# taz.de -- Kommentar Getöteter Jugendlicher: Griechenlands verlorene Generati… | |
> Die Beteiligung von "normalen" Jugendlichen an Kundgebungen für den | |
> getöteten Jugendlichen zeigt, dass die griechische Gesellschaft eine | |
> Generation zu verlieren droht. | |
Bild: Demonstration in Athen zum Jahrestag der Erschießung von Alexis Grigorop… | |
Ob der fünfzehnjährige Alexis Grigoropoulos in Athen vom gezielten Schuss | |
eines Polizeibeamten niedergestreckt wurde, wird erst der Obduktionsbefund | |
klären. Doch schon vor diesem Befund steht für die meisten griechischen | |
Bürger die Diagnose über den Zustand des Staats und die Kompetenz der | |
Regierung Karamanlis fest. | |
Die wütenden Demonstrationen in einem halben Dutzend griechischer Städte | |
sind nicht einfach die Fortsetzung der Protestrituale eines harten Kerns | |
selbst ernannter Anarchisten, die seit einigen Jahren in Athen und | |
Thessaloniki auch ohne besonderen Anlass auf die Straße gingen. Die große | |
Beteiligung von "normalen" Jugendlichen, wie beim Streik an den Schulen, | |
zeigt vielmehr, dass die griechische Gesellschaft eine ganze Generation zu | |
verlieren droht. Die Arbeitslosigkeit unter Hochschulabsolventen ist die | |
höchste aller EU-Mitgliedsländer. Und wer nach dem Examen einen Job | |
ergattert, wird so schlecht bezahlt, dass er oder sie noch viele Jahre von | |
den Eltern abhängig bleibt. Doch auch die Subventionskraft der Familie | |
nimmt beständig ab. Und die aufgestaute Rentenkrise, an der sich keine | |
Regierungen die Finger verbrennen wollte, wird in den nächsten zehn Jahren | |
den "Generationenvertrag" noch stärker strapazieren als in den reicheren | |
EU-Ländern. | |
Aus dieser Sicht sind die Demonstrationen dieser Woche auch die Fortsetzung | |
eines Jugendprotests, der sich seit Jahren an den geplanten | |
Bildungsreformen entzündet. Kein vernünftiger Mensch in Griechenland | |
leugnet die Krise der Schulen und Universitäten. Die konservative Regierung | |
in Athen will diese Krise mit "Reformen" lösen, die der Masse der | |
Studierenden keinen Gewinn bringen würde. Mit der Zulassung privater | |
Universitäten will die Regierung das staatliche Bildungswesen unter | |
Konkurrenzdruck setzen. Das Resultat wäre eine diskriminierende Zweiteilung | |
der Bildungschancen: Die Abschlüsse an teuren Unis wären nur für besser | |
verdienende Familien finanzierbar und würden die Examen an staatlichen Unis | |
noch weiter entwerten. Mit diesem Modell hat die Nea Dimokratia das | |
Feindbild bestätigt, das viele perspektivlose Jugendliche ohnehin von ihr | |
haben - egal ob Alexis gezielt erschossen wurde oder nicht. | |
9 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Niels Kadritzke | |
Niels Kadritzke | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus | |
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