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# taz.de -- 5. Weltwasserforum in Istanbul: Machtspiele mit Staudämmen
> Hunderte von neuen geplanten Staumauern bedrohen nicht nur Ökosysteme,
> sondern auch politische Gefüge.
Bild: 30 Kilometer vom türkischen Hasankeyf entfernt wird an dem Ilisu-Staudam…
ISTANBUL taz "Wir werden in den nächsten fünf Jahren mindestens 90 weitere
Staudämme bauen. Jeder Iraner wird Zugang zu sauberem Wasser haben." Parviz
Fattah, Energieminister aus dem Iran, ist stolz darauf, dass sein Land
Vorsorge gegen die drohende Wasserknappheit treffen wird, die während des
5. Weltwasserforums in Istanbul, das gestern zu Ende ging, allenthalben
beschworen wurde
Doch Iran ist bei Weitem nicht das einzige Land, das plant, Wasserknappheit
und Elektrizitätsgewinnung durch immer mehr und immer größere Staudämme
anzugehen. Bis zu 800 neue Staudämme will sein türkischer Kollege Veysel
Eroglu in den kommenden Jahren in die türkischen Flussläufe setzen lassen,
und das alles unter dem Beifall der UNO: Baut Dämme!, hatte der für
internationale hydrologische Programme zuständige Unesco-Direktor Andras
Szöllögy-Nagy gefordert und den meisten Vertretern des offiziellen
Weltwasserforums damit aus dem Herzen gesprochen.
Auf massive Kritik stießen die Dammbauer dagegen bei der vielfältig in
Istanbul vertretenen NGO-Szene, die - weil auf dem offiziellen Forum
weitgehend ausgegrenzt - am Wochenende einen eigenen Alternativkongress
veranstaltete. Bevor der am Freitagabend startete, war es allerdings noch
zu einem denkwürdigen Zusammenstoß auf dem offiziellen Forum gekommen.
Aufgeschreckt durch die internationale Kritik an der Abschiebung zweier
Umweltaktivistinnen, die während der Eröffnungsveranstaltung ein
Transparent gegen die Dammbaupolitik hochgehalten hatten, erlaubten die
Veranstalter der "Kampagne gegen den Staudamm in Hasankeyf", dem derzeit
umstrittensten türkischen Staudammprojekt, eine Präsentation zumindest im
Foyer des Forums. Dort kam es erstmals überhaupt während der jahrelangen
Auseinandersetzungen um Hasankeyf zu einem direkten Meinungsaustausch
zwischen Kritikern und Bauherren des Damms. Wutentbrannt hielt der
Funktionär der türkischen Wasserwerke DSI Özdemir Özbay den Kritikern
entgegen, er brauche sich von Ausländern nicht belehren zu lassen, er liebe
sein Land doch viel mehr. Und Dursun Yildiz, der technische Leiter des
Dammprojekts, ereiferte sich über die vermeintliche "Politisierung" des
Projekts durch die europäischen Länder: "Das erschwert jede Lösung. Zur Not
machen wir es eben ohne Geld aus Europa."
Die Debatte um den Ilisu-Damm in Hasankeyf ist symptomatisch für die
Auseinandersetzungen um Staudammbauten weltweit, wie die Erfahrungsberichte
auf dem Alternativforum anschließend zeigten. Egal ob in Nord- oder
Südamerika, in Asien, Afrika oder Europa, überall sind nationale
Regierungen im Verein mit internationalen Konzernen dabei, Flüsse
rücksichtslos mit Staudämmen zuzubetonieren.
Staudämme sind ein Machtfaktor, weil man damit das Wasser anderer Länder am
Unterlauf der Flüsse kontrollieren kann, und deshalb Beweis nationaler
Souveränität. Dafür werden fast alle Flüsse in gigantische Staustufen
verwandelt, riesige Areale fruchtbaren Landes überschwemmt, Mündungsdeltas
ausgetrocknet, und das ökologische Gleichgewicht wird in einem kaum
vorstellbaren Ausmaß zerstört. Was scheinbar lokale Konflikte sind, ist in
Wahrheit ein globales Problem. Etwas pathetisch, aber zutreffend
formulierte es der chilenische Ökologe Juan Pablo Orrego: "Wenn wir die
Flüsse Patagoniens nicht retten können, verlieren wir die Welt."
JÜRGEN GOTTSCHLICH
23 Mar 2009
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Schwerpunkt Fridays For Future
Irak
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