# taz.de -- Waffenmesse in Nürnberg: Genug der Einkehr | |
> Prima Stimmung trotz Amoklauf. Die Schusswaffenhersteller lassen sich das | |
> Feiern nicht verbieten. Ein Rundgang auf der weltweit größten Waffenmesse | |
> in Nürnberg. | |
Bild: Am Messestand von Beretta gibt es keine Trauerminute. | |
Vor der Halle baumeln die Fahnen recht pietätvoll auf halbmast, drinnen am | |
Beretta-Stand ist die Stimmung schon Freitagmittag prima. Aus den Boxen | |
dröhnt "One Vision" von Queen. Auf großen Flachbildschirmen flackern wohlig | |
klingende Wörter: "reliable", "passionate", "responsible". Im Obergeschoss | |
schenkt der italienische Waffenhersteller seinen Kunden Beretta-Wein aus. | |
An einem Tresen kann man sich für das Wirtschaftskrisen-Treffen der | |
Beretta-Händler anmelden. Das Motto dazu steht auf einem großen | |
dunkelblauen Schild: "Shoot down the crisis!" | |
Seit der 17-Jährige Tim K. am Mittwoch in Winnenden erst 15 Unschuldige, | |
dann sich selbst erschoss, mit einer halbautomatischen 9-mm-Pistole der | |
Marke Beretta, schwappt die öffentliche Erregung über. Politiker | |
diskutieren panisch über härtere Waffengesetze. Brauereien streichen ihren | |
Starkbieranstich. Fernsehsender tilgen eilig Comedy-Sendungen aus dem | |
Programm. Doch eine Branche lässt sich das Feiern nicht verbieten: die | |
Schusswaffenhersteller. Die treffen sich seit Freitag in Nürnberg zu ihrer | |
wichtigsten Messe, der "IWA & Outdoor Classics". | |
Auf der Bühne stehen Blumengestecke. Nicht aus Trauer, es ist die | |
Dekoration zum "International Knife Award", der Wahl der Messer des Jahres. | |
Vor den Blumen und den Messern steht Olaf Sauer, der Verbandspräsident der | |
Sportwaffenhersteller, guckt betroffen, sagt: "Wir alle sind sehr | |
betroffen", und senkt seinen Kopf für eine Schweigeminute. Durch die Tür | |
strömt fröhlich entspannte Bar-Piano-Musik. Dann ist es genug mit der | |
Einkehr. Die Ausstellerzahl habe im Vergleich zum Vorjahr um zehn Prozent | |
zugenommen, jubelt Sauer. Die Politik solle sich mit Überlegungen zu einem | |
härteren Waffenrecht zurückhalten. Denn legale Waffen seien kaum ein | |
Problem und seine Branche sei nicht schuld an den tragischen Ereignissen. | |
"Ein Amokläufer ist ein Zeichen dafür, dass in unserer Gesellschaft etwas | |
nicht stimmt", meint Sauer. Was der Ehrengast aus dem Innenministerium zur | |
Messe-Eröffnung verkündet, klingt da schon kritischer. Sein Minister | |
Wolfgang Schäuble sei damals auch durch eine legale Waffe schwer verwundet | |
worden, sagt Staatssekretär August Hanning. "Auch das sollten wir in | |
Erinnerung behalten." | |
Am Messestand von Beretta gibt es keine Trauerminute. Zum Amoklauf will der | |
Firmensprecher keine Erklärung abgeben. Es sei noch zu früh für | |
Spekulationen. Hinter ihm drehen sich in Plexiglasvitrinen die neuesten | |
halbautomatischen 9-mm-Pistolen von Beretta, Modell "Px4 Storm". Gerade | |
werden der internationalen Baller-Fachpresse die Vorzüge der neuen | |
Jagdflinte präsentiert. Das neue Gewehr habe eine bahnbrechende | |
Rückstoßdämpfung, sagt der Produktmanager am Mikrofon. "A lot of comfort | |
for the shooter." | |
Die Herausgeberin der Zeitschrift Waffenmarkt Intern wedelt aufgeregt mit | |
ihrem Teddy, der ein kleines putziges Gewehr auf den Rücken geschnallt hat. | |
"Jugendliche, die im Schützenverein sind, können sich besser konzentrieren, | |
sagen Studien", ruft sie. Sie hat in ihre aufgezwirbelten Haare schreiend | |
neongelbe Locken aus Kunststoff gewoben. Ihr Name ist Maggy Spindler, sie | |
redet mit rheinischem Akzent. Sie leitet die Messeführung für all die | |
Journalisten, auf deren Visitenkarte nicht Pirsch, Visier oder Der | |
Büchsenmacher steht. "Ich hoffe, dass die Aussteller den Schatten von | |
vorgestern abschütteln", trällert Maggy und zieht los. Vorneweg geht ein | |
Mann mit einem Schild, auf dem wie zur Warnung "Presserundgang" steht, | |
hinterher eine Gruppe Tierpfleger mit Greifvögeln auf dem Arm. Warum auch | |
immer. "Möchte jemand von Ihnen die Waffe in die Hand nehmen, um ein Gefühl | |
dafür zu bekommen", schreit Maggy und deutet auf ein wuchtiges Jagdgewehr | |
mit Laser-Zielfernrohr. Damit könne jedes Tier ohne Leiden mit einem Schuss | |
erledigt werden. "Na los, Freiwillige vor." Doch die Journalisten wollen | |
nicht. Maggy stapft vorbei an Ständen, die Sturmmasken verkaufen, an | |
Flecktarnkleidung in Kindergrößen, an Schaufensterpuppen, die Helme und | |
Schutzwesten tragen, wie man sie eigentlich nur zum | |
Terroristenwohnung-Stürmen gebrauchen kann. | |
Nach harmlosem Sport und naturverbundener Freizeit sieht das alles nicht | |
aus. In den USA mag diese Verbindung glaubwürdiger rüberkommen. Da haben | |
die Waffenfans eine richtige Lobby und prominente Fürsprecher wie den | |
Schauspieler Charlton Heston, der praktisch bis zum Tod für die NRA | |
werbegetrommelt hat. Doch in Nürnberg gibt es keinen Charlton Heston. Es | |
gibt Matthias Paul. Der hat zwar nie im "Planet der Affen" mitgespielt, | |
aber in einer RTL-Actionserie namens "Die Motoradcops". An diesem Vormittag | |
steht Paul in schwarzem Anzug und mit Gel-verstrubbelten Haaren am Stand | |
eines Herstellers für neuartige Pfefferpistolen. Auf einem Bildschirm | |
laufen Werbespots, die aussehen wie ein Actionfilm. Paul sagt, er sei aus | |
Überzeugung Jäger. Waffen hätten leider in der deutschen Presse immer so | |
einen schlechten Ruf. "Waffen sind für mich eher ein Werkzeug." Dann | |
posiert Matthias Paul mit einer knallorangenen Pfefferpistole. Er hält sie | |
verwegen dreinblickend vor seine Schulter. Es soll aussehen wie James Bond. | |
Auf dem Foto erinnert es mehr an einen Jungen mit einer Wasserpistole. | |
14 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Hübner | |
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