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# taz.de -- Kommentar Geomanipulation: Die Lösung als Problem
> Um das Klima zu retten, greifen Wissenschaftler in die Natur ein. Die
> möglichen Nebenwirkungen bedenken sie dabei allerdings nicht.
Die Sache klingt fantastisch: Um die Erderwärmung zu stoppen, kippt die
Menschheit einfach jede Menge Eisensulfat ins Meer, auf dass die Algen
wachsen und gedeihen. Und die Algen wiederum "fressen" Kohlendioxid einfach
auf und sinken dann für immer in die Tiefe. Das Forschungsschiff
"Polarstern" des Alfred-Wegener-Institutes ist derzeit mit fünfzig Tonnen
des Düngers ins antarktische Meer unterwegs, um auf 300 Quadratkilometern
auszuprobieren, obs funktioniert.
Ausgerechnet die Umweltbewegung kritisiert nun diesen Versuch der
Weltenrettung. Mit gutem Grund. Analysiert man nämlich die
wissenschaftlich-technischen Errungenschaften der letzten 100 Jahre, wird
klar: Neben dem angestrebten Nutzen bewirkt wissenschaftlich-technischer
Fortschritt immer auch Schäden, die als Folge und Nebenwirkung die
ursprünglichen Absichten konterkarieren. Jahrzehntelang glaube man, diese
Nebenwirkungen durch eine neue Errungenschaft, eine neue Technologie
beheben zu können - und musste schließlich erkennen, doch nur weitere
Nebenwirkung kreiert zu haben. Der Siegeszug des Kühlschranks etwa war erst
dank des billigen Kältemittels FCKW möglich, die Nebenwirkungen für die
Ozonschicht sind bekannt. Aber die glaubte man ja in Griff zu bekommen und
ersetzte FCKW durch andere Kühlmittel. So wurde ein neues Problem
geschaffen: Die meisten dieser Ersatz-Kühlmittel nämlich erwiesen sich als
Turbo-Klimakiller, mit einer mehrtausendfach schlimmeren Treibhauswirkung
als die des Kohlendioxids.
Ein Beispiel aus einer langen Kette - die Analyse des
wissenschaftlich-technischen Fortschritts sollte deshalb ergeben: Die
Zeiten müssen vorbei sein, in denen man glaubte, jedes Problem und jede
Unsicherheit einer Fortschrittsidee durch immer neue Innovationen und immer
bessere Technologien auffangen zu können. Die Grundüberzeugung der
Wissenschaft, dass wissenschaftlicher und technischer Fortschritt
gleichbedeutend mit humanem und sozialem Fortschritt sind, gilt nicht mehr.
Das spricht nicht dagegen, Versuche wie die mit den Algen durchzuführen. Es
spricht aber sehr dafür, die Technikfolgen stärker in den Mittelpunkt des
Versuchs zu stellen.
15 Jan 2009
## AUTOREN
Nick Reimer
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