# taz.de -- Südkoreanischer Wirtschafts-Blogger angeklagt: Bürgerrechtler fü… | |
> Park Dae-sung machte in seinem Blog erstaunlich genaue | |
> Wirtschaftsprognosen. Das passte der südkoreanischen Regierung gar nicht | |
> - jetzt wird er verklagt. | |
Bild: Der Wirtschaftsguru Park Dae-sung (links) hat alles richtig prognostizier… | |
Erst wurde Park Dae-sung als Online-Wirtschaftsguru gefeiert und zum Robin | |
Hood der Finanzkrisen-Opfer verklärt. Jetzt ist der Südkoreaner zum | |
Testfall für die Meinungsfreiheit in seinem Land geworden: Die | |
Staatsanwaltschaft hat den 31-jährigen angeklagt, mit einem Blog falsche | |
Informationen im Internet verbreitet zu haben, in der Absicht, das | |
öffentliche Interesse zu schädigen. Bei einer Verurteilung drohen Park bis | |
zu fünf Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe von bis 50 Millionen Won (ca. | |
28.000 Euro). | |
Der Blogger hält sich dagegen für unschuldig. „Ich wollte nur den Leuten | |
helfen, die sich nicht von der Regierung vertreten fühlen", hatte er bei | |
seiner Verhaftung vor zwei Wochen erklärt. Bürgerrechtler kritisieren die | |
Anklage als den Versuch, die wichtigste Gegenöffentlichkeit in Südkorea, | |
das Internet, mundtot zu machen. Die oppositionelle Demokratische Partei | |
organisierte einen hochrangigen Verteidiger für Park. „Diese Anklage ist | |
ein Zurück in die Vergangenheit", sagte der Abgeordnete Song Yong-gil in | |
Anspielung auf die Zeit der Militärdiktatur. | |
Unter dem Pseudonym „Minerva" hatte Park letztes Jahr düstere | |
Wirtschaftsprognosen auf dem Webportal „Daum" gepostet. Als Minerva mit | |
verblüffender Genauigkeit den Zusammenbruch der Investmentbank Lehman | |
Brothers und den Verfall der südkoreanischen Währung Won vorhersagte, | |
klinkten sich bis zu 100.000 User täglich in seinen Weblog ein. Die | |
Zeitungen veröffentlichten seine Vorhersagen, selbst Wirtschaftsanalysten | |
behielten sie im Auge. Die halbe Nation rätselte über die Identität des | |
Bloggers mit den profunden ökonomischen Kenntnissen. | |
Doch die Regierung des konservativen Präsidenten Lee Myung-bak, der den | |
Beinamen „Bulldozer" trägt, reagierte auf die anonymen | |
Untergangs-Prophezeiungen aus dem Internet allergisch. Minerva wagte es | |
nicht nur, die offizielle Wirtschaftspolitik zu kritisieren, sondern zog | |
die Regierungstaktik, die Krise schön zu reden, ins Lächerliche. Aus Angst | |
vor einer Wiederholung der Asienkrise von 1998, als Südkorea den | |
Staatsbankrott nur mit internationaler Hilfe abwenden konnte, behaupteten | |
offizielle Stellen immer wieder, die Wirtschaft sei in guter Verfassung, | |
während der Rest der Welt vom Finanz-Tsunami überrollt wurde. Die | |
südkoreanische Presse, die nahezu komplett zum konservativen Establishment | |
gehört, spielte mit. Nur die bissigen Einwürfe von Minerva kratzten an | |
diesem schöngefärbten Image. | |
Zur Jahreswende schlug die Regierung zurück: Am 29. Dezember behauptete | |
Minerva, die Regierung hätte den Banken und Großkonzernen per Notdekret | |
verboten, US-Dollar zu kaufen, um den Verfall des Won zu stoppen. Das löste | |
einen kleinen Run auf den Dollar aus: Die Regierung musste dementieren, | |
obwohl es vorher solche Appelle an die Großunternehmen gegeben hatte, und | |
die Notenbank 2,2 Mrd. Dollar verkaufen, um den Kurs zu stabilisieren. Am | |
10. Januar wurde der Blogger verhaftet und wie ein gemeiner Krimineller | |
abgeführt. Die Öffentlichkeit war verblüfft: Minerva hatte keinen festen | |
Job, nur zwei Jahre ein College besucht und sich sein Wirtschaftswissen aus | |
online bestellten Lehrbüchern angeeignet. | |
Die Regierung bestreitet einen Eingriff in die Meinungsfreiheit, | |
Online-Inhalte müssten aber stärker kontrolliert werden. Tatsächlich hat | |
sie schlechte Erfahrungen mit dem Cyberspace gemacht: Auch die | |
Massenproteste gegen die Wiedereinfuhr von US-Rindfleisch im vergangenen | |
Sommer wurden übers Internet organisiert. „Die Fehler und die Inkompetenz | |
der Regierung haben Minerva zu dem gemacht, was er heute ist", erklärte die | |
Bürgerrechtsgruppe „Anwälte für eine demokratische Gesellschaft". | |
23 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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