegtragen ließ. | |
Obwohl einzelne Gegendemonstranten Flaschen warfen und die Rechten | |
versuchten auszubrechen, gelang es der Polizei - nach mehr als einer Stunde | |
- die Demonstration durchzuleiten. Wasserwerfer wurden eingesetzt, ein | |
umgestürztes Auto und Glascontainer von der Straße geräumt. | |
Doch schon einen halben Kilometer weiter, an der Kreuzung Volkradstraße, | |
hatte sich die nächste größere Blockade gebildet. "Wenn Nazis | |
demonstrieren, ist Widerstand Pflicht" skandierten mehr als 600 Antifas, | |
Gewerkschafter und Politiker zu Sambarhythmen und Seifenblasen. Die Polizei | |
drohte wieder mit Wasserwerfern, eine Hundertschaft vertrieb die | |
Protestierenden von der Straße. | |
Ihr Ziel, die Nazis vom gegen sein rechtes Image kämpfenden Weitlingkiez | |
fern zu halten, haben die Gegendemonstranten trotzdem erreicht: Die Polizei | |
leitete den Zug der Rechten über die Volkradstraße zum Endpunkt | |
Friedrichsfelde Ost. Ein Anwohner in der Weitlingstraße nahm das zufrieden | |
zur Kenntnis: "Dann muss ich mein Auto nicht umparken." | |
8 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Puschner | |
Susanne Gannott | |
## TAGS | |
Lichtenberg | |
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