# taz.de -- Erika Steinbach verzichtet: Ende der Blockade | |
> Der Stiftungsrat des Zentrums gegen Vertreibung wird künftig ohne Erika | |
> Steinbach arbeiten: Der Bund der Vertriebenen will seine umstrittene | |
> Präsidentin nicht für das Gremium nominieren. | |
Bild: Vertriebenen-Chefin Erika Steinbach ist nicht mehr stur. | |
Erika Steinbach wird auf einen Sitz im Stiftungsrat der Stiftung "Flucht, | |
Vertreibung, Versöhnung" verzichten - vorläufig. Ihr Sitz, einer von drei | |
dem Bund der Vertriebenen (BdV) zugestandenen im Stiftungsrat, bleibt | |
unbesetzt. So steht es in einer Erklärung des Präsidiums des BdV. Damit | |
solle deutlich gemacht werden, dass das Präsidium "sich sein originäres | |
Besetzungsrecht von niemandem vorschreiben lässt - weder von der SPD noch | |
von sonst jemandem". Dasselbe Präsidium nominierte Erika Steinbach in der | |
vergangenen Woche noch einstimmig für den Stiftungsrat. Zur Begründung | |
dieses Sinneswandels heißt es jetzt, der BdV wolle "nicht der billige | |
Vorwand dafür sein, das Stiftungsgesetz nicht in die Tat umzusetzen und so | |
die Stiftung auf den letzten Metern noch zu verhindern. Wir wollen die | |
nicht von uns verursachte Blockade auflösen." | |
Der Rückzug der BdV-Vorsitzenden kam nicht unerwartet. Denn ihre | |
Parteifreundin, Bundeskanzlerin Angela Merkel, hatte dem polnischen | |
Regierungschef Donald Tusk informell zugesichert, Steinbach zum Verzicht | |
auf ihre Mitgliedschaft im Stiftungsrat zu bewegen. Allerdings wollte sie | |
diese Verzichtserklärung und damit die Besetzung des Stiftungsrates | |
aufschieben, um offenbar den Verlust von Stimmen bei der Bundestagswahl im | |
Herbst im konservativen Vertriebenenmilieu zu vermeiden. Dieses Kalkül | |
scheiterte, weil die polnischen Partner befürchteten, in ihrem eigenen Land | |
von Nationalisten als zu nachgiebig in der "Personalie Steinbach" | |
gebrandmarkt zu werden. Dies erklärt auch das scharfe Auftreten des | |
Staatssekretärs und außenpolitischen Beraters der polnischen Regierung, | |
Wladislaw Bartoszewski. | |
Erika Steinbach sagte ursprünglich, sie habe genug in ihrem Verband zu tun | |
und es sei für sie nicht zwingend notwendig, an der Arbeit des | |
Stiftungsrates teilzunehmen. Ihre dennoch erfolgte Nominierung konnte als | |
Kampfansage verstanden werden. Die Chefs der sudetendeutschen und | |
ostpreußischen Landsmannschaften forderten, sich aus dem Stiftungsprojekt | |
zurückzuziehen und eine nur vom BdV betriebene Gedenkstätte aufzubauen. Wie | |
stark diese Meinung innerhalb des BdV ist, wird sich am 18. März zeigen, | |
wenn ein alle Landsmannschaften repräsentierendes Gremium zusammentritt. | |
Gestern veröffentlichten die beiden Vize-Präsidenten des BdV auch eine | |
Erklärung, in der ein Ende der Medienkampagne in Polen gegen Steinbach | |
gefordert wird. Die Kritiker Steinbachs werden aufgefordert, ihre | |
ablehnende Haltung zu begründen. Tatsächlich ist die Tonlage in den | |
polnischen Medien gegenüber der BdV-Präsidentin oft schrill, aber es fehlt | |
in der polnischen Öffentlichkeit nicht an Argumenten, die die Ablehnung | |
Erika Steinbachs begründen: Dazu gehören unter anderem ihr Widerstand gegen | |
den polnisch-deutschen Grenzvertrag von 1990 und ihre Behauptung, die | |
Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten sei nicht nur | |
Folge der Naziaggression, sondern auch ein Produkt des polnischen | |
Nationalismus. | |
Steinbachs Verzicht auf die Nominierung wurde in Deutschland mit | |
Erleichterung aufgenommen. Der Vorsitzende der Vertriebenengruppe in der | |
Unionsfraktion, Jochen-Konrad Fromme, stellte fest, das Projekt könne nicht | |
mehr an einer "möglichen Blockadestrategie der SPD scheitern". Die | |
Koordinatorin der Bundesregierung für die deutsch-polnische Zusammenarbeit | |
und SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, Gesine Schwan, sagte | |
der taz: "Steinbachs Entscheidung ist konsequent und langfristig für das | |
deutsch-polnische Verhältnis mit Sicherheit sachdienlich." | |
Die Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Claudia Roth, nannte den | |
Rückzug Steinbachs "überfällig" und sagte dieser Zeitung: "Wenn Kanzlerin | |
Merkel rechtzeitig gehandelt hätte, wäre nicht so viel diplomatisches | |
Porzellan in den deutsch-polnischen Beziehungen zerschlagen worden." | |
4 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Christian Semler | |
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