# taz.de -- Kommentar gefeuerte Kaisers-Kassiererin: Das Urteil ist eine Farce | |
> Das Arbeitsgericht hat im Fall Emmely die Chance verpasst, eine | |
> Rechtslage weniger kleinkariert und gemäß dem gesunden Menschenverstand | |
> auszulegen. | |
Bild: Barbara E., engagierte Gewerkschafterin: Aus ihrer Sicht ist die Kündigu… | |
In der Tradition der deutschen Arbeitsrechtsprechung hat das Berliner | |
Landesgericht korrekt geurteilt: Die Supermarktkette Kaisers darf eine | |
Kassiererin entlassen, weil sie angeblich Pfandbons unterschlagen hat. | |
Schon Kleinstdelikte wie der Diebstahl von 1,30 Euro reichen für den | |
Rausschmiss. Diese irrwitzig klingende Härte gab das Bundesarbeitsgericht | |
schon 1984 vor. Damals wurde einer Verkäuferin fristlos gekündigt, die ein | |
Stück Bienenstich aus der Verkaufstheke genascht hatte. Schließlich, so die | |
Argumentation, müsse das Unternehmen seinen Angestellten unbedingt | |
vertrauen können. | |
Das Gericht hat in dem aktuellen Fall die Chance verpasst, die Rechtslage | |
weniger kleinkariert auszulegen. Denn folgt man nicht der juristischen | |
Logik, sondern der des gesunden Menschenverstands, ist das Urteil ein | |
handfester Skandal. Was für eine Farce: Ein Unternehmen zerstört die | |
soziale Existenz einer Frau, die 31 Jahre lang einen anstrengenden und | |
schlecht bezahlten Job hatte. Wegen einer - von ebenjener verdienten | |
Mitarbeiterin bestrittenen - Bagatelle. Insofern muss in diesem Fall die | |
Vertrauensfrage ganz anders gestellt werden. Was ist von einer | |
Firmenpolitik zu halten, die auf Nichtigkeiten mit brutalen Sanktionen | |
reagiert? Welches Vertrauen verdient eine Geschäftsleitung, die den Dialog | |
mit KollegInnen aggressiv ablehnt? Welche wahren Motive stecken hinter der | |
Kündigung? | |
Die letzte Frage kann nur die Kaisers-Tengelmann-Gruppe beantworten - ob | |
bei der Kündigung von Barbara E. tatsächlich das gewerkschaftliche | |
Engagement der Kassiererin ausschlaggebend war, wie es linke Gruppen | |
vermuten, sei dahingestellt. Doch die anderen Fragen hat das Unternehmen | |
klar beantwortet. Und es stellt sich damit in eine Reihe mit Discountern | |
wie Lidl oder anderen Supermarktketten. Für Kaisers sind seine | |
MitarbeiterInnen offenbar eine leicht ersetzbare Verschiebemasse, deren | |
Verdienste, Interessen und Bedürfnisse im Zweifel nicht zählen. Und die | |
sich den Gewinninteressen des Unternehmens bedingungslos unterzuordnen | |
haben. Mitten in der Wirtschaftskrise, in der sowieso tausende Menschen um | |
ihren Job fürchten müssen, sendet Kaisers damit ein fatales Signal. | |
24 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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