# taz.de -- Handelsriese liegt im Sterben: Schlussverkauf für Karstadt | |
> Der Handelsriese Arcandor ist in der Kreditklemme. Ihm fehlen 900 | |
> Millionen. Mit seinen beiden Töchtern Karstadt und Quelle sind jetzt auch | |
> 12.500 Mitarbeiter gefährdet. | |
Bild: Die Rolltreppen gehen nur noch abwärts bei Karstadt. | |
Der Essener Warenhaus- und Touristikkonzern Arcandor kämpft ums Überleben. | |
Zur Sanierung brauche das Unternehmen mit den Hauptmarken Karstadt, Quelle | |
und Thomas Cook in den kommenden fünf Jahren Kredite von 900 Millionen | |
Euro, sagte Vorstandschef Karl-Gerhard Eick in Düsseldorf. Zudem müssen | |
bestehende Kreditlinien von 950 Millionen Euro bis zum Jahresende | |
verlängert werden. Über eine Insolvenz von Arcandor wollte Eick, der erst | |
seit März Vorstandsvorsitzender ist, aber nicht reden: "Ich gehe davon aus, | |
dass wir das Geld zusammenbekommen." | |
Arcandor gilt seit Jahren als angeschlagen. Allein im Geschäftsjahr 2007/08 | |
hat der Konzern einen Verlust von 746 Millionen Euro eingefahren. Schon im | |
Spätsommer 2005 hatte Eicks Vorgänger als Vorstandsvorsitzender, der | |
Manager Thomas Middelhoff, 73 kleinere Karstadt-Warenhäuser an den | |
britischen Finanzinvestor Dawney Day verkauft. Diese gingen 2008 unter dem | |
Namen Hertie in Konkurs, ebenso die ehemaligen Karstadt-Textiltöchter Sinn | |
Leffers und Wehmeyer. Branchenkenner spekulieren darüber, ob und zu welchen | |
Konditionen Arcandor einen 650 Millionen Euro schweren Kredit refinanzieren | |
kann, der schon Mitte Juni ausläuft. | |
Kreditgeber ist ausgerechnet ein Konsortium der von der Finanzkrise | |
besonders stark betroffenen Banken Bayern LB, Royal Bank of Scotland und | |
Dresdner Bank. Exkonzernchef Middelhoff hatte bei seinem Abgang im März | |
getönt, er übergebe das Unternehmen zwar "nicht besenrein", aber | |
"gerettet". | |
Die Banken überzeugen will Vorstandschef Eick mit einem harten | |
Sanierungskurs. So zählen über 1.500 Quelle-Shops, 115 | |
Quelle-Technikcenter, Foto Quelle, aber auch die Nobelkaufhäuser KaDeWe, | |
Alsterhaus und Oberpollinger in Berlin, Hamburg und München künftig nicht | |
mehr zum "Kerngeschäft" von Arcandor. Zusammen mit acht weiteren wenig | |
profitablen Karstadt-Filialen sollen sie in eine neu gegründete | |
Gesellschaft namens Atrys ausgegliedert werden. Als "Kerngeschäft" gelten | |
nur noch der Reiseanbieter Thomas Cook, das unter der Marke Primondo | |
gebündelte Versandhandelsgeschäft, 27 Karstadt-Sport-Häuser sowie 81 | |
verbliebene Karstadt-Warenhäuser. Diese sollen aber verstärkt Waren für den | |
Freizeitbedarf anbieten; die Zukunft ihrer Technikabteilungen gilt bei der | |
harten Konkurrenz von MediaMarkt und Co. als unsicher. | |
Die Warenhausbranche stehe "in hartem Wettbewerb mit Shopping-Centern in | |
den Innenstädten, an Bahn- und Flughäfen, Textildiscountern und nicht | |
zuletzt dem Internet", so Stefan Genth vom Hauptverband des Deutschen | |
Einzelhandels. Treffen wird die Sanierung mindestens 12.500 der rund 86.000 | |
Arcandor-Mitarbeiter. Zwar wollte sich Konzernchef Eick noch nicht dazu | |
äußern, ob es Entlassungen geben wird, doch die stellvertretende | |
Vorsitzende der Gewerkschaft Ver.di, Margret Mönig-Raane, blickt schon | |
heute mit einer "gewissen Skepsis" auf den Restrukturierungskurs des | |
Vorstands: Ein Verkauf der drei Aushängeschilder KaDeWe, Alsterhaus und | |
Oberpollinger "wäre eine grundlegende Fehlentscheidung", warnte sie. | |
"Jeder Mitarbeiter, jede Beschäftigte trägt schon heute mit | |
durchschnittlich 2.500 Euro pro Jahr zur Sanierung von Arcandor bei", | |
betont auch Ver.di-Sprecherin Cornelia Haß: "Auf Weihnachts- und | |
Urlaubsgeld wird schon seit Jahren verzichtet." Ausdrücklich unterstützt | |
die Gewerkschaft die Bemühungen des Arcandor-Vorstands um staatliche | |
Unterstützung. "Herr Eick hat mit den zuständigen Ministerien in Berlin, | |
aber auch an unserem Konzernsitz in Nordrhein-Westfalen gesprochen", so | |
Konzernsprecher Gerd Koslowski zur taz. Entscheidungen seien aber noch | |
nicht gefallen. "Viel zu früh" sei es für eine Diskussion über | |
Staatsbürgschaften, ist auch aus der nordrhein-westfälischen | |
Landeshauptstadt Düsseldorf zu hören: "Arcandor braucht erst einmal Banken, | |
die Kredite geben wollen. Erst wenn die bereitstehen, können wir über | |
Bürgschaften reden", sagt der Kenner. | |
20 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
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