# taz.de -- Journalistenverbot im Gazastreifen: Krieg ohne Chronisten | |
> Israel versperrt internationalen Journalisten den Zugang zum | |
> Gazastreifen. Palästinensische Zulieferer sind die einzige | |
> Informationsquelle. | |
Bild: Dürfen nicht ins Zentrum des Geschehens: Vertreter der internationalen M… | |
Wer Glück hat, kann al-Dschasira per Satellitenschüssel empfangen. Der | |
TV-Sender mit Sitz in Katar hat einen Korrespondenten vor Ort in Gaza und | |
sendet nonstop vom Kriegsschauplatz. Für die meisten westlichen | |
Nahostkorrespondenten ist dies derzeit neben Telefongesprächen die einzige | |
Informationsquelle. Denn Israel hat die Grenzen für ausländische | |
Journalisten komplett abgeriegelt. Die internationalen Medien, die Augen | |
der Welt, sind ausgesperrt. | |
"Noch nie zuvor sind Korrespondenten in dieser Weise daran gehindert | |
worden, ihre Arbeit zu tun", protestiert die Foreign Press Association | |
(FPA), die 400 Medien vertritt, in einem offenen Brief an die israelische | |
Regierung. Heute findet vor dem Obersten Gerichtshof eine Anhörung statt. | |
"Die Aussperrung stellt eine unverschämte Beschneidung von grundlegenden | |
Pressefreiheiten dar", schäumt Steven Gutkin, Büroleiter der | |
Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und FPA-Vorsitzender. "Israel | |
kontrolliert den einzigen Zugang für Journalisten nach Gaza und ist | |
verpflichtet, ihnen Zugang zu gewähren." | |
"Aus Sicherheitsgründen", heißt es stets von israelischer Seite, wenn | |
Journalisten der Zugang verwehrt wird. "Angeblich wollen sie uns schützen, | |
aber niemand hat Israel gebeten, ausländische Korrespondenten zu schützen", | |
sagt FPA-Geschäftsführerin Glenys Sugarman. Alle Beteiligten seien sich der | |
Gefahren bewusst. | |
Für Nahostkorrespondenten ist das israelische Mauern neu. Noch vor wenigen | |
Jahren war der Eres-Übergang zum Gazastreifen rund um die Uhr für | |
Journalisten geöffnet - selbst in schwierigsten Intifada-Zeiten. Während | |
israelischer Militäroperationen im Westjordanland im Jahr 2002, durften | |
Journalisten beispielsweise selbst während der Ausgangssperre durch die | |
ausgestorbenen Straßen fahren. | |
Seitdem hat sich der Grundton verändert. Die Möglichkeiten, nach Gaza | |
einzureisen, hat Israel Schritt für Schritt eingeschränkt. Die | |
Öffnungszeiten des Eres-Übergangs - inzwischen zu einer unheimlichen | |
Festung ausgebaut, in der nur über Lautsprecher kommuniziert wird - sind | |
stark eingeschränkt. Am Wochenende und zu den jüdischen Feiertagen ist die | |
Grenze ganz geschlossen. Auch die Visabestimmungen und die Erteilung der | |
Presseausweise werden immer restriktiver. Die israelische Presse ist schon | |
seit zwei Jahren ausgesperrt. Journalisten, die eine unbefristete | |
Aufenthaltsgenehmigung für Israel haben, dürfen ebenfalls nicht mehr | |
einreisen. Und wer am Morgen nach Gaza fährt, weiß nie, ob er am Nachmittag | |
wieder ausreisen kann oder erst eine Woche später. | |
Im November riegelte Israel die Grenze zu Gaza für ganze drei Wochen ab. | |
Viele fragen sich, was die israelische Regierung eigentlich zu verbergen | |
hat. "Wir sehen keine Berechtigung für dieses Verbot", sagt Joe Floto vom | |
britischen Sender BBC. Gegenwärtig seien die einzigen Länder, die | |
ausländischen Journalisten die Einreise verbieten, Nordkorea, Burma und | |
Simbabwe, "eine sehr exklusive Liste". | |
Vor der jetzigen Gazaoffensive wurde die Grenze völlig willkürlich mal | |
geöffnet, mal nicht. Am Freitag, vor Beginn der Bombardierungen, zum | |
letzten Mal: Um 9 Uhr teilte die Armee mit, der Übergang sei bis 14 Uhr | |
geöffnet. "Ein Witz", sagt FPA-Geschäftsführerin Sugarman, "wer soll das so | |
schnell schaffen?" | |
Bei der derzeitigen Berichterstattung greift die internationale Presse | |
notgedrungen fast ausschließlich auf palästinensische Zulieferer, | |
Fotografen und Kameraleute zurück. Sie haben im Augenblick die | |
Deutungshoheit über das Geschehen in Gazastreifen. Der israelischen | |
Regierung scheint das gleichgültig zu sein. Sie hält die ausländische | |
Presse ohnehin für antiisraelisch. | |
31 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Silke Mertins | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
David gegen Goliath: Die Steinschleuder der Hamas | |
In Europa wird die Wirkung, die die Kassam-Raketen der Hamas zeitigen, | |
unterschätzt. In Israel entfalten die Geschosse ihr volles Stresspotenzial. | |
Palästinenser unter Beschuss: Der Lagerkämpfe müde | |
Während Israel weiter den Gazastreifen bombadiert, regen sich auch im | |
Westjordanland Proteste. Größer sind aber die Resignation - und die Angst | |
vor einer dritten Intifada. | |
Israel will weiter bomben: Ägypten legt Vorschlag für Gaza vor | |
Kairo und Ankara wollen einen neuen Waffenstillstand vermitteln. Am | |
Mittwoch tagt die Arabische Liga in der ägyptischen Hauptstadt. Doch Israel | |
eine Feuerpause derzeit ab. | |
Trotz Forderungen nach Waffenruhe: Israel bombt weiter | |
Ungeachtet internationaler Forderungen nach einem sofortigen und | |
dauerhaften Waffenstillstand setzt Israel die Luftangriffe im Gazastreifen | |
unvermindert fort. | |
Oberster Gerichtshof entscheidet: Auslandspresse darf nach Gaza | |
Der Oberste Gerichtshof in Israel hat entschieden, dass ausländische | |
Journalisten nach Gaza gelassen werden müssen. Reisen dürfen allerdings nur | |
Mitglieder der Auslandspressevereinigung. | |
Journalisten und der Gazastreifen: Angriffe fast ohne Medien | |
Weder in Ägypten noch in Israel dürfen Journalisten auch nur in die Nähe | |
des Gazastreifens - anders als während vorheriger Kriegshandlungen in der | |
Region. |