Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Petrodollars als Retter in der Not: Abu Daimler
> Wer sind diese staatlichen Anleger vom Golf, die mit dem Geld aus ihrer
> Portokasse deutsche Traditionsunternehmen aufkaufen? In der Krise werden
> arabische Statsfonds zum Retter in der Not.
Bild: Khadem al-Qubaisi, nicht der Chauffeur von Daimler-Chef Zetsche, sondern …
Einst wurden die Ölscheichs belächelt. Oder sie wurden als Bedrohung
wahrgenommen, wenn sie auf der Suche nach lukrativen Anteilen bei
westlichen Unternehmen auf Einkaufstour gingen. Gerade die großen
arabischen Staatsfonds der ölreichen Golfstaaten wurden mit Misstrauen
betrachtet, als dunkle, undurchsichtige Mächte aus dem Orient, die sich die
Kronjuwelen der westlichen Wirtschaft unter den Nagel reißen wollten.
"Staatsunternehmen oder von Staaten gelenkte dürfen nicht die wichtigsten
Spieler des Weltmarktes werden", meinte der hessische Ministerpräsident
Roland Koch im Sommer 2007. "Gerade als Deutsche" müssten wir aufpassen,
dass "wir nicht von den neuen mächtigen Mitspielern als naive Trottel
betrachtet werden".
Bald darauf beschloss die Bundesregierung eine Schutzklausel: Seither kann
der Bund ein Veto einlegen, wenn außereuropäische Investoren mehr als ein
Viertel an strategisch wichtigen deutschen Unternehmen erwerben.
Doch die Dinge ändern sich. Spätestens seit sich Aabar Investment, einer
der Staatsfonds des Golfemirats Abu Dhabi, mit 1,95 Milliarden Dollar zu
9,1 Prozent bei Daimler eingekauft hat und man bei Opel verzweifelt nach
einem solventen Investor sucht, werden die staatlichen Finanziers vom Golf
eher als Retter in der Not wahrgenommen. Wer kauft sich dieser Tage schon
bei einem strauchelndem Autounternehmen ein, außer vielleicht
gezwungenermaßen der Steuerzahler? "Der Ruf der arabischen Fonds hat sich
vollkommen gewandelt, weil man heute ihr Geld dringend braucht. Jetzt ist
man heilfroh, wenn sie einsteigen", beschreibt Peter Göpfrich, Delegierter
der deutschen Wirtschaft in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die neue
Lage.
Ursprünglich waren die Staatsfonds am Golf als eine Art staatliche
Altersvorsorge für die Zeiten nach dem Öl gegründet worden. Sie sollten die
Einnahmenquellen der Emirate am Golf erweitern. Inzwischen ist die durch
Petrodollars angehäufte Finanzmacht der arabischen Staatsfonds gewaltig:
Vor der weltweiten Wirtschaftskrise wurde ihr gemeinsames Vermögen auf 1,5
Billionen US-Dollar geschätzt.
Allen voran steht der 1976 gegründete staatliche Fonds des Golfemirats Abu
Dhabi, die Abu Dhabi Investment Authority Adia, mit einem vor der Krise
geschätzten Kapital von fast 900 Milliarden Dollar. Wie viel der Fonds in
den vergangenen Monaten bei seinen weltweiten Investitionen verloren hat,
ist nicht bekannt, Schätzungen sprechen von 50 bis 70 Milliarden Dollar.
Hier beginnt auch schon das erste Problem mit den arabischen Staatsfonds:
Sie gelten als die intransparentesten überhaupt, noch undurchsichtiger als
die russischen und chinesischen Staatsfonds. Bei internationalen
Bewertungen schneiden Adia und der Fonds des benachbarten Emirats Katar,
die Qatar Investment Authority (geschätztes Kapital vor der Krise: 60
Milliarden Dollar), am schlechtesten ab. Das größte Problem dieser Fonds
ist, das man nicht so genau weiß, ob das Kapital tatsächlich dem Staat
gehört oder doch dem jeweiligen Emir.
Hinzu kommt, dass die Fonds durch wechselseitige Beteiligungen auf
undurchschaubare Weise miteinander verwoben sind. Adia besitzt Anteile an
dem zweiten großen staatlichen Fonds Abu Dhabis, der International
Petroleum Investment Company (Ipic), die wiederum Anteile an Aabar besitzt.
Wer ist nun also wirklich der größte Teilhaber von Daimler?
In der Öffentlichkeit tritt Adia kaum auf. Über Investitionsstrategie und
das Kapital ist wenig bekannt. "Oft liegen die erworbenen Anteile unter dem
Prozentsatz, bei dem sie offengelegt werden müssen, und in vielen Fällen
werden die Investitionen über andere Institutionen ausgelagert", berichtet
der Experte Sven Behrendt von der Carnegie Stiftung.
Doch die bekannten Portofolios sind beeindruckend. Die Kuwait Investment
Authority (KIA) mit einem Vorkrisenkapital von schätzungsweise 213
Milliarden Dollar besitzt 7,1 Prozent bei Daimler und Anteile an British
Petroleum und der Commercial Bank of China. Die Qatar Investment Authority
hält Beteiligungen am London Stock Exchange, 12 Prozent bei der Credit
Swiss und 8,9 Prozent bei der britischen Bank Barclays, hat aber auch eine
Milliarde Dollar in vietnamesische Öl-, Hafen- und Infrastruktur
investiert. Ein weiterer Fonds aus Abu Dhabi, Mubadala, ist mit 5 Prozent
der größte Aktionär bei Ferrari. Neben guten Profiten verfolgt Mubadala das
Ziel, Technologie an den Golf zu bringen. Mit der Idee, Abu Dhabi zu einem
Zentrum für die Luft- und Raumfahrt auszubauen, ging Mubadala auch
Partnerschaften mit Boeing und EADS ein.
Ipic, ebenfalls aus Abu Dhabi, hat im Januar 70 Prozent der Anteile des
deutschen Industrieanlagenbauers MAN Ferrostaal erworben, außerdem hält er
17,6 Prozent am größten österreichischen Unternehmen, der Öl- und Gasfirma
OMV. Ein weiterer Staatsfonds, der Abu Dhabi Investment Council, geriet
letzten Sommer in die Schlagzeilen, als er für 800 Million Dollar 90
Prozent des Chrysler-Gebäudes kaufte, eine von New Yorks bedeutendsten
Sehenswürdigkeiten.
Die geringe Transparenz der arabischen Staatsfonds wird allerdings dadurch
ausgeglichen, dass sich die arabischen Teilhaber, wenn sie sich einmal in
ein Unternehmen eingekauft haben, so gut wie nie in die Geschäftspolitik
einmischen. "Wenn du mich nicht viel fragst, frage ich auch nicht nach",
scheint die Maxime zu lauten. Die Fonds gelten als loyal und ihre
Investitionen als langfristig. Einmal getätigt, werden sie so gut wie nie
wieder abgezogen.
Das klassische Beispiel ist auch hier Daimler. Selbst als der Konzern 1998
mit der Vision begann, zusammen mit Chrysler eines der ganz großen
Weltunternehmen zu werden, und dieser Versuch neun Jahre später auf
erbärmliche Weise gescheitert war, meldete sich der kuwaitische Teilhaber -
bis zum Einstieg des Fonds aus Abu Dhabi mit 7,1 Prozent der größte
Einzelaktionär - nicht zu Wort. "Die kommen am Ende nur, um ihre Dividende
abzuholen", beschreibt Göpfrich dieses Phänomen.
Natürlich sind auch die gegenwärtige globale Wirtschaftskrise und das
Fallen des Ölpreises nicht spurlos an den arabischen Staatsfonds
vorübergegangen. Keiner weiß, wie viel Geld sie bisher verloren haben.
Bekanntestes Beispiel der Verluste war der Einstieg von Adia im Januar
letzten Jahres bei der Citigroup. Mit 7,5 Milliarden Dollar hatte der Fonds
4,9 Prozent des Unternehmens erworben, dessen Wert in der heutigen Krise um
80 Prozent gesunken ist.
Daneben, erklärt Göpfrich, wurden die Fonds auch zusätzlich gebeutelt, weil
ihnen plötzlich in der Krise eine neue, ungewohnte Rolle zukam. Sie mussten
zu Hause aushelfen und lokale Unternehmen und Banken retten.
Auch die Einnahmen sind durch das Sinken des Ölpreises eingebrochen. "Die
Fondsverwalter in Abu Dhabi behaupten allerdings, dass der Staatshaushalt
ab 35 Dollar pro Fass Öl Gewinne macht. Unabhängige Experten schätzen, dass
die Wasserscheide eher bei 50 Dollar liegt", erläutert Göpfrich. Ohnehin
sei dieser Wert von einem Golfstaat zum anderen unterschiedlich.
Fazit: Die Staatsfonds werden immer noch mit Geld versorgt, wenngleich mit
deutlich weniger als in jenen paradiesischen Zeiten, als das Fass Öl noch
150 Dollar kostete.
Doch die globale Wirtschaftskrise hat den arabischen Staatsfonds neben
hohen Verlusten bei ihren weltweiten Investitionen, ihrer neuen und teuren
Aufgabe, zu Hause Unternehmen retten zu müssen, und dem niedrigen Ölpreis
auch einen positiven Effekt beschert: Die Preise für Anteile an
angeschlagenen internationalen Spitzenunternehmen liegen im Keller. Noch
nie konnten die Ölscheichs günstiger auf Einkaufstour gehen.
Göpfrich rechnet das an einem einfachen Beispiel vor. "Nehmen wir einfach
einmal an, der größte Staatsfonds Abu Dhabis, Adia, hätte in der
Wirtschaftskrise die Hälfte seines Kapitals verloren - bleiben immer noch
450 Milliarden Dollar." Der Kauf von fast 10 Prozent der Anteile an dem
weltweit prestigeträchtigsten Automobilkonzern Daimler habe die Araber
gerade einmal 2 Milliarden gekostet. "Da", sagt Göpfrich, "ist noch eine
Menge Luft drin."
26 Apr 2009
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.