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# taz.de -- Disko-Brust-Operation verunglückt: Schönheits-Oh-Weh
> Vor vier Wochen gewann Nadine L. in einer Disko eine Brust-OP in Polen.
> Die ist schief gegangen, es muss dringend nachoperiert werden. Doch dafür
> will niemand zahlen.
Bild: Mit Silikonkissen ins Glück? Nicht für Nadine L.
Eigentlich müsste Nadine L. ja glücklich sein. Glücklicher zumindest als
vor knapp vier Wochen. In jener Nacht nämlich hatte sie ihre ersehnte
Brustvergrößerung in Polen gewonnen. Hatte gesiegt über die anderen vier
Konkurrentinnen, die sich mit ihr in einer Diskothek in Celle vor
anderthalbtausend Betrunkenen um den chirurgischen Eingriff gerangelt
hatten. Und sie hatte tatsächlich gewonnen, sie, die sonst eher nicht zu
den Gewinnertypen gehört.
Damals war sie überglücklich. "Ich will wieder Frau sein", hatte sie ins
Mikrofon geschluchzt, "ich werde mir die Brust operieren lassen!" Aber
jetzt sieht die Sache anders aus, denn bei der Operation in Polen ist etwas
schief gegangen. "Witzig finde ich das nicht", sagt die 23-Jährige.
Die Aufregung war groß, als im November bekannt wurde, dass in einer Celler
Großraumdisko eine Brust-OP versteigert würde. "Kämpfe um deinen Traum! Sei
dabei und gewinne eine Brust-Vergrößerung im Wert von 3.700 Euro!" stand
auf den Flyern und Plakaten. Die Gleichstellungsbeauftragte von Celle
protestierte gegen das "würdelose Spektakel".
Die Wettbewerbszentrale drohte 6.000 Euro Strafe an, weil es verboten ist,
medizinische Leistungen zu verlosen. Und - Überraschung! - die Deutsche
Gesellschaft der Plastischen Chirurgen meldete schwere Bedenken an. Heute,
vier Wochen später, muss man sagen, dass die niedersächsische Ärztekammer
die sicherste Vorahnung hatte. Deren Präsidentin nämlich wetterte: "Die
Gewinnerin des Hauptpreises ist im Endeffekt wohlmöglich die Verliererin -
gesundheitlich und finanziell."
Tatsächlich ist es so, dass gleich nach der Operation am 28. November
Nadine L. linker Brustmuskel abgesprungen ist. Die Brust ist nun verformt.
"Links ist eine Delle, rechts ist alles takko", beschreibt die Patientin
das Ergebnis. Es muss nachoperiert werden, und zwar zügig, um Schlimmeres
zu verhindern. Aber das zu bezahlen weigert sich die Agentur. Nadine L.
erzählt, Agenturchefin Margarete "Maggy" Liese. habe ihr vorgeworfen, sie
sei selbst Schuld, weil sie sich in der Aufwachphase nach der Operation auf
den Bauch gedreht habe. Sie jedoch habe keine Erinnerung an die Stunden
danach.
Margarete Liese habe mit ihr geschimpft und gesagt, die Agentur sei nicht
für den Schaden verantwortlich, erzählt Nadine L. "Ich habe nur noch
geflennt." Beim letzten Gespräch seien Türen geflogen.
Bei der Agentur in Hannover sieht man die Sache anders. Manuela Huduti, die
Assistentin der Chefin, teilt mit: "Ja, es ist was passiert Aber das geht
ganz alleine zu Lasten der Nadine L." Der Ton wird zusehends rauer. L. habe
"sich nicht an unsere Anweisungen gehalten", aber zum Glück habe sie "den
ganzen Bockmist, den sie verzapft hat", unterschrieben.
Gefragt, ob nach der Operation jemand bei der Patientin gewesen sei, sagt
Huduti, während der Aufwachphase sei eine Schwester dabei gewesen, "aber
zum Schlafen muss keiner bei ihr im Raum sein - das ist in Deutschland
nicht anders."
Die Agentur "Du bist schön" ist in einem gewinnträchtigen Marktsegment
tätig. Auf ihrer Website bietet sie neben Botox-Parties auch an,
"Schönheitsoperationen nach Polen" zu vermitteln. Die Chefin persönlich
"betreut Sie vom ersten Gespräch, über die Fahrt nach Polen, bis hin zur
Nachuntersuchung. Durch ihre langjährige Erfahrung im Bereich der
Schönheitsoperationen ist sie im Stande, Ihnen eine optimale und
individuelle Beratung zu bieten."
Wolkiger geht's kaum. Fakt ist, dass Menschen, die plastische Operationen
nicht von ihren Kassen finanziert bekommen, durch Frau Lieses Vermittlung
bis zu 2.000 Euro sparen können. Vorausgesetzt, alles geht glatt.
Der Justitiar der niedersächsischen Ärztekammer wirft gegenüber der taz die
Frage auf, ob Nadine L. "in Polen engmaschig genug überwacht" wurde.
Grundsätzlich sei "der operierende Arzt auch für die Nachbetreuung"
verantwortlich. Die Agentur könne möglicherweise schadenersatzpflichtig
sein, weil sie die Reise nach Polen nicht so organisiert hat, dass die
Patientin dort rechtzeitig mit dem Arzt sprechen konnte. Tatsächlich lagen
zwischen der Nacht in der Disko und dem OP-Termin gerade mal fünf Tage.
Weil bei Busen-Ops, Piercings und Tätowierungen immer mal wieder gepfuscht
wird, wurde vor zwei Jahren das Sozialgesetzbuch geändert. Dort steht nun,
dass Versicherte, die durch nicht verordnete Eingriffe krank werden, an den
Behandlungskosten beteiligt werden. Für Nadine L. heißt das, dass sie sich
erst einmal nachoperieren lassen kann, damit aber möglicherweise Schulden
macht. Für die alleinerziehende Pferdewirtin wäre das ein riesiges Problem.
In jener Nacht vor vier Wochen hat sie sich ja auf die Bühne gestellt, weil
sie kein Geld für eine Brust-OP hatte. Jetzt sagt sie: "Wie verzweifelt
muss ich gewesen sein, dass ich so was überhaupt mitgemacht habe?"
17 Dec 2008
## AUTOREN
Anja Maier
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