# taz.de -- Kurzfilm über junge Migranten: Endstation Türsteher | |
> Für einen Kurzfilm spielen sich fünf junge Migranten selbst. Dabei geht | |
> es um ihren Alltag und ihre Freizeit. Der Film läuft bis Freitag im | |
> Rahmen der Ausstellung "denk!mal" im Abgeordnetenhaus. | |
Bild: Freizeit: was anfangen? | |
Jelson, Lamin, Bussuriu, Ibrahim und Milton sind in Partylaune; sie wollen | |
sich in einem Club in Kreuzberg amüsieren. Die Jungs kommen nicht aus | |
Berlin, das sieht und hört man. Ihre Heimatländer sind Angola, | |
Guinea-Bissau, Kenia und Libanon - und das ist auch der Grund, weshalb sie | |
an diesem Abend nicht feiern dürfen. "Ausländertag ist Dienstag!", pöbelt | |
der Türsteher und lächelt selbstgefällig, als die Jungs wütend und | |
niedergeschlagen den Rückweg antreten. | |
"Diese Szene haben wir nicht einfach erfunden, das haben wir alle schon oft | |
mitgemacht", erklärt Milton Paixao. Der 18-jährige Angolaner erinnert sich, | |
dass es in Clubs oft Veranstaltungen gab, bei denen Ausländer nicht | |
erwünscht waren. "Wenn wir dann gefragt haben, warum wir draußen bleiben | |
müssen, während alle Deutschen ohne Probleme reinkönnen, wurden die | |
Türsteher oft aggressiv und drohten mit der Polizei." | |
Milton ist einer der fünf Jugendlichen, die zusammen mit der Filmarche e. | |
V. und der Crossend Filmproduktion den knapp 16-minütigen Streifen "Dukes | |
of Berlin" gedreht haben. Die Regisseurinnen Sandra Budesheim und Sabine | |
Zimmer lernte er vor knapp einem Jahr kennen. Die beiden Frauen suchten | |
nach Interessierten für einen Filmworkshop. "Wir wollten schon lange mal | |
mit Jugendlichen arbeiten und dachten, dass sie sich bestimmt am meisten | |
für die Macherseite - also für Kamera oder Regie - interessieren würden", | |
sagt Sandra Budesheim. Doch die fünf, die sich meldeten, wollten lieber | |
schauspielern - trotz der Sprachprobleme, die vor allem der damals erst | |
15-jährige Bussuriu Diallo hatte. Er war nur drei Monate vor dem Projekt | |
von Guinea-Bissau nach Berlin gekommen. | |
Als Milton in der deutschen Hauptstadt ankam, war er gerade mal zwölf Jahre | |
alt. "Ich stand alleine am Flughafen und fand alles sehr seltsam: Denn es | |
war Dezember, es schneite, es war kalt, und ich kannte niemanden." | |
Irgendwie kam er zur Polizei, die vermittelte ihn an ein Heim. Mit 16 | |
Jahren zog er schließlich in eine von Evin e. V. betreute Wohngemeinschaft. | |
Der Verein betreut mehrere Jugendhilfeprojekte, teilweise speziell für | |
Flüchtlinge. Heute lebt Milton in einer eigenen Wohnung und macht eine | |
Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. | |
Warum er seine Heimat verlassen hat? Darüber will er nicht sprechen "Ich | |
konnte halt nicht bleiben, private Gründe" sagt er und winkt ab. Die | |
Fragerei nerve ihn, erklärt er weiter; sechs Jahre sei er jetzt in Berlin | |
und die Stadt sei seine zweite Heimat geworden, aber alle interessierten | |
sich am meisten für seine Flüchtlingsgeschichte. "Hätte der Film dieses | |
Thema behandelt, hätte ich nicht mitgemacht." | |
Die anderen Jungs sahen das genauso. Sie alle sind minderjährig und völlig | |
allein aus ihrer Heimat nach Berlin geflohen, doch sie wollen nicht immer | |
auf der Vergangenheit herumreiten, sondern vom Hier und Jetzt erzählen. Die | |
Regisseurinnen entscheiden sich deshalb, zusammen mit den Jungs eine Art | |
Gegenwartsporträt mit Happy End zu drehen. Die fünf Hauptdarsteller spielen | |
sich dabei selbst. "Wir müssen zusammenhalten, dann schaffen wir es", so | |
könnte das Motto des Films lauten. | |
Dabei ist es gerade das Auftreten als Gruppe, das die Jugendlichen im | |
Alltag oft in Schwierigkeiten bringt. "Viele Leute fühlen sich bedroht oder | |
provoziert, wenn wir zusammen irgendwo hinkommen", berichtet Milton. Auch | |
der Film erzählt von dieser Problematik: Als Milton, Jelson, Lamin und | |
Bussuriu abends vor einem Kiosk haltmachen, um Limo zu kaufen, steht neben | |
ihnen ein junger Mann an einem Bankautomaten. Obwohl ihn die Jugendlichen | |
gar nicht beachten, ist er nervös und schaut immer wieder ängstlich zu der | |
Gruppe herüber. Als Bussuriu dann eine Plastikpistole zieht, gerät die | |
Situation außer Kontrolle: Der Mann lässt sein Geld fallen und rennt weg. | |
Die Stimmung der Jungs ist nun auf dem Tiefpunkt. Sie haben Angst, in | |
Schwierigkeiten zu geraten, vor allem weil Lamin das Geld aufgehoben und | |
mitgenommen hat. | |
Den Wendepunkt der Geschichte markiert ein Tanz-Casting. Die Jungs gewinnen | |
zwar nicht, bekommen aber die Chance auf ein Talentstipendium. Dieser Teil | |
der Geschichte basiert allerdings nicht auf eigenen Erlebnissen, im | |
Gegenteil: Milton findet Castings eigentlich lächerlich, obwohl Tanzen | |
durchaus eine seiner Leidenschaften ist. Seit mehr als einem Jahr ist er | |
Mitglied im Ensemble der Lis:sanga Dance Company, die sich aus Berliner | |
Schülern und jugendlichen Asylbewerbern zusammensetzt. | |
Für den Film haben sich die Jungs nicht nur ihren Gruppennamen "Dukes of | |
Berlin" ausgedacht, sondern auch einzelne Künstlernamen. Milton nennt sich | |
"Chinotte". So hieß ein Verwandter in Angola, dem er nahestand. Irgendwann, | |
sagt er, will er zurück zu seiner Familie nach Angola. Berlin kann eben | |
doch nur zweite Heimat sein. | |
19 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Melanie Fuchs | |
## TAGS | |
Filmemacher | |
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