# taz.de -- Dokumentarkünstler Akram Zaatari: Gewohnheiten an den Krieg anpass… | |
> Das Donnern der Explosionen wurde Teil seines Heimatgefühls: Der Münchner | |
> Kunstverein zeigt die erste Einzelausstellung von Akram Zaatari in | |
> Deutschland. | |
Bild: Rauchsäulen über den Städten Libanons: Ein Bild das Zaataris Kindheit … | |
Dunkle Zypressen, Strommasten, Flachdachbauten auf Säulen, noch nicht ganz | |
fertiggestellt. Wer je den Nahen Osten durchreist und sich abseits von | |
Stadtstränden, Nachtclubs und touristischen Basaren gehalten hat, wer auch | |
nur die "Tagesschau" verfolgt hat, der wird die dürren Busch- und | |
Hügellandschaften in Akram Zaataris Bildern sofort wiedererkennen. An den | |
kargen Wänden des Münchner Kunstvereins, weiß und halb leer, lassen sie an | |
vieles denken - nur nicht an den Orient als einen Sehnsuchtsort. Hinter | |
Zaataris Hängen steigt Rauch auf. | |
Mehrere sekundenkurze Filmstills hat der libanesische Dokumentarkünstler | |
als Videosequenz aneinandermontiert, dann Tonaufnahmen von Explosionen | |
darunter gelegt. Einmal hat er verblassende Fotografien abgelichtet, auf | |
anderen Arbeiten sind alte Kassetten zu sehen, manchmal auch Menschen. Bis | |
Ende Mai präsentiert sie der Münchner Kunstverein in einer ersten | |
umfassenden Einzelschau. | |
Zum Künstlergespräch erscheint Akram Zaatari spät. Wegen der Zeitumstellung | |
ist er ein wenig müde. In schwarzer Regenjacke, den grauen Kragen | |
hochgeschlagen, dazu schwarzen Jeans und schwarzem Ripprolli, steht er | |
unter den Kugellampen im Foyer. Es ist Frühling in München, es regnet, es | |
ist kalt. Akram Zaatari stützt sich halb auf einen Barhocker und wärmt die | |
Hände an seinem Milchkaffee. | |
Im Jahr 1966 wurde er in Saida geboren - vier Jahre, bevor die PLO im | |
Südlibanon eine Operationsbasis gegen Israel schaffen sollte. Im Jahr 1982 | |
reagierte der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon mit einem | |
militärischen Vorstoß. Und während westliche Teenager ihre ersten Mixtapes | |
im Radio mitschnitten - "Ein bisschen Frieden" und "Ebony & Ivory" standen | |
oben in den Charts -, benützte der fünfzehnjährige Zaatari einen Rekorder, | |
um das einzufangen, was ihn umtrieb: "Anfangs war mir gar nicht bewusst, | |
wie ich meine Gewohnheiten, Dinge aufzunehmen, an den Krieg anpasste." | |
Das Donnern der Explosionen war längst zu einem Teil seines Heimatgefühls | |
geworden. "Jeder, der zu dieser Zeit in dieser Gegend aufgewachsen wäre, | |
hätte dasselbe getan", behauptet er heute. | |
Ein Jahr vor dem Libanonkrieg hatte Zaatari seinen ersten Eurofighter | |
gesehen. Dann die Feuerbälle, die über den blassen Himmel rasten, und einen | |
Fallschirmspringer, der nun langsam zu Boden segelte. Um ihn auf den | |
Straßen brandete der Jubel auf, so lange, bis sich herausstellte, dass das | |
getroffene Flugzeug kein israelischer Flieger war. Das war der Moment, als | |
Zaatari beschloss, seine Kamera nun immer einsatzbereit mitzutragen - und | |
selbst wenn er im entscheidenden Moment vor Aufregung manchmal vergaß, den | |
Objektivdeckel abzunehmen, hatte er die "Antennen ausgefahren", in | |
Palästina, Israel und im Libanon, später in Kanada, auf Zypern und in | |
Jugoslawien. | |
Akram Zaatari lächelt. Sein Gesicht stützt er in eine Hand, wischt mit der | |
anderen die Worte hin und her, während er erzählt. Von der einen Seite zur | |
anderen. Dahin, wo er sie brauchen kann. Hat er den richtigen Begriff | |
gefunden, schließen sich seine Finger fest um ihn wie um eine imaginäre | |
Kugel, die er festzuhalten versucht. Im Paris des Nahen Ostens, in Beirut | |
studierte er Architektur, dann in New York Medienkunst; seit den frühen | |
Neunzigern produziert er Kurz- und Dokumentarfilme. Begonnen hat alles wie | |
im "Spiel", einfach aus Freude daran, "werturteilsfrei" die Kraft der neuen | |
Technologien zu nützen. Wie im Kino? "Dem Kino ist es nicht gelungen, den | |
Krieg zu greifen." | |
Längst stellt die von ihm mitbegründete "Fondation Arabe Pour lImage" ein | |
ständig wachsendes Archiv an Bildern aus dem Nahen Osten dar, das | |
Gesichter, Stadtimpressionen, Landschaften umfasst. "Der Libanon hat keine | |
starke filmische Tradition", berichtet er. Wer in den Neunzigern hier eine | |
Kamera zur Hand nahm, der durfte sich als Pionier betrachten, als jemand, | |
der für das Gefühl einer Generation stehen und eine neue "Szene" wie auf | |
dem Reißbrett entwerfen konnte. | |
Zaatari sieht sich selbst aber vor allem als "Archäologe". Für die | |
Fondation sammelt er Porträts, spricht mit Menschen über ihre | |
Familienbilder und über ihre Notizen, besucht Fotografen in ihren Ateliers | |
und meißelt in seinen eigenen Filmen und Bild-Ton-Collagen eine Art | |
kollektives Tagebuch über das "Phänomen Krieg" heraus. Aber, "kollektiv"? | |
Sicher kein Wort, das Zaatari gern über sich lesen würde. In seinen | |
Arbeiten geht es ihm gerade um die Subjektivität, mit denen der Krieg | |
erlebt wird. In der Zusammenführung von Bild- und Tondokumenten holt er das | |
Vergangene in Echtzeit in die Gegenwart. Wenn Akram Zaatari die Geschichte | |
seines Landes aufschreibt, ist sie kein Reiseführer und kein verstaubtes | |
Schulbuch - sondern eine Biografie. | |
7 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Johanna Schmeller | |
## TAGS | |
Fotografie | |
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