# taz.de -- Computerspiel-Konferenz in Magdeburg: Schulen ignorieren neue Medien | |
> Wissenschaftler fordern eine pädagogische Begleitung von Computerspielern | |
> statt eine Verbotsdebatte. Und sehen großen Nachholbedarf beim | |
> spielebasierten Lernen. | |
Bild: Diskussionsbedarf: Welchen Einfluss haben Computerspiele wirklich auf rea… | |
MAGDEBURG ap/dpa Computerspiele werden aus Sicht des Medienforschers | |
Johannes Fromme allzu oft vorschnell für reale Gewaltexzesse wie den | |
Amoklauf in Winnenden verantwortlich gemacht. "Man merkt jetzt, dass die | |
Diskussionen nach einem bekannten Muster ablaufen, aber nicht fundiert. Es | |
ist alles sehr vorhersagbar, was da kommt", sagt der Professor für | |
Erziehungswissenschaftliche Medienforschung an der Universität Magdeburg. | |
"Die Wahrscheinlichkeit, dass ein 17-Jähriger ein Counter-Strike-Spiel oder | |
Ähnliches auf dem Rechner hat, ist relativ hoch. Eigentlich ist das | |
normal." | |
Die Mehrheit der Forscher interessiere sich inzwischen für die Frage, warum | |
Jugendliche Computerspiele spielen und nicht mehr, was die Spiele mit den | |
Jugendlichen anstellten, sagt Fromme. Er organisiert noch bis zu diesem | |
Sonnabend in Magdeburg eine internationale Tagung zum Stand der | |
Computerspieleforschung. | |
"Magdeburg ist einer der wenigen Standorte in Deutschland, an denen sich | |
Medienpädagogik mit diesem Thema beschäftigt", erklärt Organisator Fromme. | |
In einigen Ländern wie den USA oder Skandinavien sei die Forschung viel | |
weiter. "Wir wollen den internationalen Stand sichtbar machen und die Leute | |
zusammenführen, die sich wissenschaftlich damit beschäftigen. Dazu gehören | |
neben Erziehungs- auch Medienwissenschaftler, Psychologen und Publizisten." | |
Erwartet werden renommierte Spieleforscher, darunter die beiden Briten | |
Richard Bartle, Gründer des ersten Multiplayer Online Spiels, und Tanya | |
Krzywinska, Präsidentin der Digital Games Research Association. | |
Einen breiten Raum nehmen bei der Konferenz lernorientierte Fragen ein. | |
Laut Fromme gibt es dabei viele unerschlossene Möglichkeiten; in den USA | |
etwa ist das spielebasierte Lernen viel weiter. Dort werde aber auch | |
weniger über negative Auswirkungen von Computerspielen diskutiert, merkt | |
Fromme an. Vielmehr arbeiteten Forschungszentren daran, neue Medien und vor | |
allem auch Spiele fürs Lernen zu nutzen. | |
"Ich glaube, dass die Schule einen großen Modernisierungsbedarf hat", sagt | |
der Professor. "Sie kann neue Medien nicht einfach ignorieren, sondern muss | |
sie in den Unterricht einbeziehen und über Lern- und Vermittlungskonzepte | |
neu nachdenken." | |
Mit Spannung erwartet der Wissenschaftler eine Diskussion über Spielsucht | |
am Sonnabend. "Der Begriff Spielsucht ist umstritten", sagt Fromme. Er | |
würde eher von exzessivem Spiel sprechen. Umstritten ist allerdings noch, | |
ob eine psychische Störung dahinter steht oder eine Verhaltensstörung. | |
Allerdings gehören nach Ansicht des Professors exzessive Phasen zum Leben: | |
"Denken wir nur an die eigene Jugend, wo wir die Lieblingsplatte immer | |
wieder gehört haben, was jeden Außenstehenden genervt hat." | |
Diskutiert wird auch über aktuelle Trends. Multiplayerspiele im Internet | |
etwa werden immer beliebter - Spiele, bei denen man nicht mehr allein gegen | |
den Computer antritt, sondern gegen andere. Diese Spiele werden nicht nur | |
von Jugendlichen gespielt: Eine Untersuchung aus den USA belegt ein | |
Durchschnittsalter der Spieler von 28 Jahren. Wer als Kind gespielt hat, | |
tut es also auch als Erwachsener. | |
Die Frage nach negativen Auswirkungen von Spielen werde heute anders | |
gestellt, sagt Fromme. Man sehe den Nutzer nicht mehr als Opfer, sondern | |
als Akteur. Wichtig sei dabei, was die Menschen in den Medien suchten. | |
Dabei spiele das soziale Umfeld eine Rolle. Computerspiele verschaffen | |
Akteuren Erfolge, sie können sich als jemand erleben, der Kompetenz | |
besitzt. Bei Onlinespielen kommen soziale Kontakte hinzu. "Es ist immer | |
jemand da", sagt Fromme. "Man kann also Kontakte knüpfen und durchaus etwas | |
lernen." | |
Wofür das erworbene Können und Wissen eingesetzt werde, sei eine andere | |
Frage. Statt über ein Verbot von Killerspielen nachzudenken, müsse man | |
Kinder und Jugendliche pädagogisch begleiten, fordert der Professor. Auch | |
beim aktuellen Fall in Winnenden könne man nicht einfach sagen, | |
Computerspiele waren der Auslöser, sagt Fromme: "Es ist immer ein Geflecht | |
von Ursachen, was sich Außenstehenden schwer erschließt. Man muss abwarten, | |
was sich überhaupt noch rekonstruieren lässt." | |
Die Diskussion über negative Auswirkungen von Spielen hat eine lange | |
Tradition: "An der Schwelle zum 20. Jahrhundert hat man über die negativen | |
Auswirkungen des Lesens debattiert", sagt Fromme. "Das weiß nur heute | |
keiner mehr." Auch Kino, Fernsehen und Comics standen schon am Pranger. | |
"Jede Generation betrachte die Medien, mit denen sie selbst aufgewachsen | |
ist, unkritischer als die, mit denen die Kinder aufwachsen", sagt Fromme. | |
Die Diskussion über die Schädlichkeit von Computerspielen wird seiner | |
Ansicht nach deshalb in 20 Jahren nicht mehr geführt werden. | |
19 Mar 2009 | |
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