| # taz.de -- Die Musikerin Soap&Skin: Existenzialistischer Zauber | |
| > Die 18-jährige Musikerin Anja Plaschg aus Wien - alias Soap&Skin - | |
| > ignoriert die Medienhysterie um ihre Person und verwandelt Konzertsäle | |
| > ganz souverän in heilige Orte. | |
| Bild: Die österreichische Sängerin Anja Plaschg in einem Youtube-Video | |
| Einfach so tun, als gäbe es das alles nicht: den Hype um das | |
| achtzehnjährige Popwunder aus Österreich mit Kindheit auf dem Dorf und | |
| schwerst beeindruckender künstlerischer Mehrfachbegabung, die schon mehr | |
| als ein Jahr vor ihrem soeben erschienen Debüt für unüberhörbares Rauschen | |
| in Medien und Musiklandschaft sorgte. Geht natürlich nicht. | |
| Anja Plaschg, besser bekannt als Soap&Skin, ist wohl schon jetzt eine | |
| Ikone. Dass auch der Festsaal Kreuzberg in Berlin bei ihrem Auftritt, mit | |
| dem sie ihr Album "Lovetune for Vacuum" vorstellte, letzte Woche aus allen | |
| Nähten platzte, war das Mindeste, worauf man zählen konnte. Dass ihr | |
| Konzert auch wirklich berührte, war bei dem hysterischen Vorab-Rummel dann | |
| aber eine Überraschung. Eine jugendlich-fragile Stimme, leicht | |
| verklimpertes Klavierspiel und digital ruckelnde Unterstützung aus dem | |
| Laptop sind Bausteine der Musik von Soap&Skin. Aus diesen fertigt Plaschg | |
| Rohdiamanten, unscheinbare Melodien mit einer Unmittelbarkeit des Gefühls, | |
| wie es nur in jungen Jahren möglich scheint. | |
| Was an dieser Musik sprachlos macht, ist ihr eigenwilliger und nicht | |
| altersgemäß erscheinender Formwille. Zerbrechlichkeit, Todessehnsucht und | |
| andere existenzielle Grundstimmungen handhabt die Künstlerin mit einer | |
| Selbstverständlichkeit, die für peinliche Momente nur wenig Raum lässt. Ist | |
| das Kunst oder Kitsch? Im Grunde stellt sich die Frage nicht, bei ihr ist | |
| die Grenze völlig verwischt. | |
| Vergleiche mit popmusikalischen Ausnahmeerscheinungen wie Antony Hegarty | |
| oder Kate Bush sind nicht fehl am Platz. Doch was die zierliche Sängerin so | |
| außergewöhnlich erscheinen lässt, ist nicht nur ihre kindlich wirkende | |
| Unverstelltheit, sondern die Art, wie sie ihre Stimme als Instrument | |
| einsetzt. Sie springt vom Kinderstimmenregister hinüber zu | |
| markzertrümmernden Schreien oder bricht unvermittelt in verzweifeltes | |
| Heulen aus. | |
| Diese Unberechenbarkeit, mit der sie die Songs ihres Albums vor morbider | |
| Gothic-Gefälligkeit bewahrt, steigert sich im Konzert zur emotionalen | |
| Belastungsprobe. Plaschg erscheint auf der Bühne in gewohnt düsterem Outfit | |
| - blass, mit wallenden dunklen Haaren und im schwarzen Kleid. Als sie sich | |
| an den Flügel setzt, haucht sie ein schüchternes "Hallo" ins Publikum. Wenn | |
| sie sich zwischen den Stücken bedankt, kann man das allenfalls an ihren | |
| Lippenbewegungen erahnen. Viel mehr sagt sie nicht. Allein nach dem ersten | |
| Stück wendet sie sich mit den Worten "Bitte schalten Sie diese Maschine | |
| aus" an die Technik - gemeint ist die Nebelmaschine. Als die Techniker | |
| nicht sofort begreifen, springt sie auf und schlägt demonstrativ auf das | |
| Gerät. | |
| Die meiste Zeit sitzt Plaschg jedoch konzentriert an ihrem Instrument. | |
| Unsicherheit macht sich kaum bemerkbar. Hoch gespannt auch das Publikum, | |
| dessen ergebene Aufmerksamkeit irgendwie an den Empfang der Sakramente | |
| erinnert. Als zwischen zwei Stücken kurz gelacht wird, fährt die Musikerin | |
| mit einem Blick dazwischen, dem man nachts lieber nicht allein auf der | |
| Straße begegnen möchte. | |
| Nach einer Dreiviertelstunde ist der Zauber vorüber. Fast. Ein neues Lied | |
| kommt noch als Zugabe hinterher, dann verabschiedet sich Plaschg mit einem | |
| "Danke", das so flehentlich klingt, dass es ein wenig unangenehm berührt. | |
| Oder sollte das etwa alles nur Teil einer medienkompatiblen Inszenierung | |
| gewesen sein? Selbst in diesem Fall hilft es nichts, Soap&Skin lässt einen | |
| dankbar und zumindest für den Augenblick verändert zurück. Schwer zu | |
| glauben, dass dies erst der Anfang ihrer künstlerischen Karriere ist. | |
| 29 Mar 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
| Tim Caspar Boehme | |
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| Wien | |
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