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# taz.de -- Neuer Bildungs-Kurs in Niedersachsen: Ende der Hauptschule in Sicht
> Elternwille, Lehrermangel, demographischer Wandel: Haupt- und Realschulen
> sollen künftig auch in Niedersachsen stärker kooperieren. Der Opposition
> ist das zu wenig: Sie fürchtet, dass auch die neue Schulform in die
> Sackgasse führt.
Bild: In Niedersachsen wird in Zukunft nicht mehr mit den Hauptschulen gerechne…
Niedersachsen bereitet als eines der letzten Bundesländer den Ausstieg aus
der Hauptschule vor. Hatten CDU- und FDP-Bildungspolitiker jahrelang auf
einem streng gegliederten Schulsystem beharrt, sollen Haupt- und
Realschulen künftig stärker kooperieren, lautet die neue Sprachregelung.
Wegen Schüler- und Lehrermangel liebäugeln einige Bildungsexperten von CDU
und FDP sogar schon mit dem Ende der Hauptschule. Die Eltern hätten wenig
Einwände: Im vergangenen Jahr haben nur noch rund 14 Prozent ihre Kinder in
Niedersachsen zur Hauptschule geschickt, 2007 waren es noch gut 18 Prozent.
"Wir können die Selbständigkeit nicht garantieren, wenn in einzelnen
Regionen nur noch sieben oder zehn Kinder eines Jahrgangs auf die
Hauptschule gehen", sagt der CDU-Bildungspolitiker Karl-Heinz Klare und
fordert "Standort- und Qualitätssicherung". CDU-Kultusministerin Elisabeth
Heister-Neumann ist zwar für "mehr Kooperationen" von Haupt- und
Realschulen, hält aber weiter am gegliederten Schulsystem fest. Auch bei
Grundschulen, an denen die Schülerzahl nicht ausreicht, will sie mehr
Fusionen. Details soll es erst am 24. Februar geben.
Schwarz und Gelb wollen weiterhin getrennte Haupt- und
Realschul-Abschlüsse. Alle Fächer bis auf Mathematik, Englisch und Deutsch
sollen künftig gemeinsam unterrichtet werden, sagt der Christdemokrat
Klare. Zudem will er Geld durch gemeinsame Schulleitungen sparen. Derzeit
werden bereits vielerorts Sport, Musik und Kunst gemeinsam unterrichtet.
Wegen schrumpfender Jahrgänge - aber vor allem, weil viele Eltern diese
Schulform als Sammelbecken für "Problemkinder" sehen -, wird die
Hauptschule seit längerem immer seltener gewählt. Forderungen nach der
Abschaffung der "Restschule" waren CDU und FDP lange mit einer angeblichen
"Stärkung" der Hauptschule begegnet: durch mehr Förderstunden,
Sozialarbeiter oder Praxistage in Betrieben. Vergeblich. In Städten wie
Göttingen besuchen nur noch 6,6 Prozent der Schüler die Hauptschule. Die
Reformen benötigten ihre Zeit - so hatte Heister-Neumann unlängst noch das
Weiterbestehen der Hauptschule verteidigt.
Zudem drängt massiver Lehrermangel zu Reformen. Gymnasien werden nicht nur
stärker nachgefragt, die Lehrer dort unterrichten auch im Schnitt fünf
Stunden weniger als Hauptschullehrer - das schwächt die
Unterrichtsversorgung zusätzlich. Außerdem nehmen derzeit viele Lehrer
Ausgleich für in der Vergangenheit geleistete Überstunden. Dieses Recht
hatten sie im vergangenen Jahr durch Demonstrationen erstritten. Im
kommenden Schuljahr dürften in Niedersachsen deshalb bis zu 1.500 Lehrer
fehlen, fürchten die Schulpolitiker der Koalition. Heister-Neumann hat
bereits angekündigt, Pensionäre und Seiteneinsteiger für den Schuldienst zu
aktivieren. Als Mangelfächer gelten insbesondere Mathematik, Latein oder
Physik.
"Das einzig Positive an dem Vorschlag ist: Die Landesregierung gibt endlich
zu, dass die Hauptschulen vor dem Aus stehen", sagte die Bildungsexpertin
der Linkspartei, Christa Reichwaldt. Für sie zementiert das künftige
Zwei-Säulen-Modell die Selektion und damit "soziale Spaltung und
Benachteiligung".
Als "halbherzig" kritisierte Ina Korter (Grüne) die Pläne von Schwarz-Gelb:
"Die Eltern wollen für ihr Kind eine Schule, die von Anfang an einen Weg
zum Abitur offen hält. Das zeigt der große Andrang auf die Gesamtschulen
und Gymnasien." Die "neue" Schulform könne sehr schnell zur Restschule
werden, wie sich in Schleswig-Holstein zeige: Hier entschieden sich Eltern
eindeutig gegen die aus Haupt- und Realschulen zusammengefasste
Regionalschule und für die so genannten Gemeinschaftsschulen. Das sieht
auch die SPD-Schulexpertin Frauke Heiligenstadt so: "Es gibt in ganz
Deutschland keinen Kultusminister, der den Trend gegen die Hauptschule
umgekehrt hat."
Das Akzeptanzproblem der Hauptschule "ist nicht auf dem Rücken der
Realschule zu lösen", erklärt der Realschullehrerverband. Gemeinsamer
Unterricht mache "Realschulen kaputt, ohne der Hauptschule zu helfen". Dem
widerspricht Björn Försterling, Kultus-Experte der FDP: "Die stärkere
Kooperation ist auch zum Nutzen der Realschulen."
19 Jan 2009
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
Schule
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