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# taz.de -- Liedermacher Demmler begeht Selbstmord: Ein tiefer, tragischer Fall
> Dem 65-jährigen Lyriker und Liedermacher Kurt Demmler wurden über 200
> Missbrauchstaten an sechs minderjährigen Mädchen vorgeworfen. Nun hat er
> sich dem Prozess entzogen.
Bild: Der Pozess gegen Kurt Demmler hätte wenige Stunden nach seinem Selbstmor…
Kurt Demmler genoss in Ostdeutschland einen enormen Ruf als Musiker und
Komponist. Er war "der erfolgreichste Rocktexter der DDR", heißt es über
Kurt Demmler im "Rocklexikon der DDR". Er schrieb den Text des
Nina-Hagen-Hits "Du hast den Farbfilm vergessen", aber auch Lyrik für
Karat, Renft, Karussell und die frühen Silly. Nebenher trat er mit eigenen
Programmen auf. Demmlers Schaffenskraft war doppelt legendär, denn er
konnte im Akkord produzieren. Dank dieser Fähigkeit brachte es der
studierte Mediziner, der 1976 nach siebenjähriger Arzttätigkeit in Leipzig
freischaffender Künstler wurde, auf mehr als 10.000 Texte. Nachdem er 1985
mit "Die Lieder des kleinen Prinzen" ein hoch gelobtes Album veröffentlicht
hatte, bekam er nicht nur das Etikett "Anwalt der Kinder" verpasst, sondern
auch den Nationalpreis der DDR.
Der verdiente Werktätige der DDR-Unterhaltungsindustrie war sich seiner
besonderen Fähigkeiten stets sehr bewusst und zeigte sich auch gegenüber
der Obrigkeit äußerst selbstsicher. Schon 1976 hatte er gegen die
Biermann-Ausbürgerung protestiert, seine Kritik an den DDR-Zuständen
brachte ihm Auftrittsverbote ein. 1986, als er von den jungen Bands bereits
weniger beachtet wurde, verkündete er seinen Abschied als
Deutschrocktexter. Im Herbst 1989 gehörte er trotzdem zu den Unterzeichnern
der Rockmusiker-Resolution für gesellschaftlichen Fortschritt. Bei der
legendären Großdemo auf dem Alexanderplatz am 4. November 1989 trat er mit
seinem Hohnlied auf die Stasi "Irgendeiner ist immer dabei" auf.
Nicht mehr recht dabei war er nach der Neuordnung des Musikgeschäfts in
Ostdeutschland nach der Wende, die auch für ihn einen Karriereknick
bedeutete. Es gab weniger Aufträge, weniger öffentliche Aufmerksamkeit und
Anerkennung. "Ich war noch nie in meinem Leben so dumm rumgestanden",
resümierte er 2005 in einem Interview die damalige Situation. Finanziell
hatte er zwar keinen Druck, aber der Rückzug auf ein "eremitenähnliches
Dasein in der Mark" (bei Storkow) machte ihn alles andere als glücklich.
Ende der Neunzigerjahre unternahm er seinen wohl letzten ernsthaften
Versuch, noch einmal einen großen Wurf in der gesamtdeutschen Musikszene zu
landen. Er hatte aus fünf Teenagerinnen die Mädchenband Zungenkuss
zusammengestellt. Unter ihnen war auch Anna Fischer, die heute sehr
erfolgreich als Schauspielerin und Sängerin der eigenen Band Panda agiert.
"Wir waren eine Kinder-Girlgroup und hatte auch etliche Auftritte, aber als
der Erfolg ausblieb, haben wir uns wieder getrennt", erzählte sie vor
kurzem über diese Kurzepisode.
2001 erschien Kurt Demmlers letzte CD "Mein Herz muss barfuß gehen", ein
Best-of-Album mit Liedern wie "Jeder Mensch kann jeden lieben" und "Dieses
Lied sing ich den Frauen". Projekte mit anderen Künstlern, unter anderem
mit Inka, Veronika Fischer, Yvonne Catterfeld und Silbermond, waren stets
an Problemen mit den Plattenfirmen oder urheberrechtlichen
Auseinandersetzungen (wie bei Silbermond) gescheitert.
Anlässlich des 65. Geburtstages von Kurt Demmler am 12. September sollten
Musikerkollegen ein Konzert mit seinen Hits geplant haben.
Da saß er schon in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft hatte dem
DDR-Nationalpreisträger sexuellen Missbrauch von Mädchen in mehr als 200
Fällen vorgeworfen. Er soll sich zwischen 1995 und 1999 an sechs
Schülerinnen im Alter von 10 bis 14 Jahren vergangen haben. Demmler hatte
die Aussage verweigert, für den Fall eines Prozesses aber schon die
Möglichkeit eines Selbstmords angekündigt Am Dienstag wurde er tot in
seiner Zelle aufgefunden.
3 Feb 2009
## AUTOREN
Gunnar Leue
## TAGS
Lesestück Recherche und Reportage
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