# taz.de -- "Boxgirls" aus Berlin-Kreuzberg: Hart gegen alte Säcke | |
> Im Trainingscamp der "Boxgirls" in Berlin-Kreuzberg hauen sich Mädchen | |
> und Frauen auf die Nase. Ein paar von ihnen wollen so gut werden wie | |
> Weltmeisterin Ina Menzer. | |
Bild: Verschafft dem Frauenboxen Resonanz: Doppelweltmeisterin Ina Menzer. | |
BERLIN taz Aus den Boxen der Stereo-Anlage dringt leise Hiphop-Musik, an | |
der Wand prangt ein Poster des legendären Boxfilms "Rocky". Während im Ring | |
zwei Kämpferinnen Sparring machen, bearbeiten die anderen Boxsäcke und | |
Punchingballs, die den Rest der Sporthalle ausfüllen. Es ist ein ganz | |
normaler Montagabend in Europas größtem Frauenboxverein. | |
Bei den "Boxgirls" in Berlin-Kreuzberg trainieren über 100 junge Frauen, | |
Tendenz steigend. Derzeit ist der Verein amtierender Preisträger der | |
internationalen Initiative Changemakers, die innovative Sportprojekte | |
auszeichnet. Ins Leben gerufen wurde das Projekt 2001 von der ehemaligen | |
Berliner Meisterin Heather Cameron. Die gebürtige Kanadierin kam vor elf | |
Jahren im Rahmen eines Forschungsstipendiums nach Berlin und hat sich nach | |
eigenem Bekunden sofort in die Stadt verliebt. "Berlin ist meine Heimat und | |
ich möchte helfen, Frauenboxen hier populärer zu machen", erklärt Cameron | |
in breitem Amerikanisch. Eigentlich ist die 39-Jährige Professorin für | |
Integrationspädagogik an der Freien Universität. An drei Abenden in der | |
Woche leitet sie das Training der "Boxgirls" - ehrenamtlich. | |
Während Profiboxerinnen wie Ina Menzer und Susi Kentikian mittlerweile für | |
gute Fernsehquoten sorgen, wird in der Grundschule in Kreuzberg Basisarbeit | |
geleistet; Ina Menzer, die in 22 Profikämpfen unbesiegte | |
Doppelweltmeisterin im Federgewicht, kämpft am Samstag gegen | |
Exweltmeisterin Esther Schouten aus den Niederlanden (ZDF, 22 Uhr). Boxen | |
gilt aber nach wie vor als wenig weiblich und so haben die Boxerinnen im | |
Alltag mit einigen Vorurteilen zu kämpfen. "Man hört schon manchmal Sprüche | |
wie Mannsweib, und auch meine Mutter war anfangs dagegen", erklärt Rosalia | |
Skowron. Die 17-Jährige kam eher zufällig zum Boxen, da sie wegen einer | |
Verletzung kein Basketball mehr spielen konnte. Mittlerweile trainiert sie | |
dreimal pro Woche und hat einen großen Traum: Profiboxerin zu werden. "Ich | |
will mich durchbeißen", sagt sie. Für ihren Traum arbeitet Rosalia hart. | |
Sie hält strenge Diät, gönnt sich nur einmal pro Woche Schokolade. Für | |
Ausgehen und Alkohol gibt es wenig Platz in ihrem Leben. Dennoch ist sie im | |
Moment zur Untätigkeit verdammt: sie findet schlicht keine Gegnerinnen. | |
Doch nicht alle "Boxgirls" sind so motiviert. "Wir haben an einem | |
Frauenabend nach einigen Drinks spontan beschlossen, dass wir mit Boxen | |
anfangen müssen", erzählt Diana Rauchfelder. Allerdings kann sie sich nicht | |
vorstellen, an Wettkämpfen teilzunehmen - aus Angst um die Gesundheit. Denn | |
wer schön aussehen will, so die 30-Jährige, sollte nicht boxen. "Ich sehe | |
das Training als gute Gelegenheit, um Stress abzubauen." Auch die | |
glamouröse Welt des Profiboxens im Fernsehen interessiert Rauchfelder | |
nicht, egal ob Wladimir Klitschko oder Ina Menzer kämpfen: "Ich schaue mir | |
das eh nicht an." | |
Heather Cameron sieht trotz einiger Fortschritte ein Imageproblem: "Es | |
existieren nach wie vor die Rollenbilder, dass Frauen nicht hart sein | |
sollen. Wir wollen die Mädchen stark machen, damit sie sich auch außerhalb | |
des Rings behaupten können", sagt sie. Deshalb ist "Boxgirls" auch mehr als | |
ein Sportverein. Zusammen mit Schulen im Kiez wurden Projekte initiiert, um | |
das Viertel sicherer zu machen. "Wir verstehen Sport als Katalysator für | |
sozialen Wandel", so die Kanadierin. Sie beschränkt sich aber nicht nur auf | |
Berlin. Partnerschaften mit Boxclubs in Toronto, London und Nairobi wurden | |
geschlossen. In Kenias Hauptstadt konnte man als prominentestes Mitglied | |
der dortigen "Boxgirls" die ehemalige Weltmeisterin Conjestina Achieng | |
gewinnen. Im Rahmen ihres Kampfes gegen Natasha Ragosina im November 2008 | |
absolvierte Achieng auch einige Trainingseinheiten in Kreuzberg. "Ich habe | |
mit Conjestina Sparring gemacht", erzählt Rosalia Skowron "das war schon | |
klasse." Der Kontakt mit Achieng dürfte jetzt noch enger werden, seit vor | |
kurzem bekannt wurde, dass die Kenianerin beim Berliner Boxstall Amadun | |
unterschrieben hat. Seit 2007 sind die "Boxgirls" außerdem Teil des | |
internationalen Netzwerks "Sport for Social Change." Bekannteste | |
Mitarbeiterin ist Auma Obama, die Halbschwester des designierten | |
US-Präsidenten. | |
Den WM-Kampf der amtierenden Doppelweltmeisterin Ina Menzer gegen Schouten | |
wird Heather Cameron live vorm Fernseher verfolgen, "das ist tolle Werbung | |
für den Sport". Rosalia Skowron ist sich da allerdings noch nicht sicher: | |
Ina Menzer ist ihr leider nicht bekannt. | |
16 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Alexander Steininger | |
## TAGS | |
Boxen | |
Schwerpunkt Sport trotz Corona | |
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