# taz.de -- Weniger Besucher: Krise auch im Nationalpark? | |
> Gespräch mit Sebastián Raby, dem Vizedirektor der chilenischen | |
> Tourismusbehörde, zum Tourismus in dem südamerikanischen Land. | |
Bild: Zu empfehlen: Abstecher auf die Insel Chiloé | |
taz: Herr Raby, eine der größte Touristenattraktionen Chiles, der | |
patagonische Nationalpark Torres del Paine, meldete in diesem Südsommer | |
einen deutlichen Rückgang bei ausländischen Besuchern. Zufall oder ein | |
Zeichen für die weltweite Krise? | |
Sebastián Raby: Ganz sicher Letzteres. Wir beobachten diese Entwicklung | |
auch, und sie beschränkt sich leider nicht auf diesen einen Park. | |
Beispielsweise wird die Zahl der Kreuzfahrtschiffe, die Kap Horn umrunden | |
und in chilenischen Häfen wie Punta Arenas oder Puerto Montt vor Anker | |
gehen, in der kommenden Saison um ein Fünftel sinken. Gerade bei den | |
teureren Reisepaketen macht sich die Krise bemerkbar. | |
Kann die Tourismusbehörde dagegen etwas unternehmen? | |
Das Budget der ausländischen Gäste können wir natürlich nicht beeinflussen. | |
Andererseits ist Chile ja nicht als einziges Land von diesem Rückgang | |
betroffen. Was den negativen wirtschaftlichen Effekt etwas kompensiert, ist | |
die Tatsache, dass viele Chilenen, die sonst nach Brasilien oder | |
Argentinien reisen, ihren Urlaub jetzt wieder im Heimatland verbringen | |
werden. | |
Vor Kurzem hat das Weltwirtschaftsforum (WEF) seinen Jahresbericht zur | |
Wettbewerbsfähigkeit im Tourismus veröffentlicht. Chile ist seit dem | |
letzten Bericht um sechs Plätze abgerutscht - auf Platz 57 von 133. | |
Bereitet Ihnen das Sorgen? | |
Sicherlich interessiert uns dieses Ranking, aber allzu viel Bedeutung | |
messen wir ihm auch nicht bei. Einerseits werden die Kriterien praktisch | |
jedes Jahr neu definiert, andererseits enthält der Bericht viele | |
Unstimmigkeiten im Detail. Zum Beispiel wird Chile in allen Einzelkriterien | |
der Kategorie „Naturressourcen“ negativ bewertet. Das macht beim besten | |
Willen keinen Sinn. Es gibt weltweit nur wenige Länder, die einen so großen | |
Anteil ihres Territoriums als Schutzgebiet ausweisen wie Chile. Zusammen | |
mit privaten Naturparks wie dem Parque Pumalín kommen wir auf rund 20 | |
Prozent der Landesfläche. Und dazu gehören bereits neun | |
Unesco-Biosphärenreservate. | |
Unter Tourismusexperten in Chile heißt es oft, man sei auf den Tourismus | |
schlecht vorbereitet. Es mangele an Ausbildung, bisweilen auch an | |
Begeisterung in den entsprechenden Dienstleistungen. | |
Das stimmt bis zu einem gewissen Punkt. Als touristisches Ziel hat Chile | |
eben noch nicht allzu viele Erfahrungen sammeln können, diese ganze | |
Entwicklung ist für unser Land noch relativ neu. Aber tatsächlich muss noch | |
einiges geschehen, etwa bei der Weiterbildung. Beispielsweise arbeiten | |
viele Menschen im Tourismussektor, die kaum Englisch sprechen. Das muss | |
sich ändern. | |
Und was machen Sie, um das Angebot zu verbessern? | |
Wir entwickeln zusammen mit lokalen und regionalen Anbietern neue Produkte, | |
komplexe „Erfahrungen“, die die Eigenheiten der sehr unterschiedlichen | |
Regionen Chiles erlebbar machen - zum Beispiel als Astronomietourismus im | |
Elqui-Tal, wo mehrere Sternwarten von Weltbedeutung stehen, oder als | |
Weintourismus in der Zentralzone. Im Süden Chiles geht es beispielsweise um | |
die vielen Thermalquellen oder die Kultur der Mapuche, der indigenen | |
Einwohner unseres Landes. | |
Was würden Sie persönlich einem Touristen aus Deutschland empfehlen, der | |
ein paar Wochen Zeit und ein begrenztes Budget mitbringt? | |
Ich greife einfach mal den Süden als Reiseregion heraus. Da sollte der | |
Besucher auf keinen Fall den Nationalpark Conguillío mit seinen | |
einzigartigen Araukarienwäldern verpassen, auch nicht das Gebiet der | |
Vulkane und Seen, wo die deutsche Einwanderung des 19. Jahrhunderts heute | |
noch sichtbar ist. Ziele wie die Gletscherlagune San Rafael und der | |
Nationalpark Torres del Paine in Patagonien sind selbstverständlich | |
absolute Höhepunkte, wenn man Natur erleben will. Und die Deutschen wandern | |
ja bekanntlich gerne. Ich selbst würde einen Abstecher auf die Insel Chiloé | |
sehr empfehlen. Wer sich um Kontakt zu den Menschen dort bemüht, wird sehr | |
freundlich aufgenommen werden. Mit etwas Glück kann er an einem curanto, | |
dem traditionellen Gemeinschaftsessen aus Fleisch und Meeresfrüchten, | |
teilnehmen oder eines der vielen religiösen Feste besuchen. Das können | |
unvergessliche Erlebnisse sein. | |
SEBASTIÁN RABY, 31, ist Vizedirektor der chilenischen Tourismusbehörde | |
Sernatur und leitet den Bereich Tourismusförderung. Von 2004 bis 2007 war | |
er Regionaldirektor von Sernatur in der Araucanía-Region im Süden Chiles. | |
Das Tourismusgeschäft kennt er aus der Praxis, u. a. als Guide in dem von | |
Douglas Tompkins gegründeten Pumalín-Park. | |
28 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prösser | |
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