| # taz.de -- Neue Platte von The Whitest Boy Alive: Schlaue, leichtlebige Säuse… | |
| > "Rules", die zweite Platte von The Whitest Boy Alive, fängt ruhig an, | |
| > hört ruhig auf und ist auch in der Mitte ruhig. | |
| Bild: Säuseln vorne und hinten: The Whitest Boy Alive. | |
| In den Mädchenzimmern dieser Republik hängen Diskokugeln. Junge Frauen und | |
| Männer tanzen in den sanften Morgenstunden zu leiser Musik. Zu einer | |
| leichten Musik, die von einem sanften Discobeat getragen wird, knautschige | |
| Synthie-Einsätze birgt und zu unverzerrten Gitarren ja sagt. Die jungen | |
| Männer und Frauen tanzen zur weißen, bleichen Variante von dem, was einst | |
| in den Siebzigern die große, schwarze Feier weißer Drogen und unmöglicher | |
| Klamotten gewesen ist. Von Disco ist die Rede. Die jungen Männer und Frauen | |
| in den Mädchenzimmern dieser Republik tanzen zu The Whitest Boy Alive. | |
| The Whitest Boy Alive ist eine Band aus Berlin, der entscheidende Name im | |
| Line-up lautet aber natürlich Erlend Øye. Øye kommt aus Norwegen, hat dort | |
| in Bergen eine kleine, einflussreiche Musikszene aufgebaut und zusammen mit | |
| Eirik Glambek Bøe die Kings of Convenience gegründet. | |
| Die Kings of Convenience wurden schnell zum Schrecken vieler Bürgerinnen | |
| und Bürger, denn ihre schlaue, leichtlebige und genauso leicht | |
| melancholische Säuselmusik beschallte schnell so ziemlich jede junge | |
| Kaffeestube dieser Republik. Die entscheidende Platte der Band wiederum | |
| hieß "Quiet is the New Loud" (erschienen 2001), und dieser Titel war | |
| gleichsam Parole wie Ausruf einer neuen Bewegung, die den sanften Folk | |
| wieder zurück ins Musikgeschäft brachte. Danach kamen die Turin Brakes und | |
| ein paar andere Bands, ehe aus Amerika der Weird Folk kam und die | |
| norwegische Pullovervariante des Säuselfolks mitsamt zweiter LP ("Riot on | |
| an Empty Street", 2004) wieder nahezu vergessen machte. | |
| Und Øye zog nach Berlin. Hier rannte er mit seiner übergroßen | |
| Flohmarktbrille eifrig durch Kreuzberg und die entscheidenden Clubs und | |
| Läden dieser Stadt, um Wind von den großen Versprechungen elektronischer | |
| Musik zu bekommen. Mit der Band Röyksopp hatte er bereits gute Erfahrungen | |
| gemacht, in Berlin trommelte er drei Musiker zusammen und gründete The | |
| Whitest Boy Alive, und wie alles andere, was er anfasste, wurde auch dieses | |
| Projekt schnell zu Gold, jedenfalls in den hippen Kreisen der Hauptstadt | |
| und den Kaffeestuben und Mädchenzimmern dieser Republik. | |
| "Rules" ist nach "Dreams" (2006) die zweite Platte der Band. Sie fängt | |
| ruhig an und hört auch ruhig wieder auf. Dazwischen bleibt sie im | |
| Wesentlichen ruhig. Ruhig im Sinne von unhektisch. Øye und Freunde machen | |
| Discomusik mit Indie-Mitteln, die Synthies klingen angenehm bescheuert, die | |
| Gitarren spielen unverzerrte Läufe oder schlagen einen Funkriff an. Es | |
| groovt ziemlich auf "Rules", wobei der Groove immer laid back ist und | |
| selten koksig. Die Platte ist frei von Höhepunkten, aber auch frei von | |
| Aussetzern, und das war schon immer das Erfolgsrezept des Mannes mit der | |
| älter werdenden, aber immer noch sensibel klingenden Stimme. | |
| Den Sound von "Rules", das übrigens ein hübsches Cover hat - Menschen | |
| bilden eine R-förmige Schlange, um in den "Raum der Regeln" zu kommen - | |
| könnte man mit "staubig" umschreiben. "Rules" klingt nach Discomusik, die | |
| in einem Berliner Übungsraum aufgenommen wurde. An den Wänden Eierschalen, | |
| auf dem Boden Auslegeware aus Filz. | |
| Der Übungsraumsound kommt natürlich nicht von Ungefähr. Man wollte in der | |
| Produktion nicht nur auf Effekte, sondern auch auf Overdubs verzichten. | |
| Disco unter Dogma-Voraussetzungen. | |
| Auch auf Textebene bleibt es schön einfach. "If you want me, show some | |
| courage" heißt es in "Courage". Ein Konkurrenzkampf unter Herren wird in | |
| "Gravity" beschrieben: "You only want her because shes mine / You will lose | |
| me as a friend if you cross that line." Die Brechung folgt im Chor, der | |
| nämlich "Youre wrong" und "So long" dazwischen singt. Was ausgesprochen | |
| nonchalant ist. Und das ist wiederum eine gute Beschreibung der ganzen | |
| Platte. "Rules" ist ein nonchalantes Werk für die diffusen Stunden nach | |
| Sonnenaufgang. In neuer Einfachheit. Mit Groove, aber ohne Drogen. | |
| Für den Herbst ist übrigens eine neue Platte der Kings of Convenience | |
| angekündigt. Bis zum mittäglichen Milchkaffee dauert es also nicht mehr | |
| lange. Die jungen Frauen und Männer tanzen weiter. | |
| 20 Feb 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| René Hamann | |
| ## TAGS | |
| Pop | |
| Hipster | |
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