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# taz.de -- "Schnüffel-Werbung" überall: Gefangen in Googles Werbenetz
> Bislang hielt sich Google beim "Behavioral Targeting" vornehm zurück. Das
> ändert sich nun zum Entsetzen der Datenschützer: Google knüpft ein
> gigantisches Netz zum Nutzer-Tracking.
Bild: Du kannst Dich nicht verstecken.
BERLIN taz Eigentlich klingt "Behavioral Targeting", zu deutsch:
"verhaltensbasierte Zielgruppenansprache", recht nett für all jene, denen
stets uninteressante Werbung im Internet eingeblendet wird. Ein
Reklamenetzwerk erfasst dabei die Surftouren eines Users, um daraus dann zu
schließen, für was er sich interessieren könnte.
Ist man zum Beispiel ein Fan von Reisewebsites, erhält man häufiger
Airline-Anzeigen. Kauft man gelegentlich in einem Online-Tiernahrungsshop,
findet man häufiger Sonderangebote für Hundefutter auf seiner
Lieblingswebsite eingeblendet.
Das Problem dabei: Damit diese Reklameform funktionieren kann, müssen
detailliert Surfprofile des Nutzers protokolliert und ausgewertet werden.
Und das betrifft wiederum die Privatsphäre vieler Menschen ganz direkt -
und erzeugt ungute Gefühle. Für Datenschützer ist "Behavioral Targeting"
deshalb ganz schlicht "Schnüffelwerbung".
Der Online-Konzern Google hielt sich wohl auch deshalb beim Aufbau eines
solchen Tracking-Netzes bislang zurück. Das ändert sich nun: Wie der
Konzern am Mittwoch mitteilte, steigt man nun voll in den Behavioral
Targeting-Markt ein.
Zunächst soll die Technik, die Google selbst mit dem verharmlosenden
Begriff "interessensbasierte Anzeigen" umschreibt, nur bei einigen
ausgewählten Werbetreibenden in Europa und den USA starten - als Betatest
ab Anfang April.
Das wird dann sukzessive ausgebaut, bis die ganze Welt und alle
Anzeigenschalter den Dienst nutzen können. Über eine eigene Website will
man Kunden dazu bewegen, selbst Interessen zu nennen, die dann mit Anzeigen
verknüpft werden. Diese so genannten "Ad Preferences" ermöglichen eine
Feineinstellung. Und machen Gutwetter beim ausgespähten Objekt.
Dort ist zu sehen: Google knüpft ein enges Netz. Über 500
Interessenskategorien erfasst der Online-Riese, die man in den
Werbeeinstellungen nachlesen kann. Egal ob unterschiedlichste Automarken,
Betriebssysteme, Kleidungsarten, Luxusartikel, Hausfinanzierung, diverse
Rechtsberatungsbereiche oder Wissenschaften wie Chemie und Physik - Google
hat dafür eine Kategorie.
Allein unauffindbar bleibt die in den USA eigentlich besonders lukrative
Werbekategorie Gesundheit, dafür kann man sich unter "Schönheit und
persönliche Pflege" immerhin für Diätinfos anmelden oder angeben, dass man
sich fürs Heiraten interessiert. Google verzeichne für sein Tracking-Netz
"keinerlei sensible Kategorien wie etwa Gesundheit oder sexuelle
Ausrichtung", betont der Konzern in seiner Pressemitteilung. Bei der
Analyse der Surfwege freilich bleiben auch solche Kategorien dem Konzern
kaum verborgen.
Datenschutztechnisch äußerst bedenklich ist die Reichweite, die Google mit
seinem Nutzer-Tracking künftig aufweisen kann. Es ist das größte derartige
Netz, das es jemals gegeben hat. "Ads by Google" begegnet man im Web fast
ständig, sie werden unter anderem auf Anzeigenflächen untergebracht, die
sonst nicht ausgebucht waren.
90 Prozent der deutschen Surfer in Googles Netz
Laut eigenen Angaben kann der Online-Gigant so mehr als 75 Prozent aller
Internet-Nutzer in über 100 Ländern und knapp zwei Dutzend Sprachen
erfassen. In Deutschland sollen es gar 90 Prozent der User sein.
All diese Menschen werden künftig durch das Targeting-Netz erfasst, wenn
sie sich nicht abmelden. Immerhin das macht Google leicht: Es reicht ein
Klick auf "Opt Out" in den Werbeeinstellungen. Danach wird angeblich nicht
nur nichts mehr mitgespeichert, sondern auch keine personalisierte Werbung
mehr eingeblendet, sondern nur die ganz normale.
Google betont bei seinem Vorgehen, dass das Tracking-Netz nicht mit
persönlichen Daten arbeite. Namen und Adressen, die der Konzern
beispielsweise in seinem E-Mail-Dienst vorhält, würden den Datenkrümeln
(Cookies), die das Behavioral Targeting möglich machen, nicht zugeordnet,
sie seien anonym.
Man trackt also den Browser, nicht den Benutzer. Das Problem: Schon allein
aus den gigantischen Datenmengen, die beim Behavioral Targeting in Googles
Logdateien anfallen, lassen sich potenziell Rückschlüsse auf den Surfer
ziehen.
Auch speichert der Konzern die Internet-Adressen (IPs) mit, von denen
Anfragen erfolgen. Diese lassen sich etwa von berechtigten Behörden oder
klagenden Rechteinhabern beim Internet-Provider des Kunden wieder zu Namen
und Anschriften machen.
Noch ist kein Fall im Westen bekannt geworden, bei dem Google die
Surfgeschichte eines Nutzers etwa an Geheimdienste weitergereicht hätte;
gegen den Versuch des US-Justizministeriums, große Mengen an
Suchabfragedaten zu beziehen, wehrte sich der Konzern 2006 erfolgreich.
Klar ist aber auch: Mit der Einführung des neuen Werbenetzes dürften die
Begehrlichkeiten noch weiter wachsen. Google besitzt damit nicht nur die
direkten Interessen des Kunden durch dessen Suchhistorie, sondern weiß auch
von zahlreichen Angeboten, die er im Web nutzt - und das nur, um etwas
relevantere Reklame einblenden zu können.
Eine derartige Menge an persönlichen Informationen in der Hand einer
einzelnen Firma hat es in der Geschichte der Menschheit noch nie gegeben.
Und Google hat nun dafür gesorgt, dass es noch viel mehr werden.
12 Mar 2009
## AUTOREN
Ben Schwan
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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