| # taz.de -- Karikaturen in der arabischen Welt: Eine Oase für Satire | |
| > Karikaturen aus der arabischen Welt? Gibt es - trotz allem Wirbel um | |
| > Mohammedkarikaturen un Co. In Ägypten hat jetzt das erste Museum für | |
| > satirische Zeichnungen eröffnet. | |
| Bild: Auch die arabische Welt kennt bissige Zeichnungen: Abla im Kreise seiner … | |
| Der Ort ist so einzigartig wie das, was hier stattfindet: eine ägyptische | |
| Oase, eine gute Autostunde von Kairo entfernt. Hier gründete Mohammed Abla | |
| 2006 das Fayum-Kunst-Center. "Es ist ruhig, es ist wunderschön. Eine Oase | |
| der Kreativität", kommentiert Abla die Location. Seit März ist die Oase um | |
| eine Attraktion reicher: In einem ockerfarbenen Lehmhaus befindet sich nun | |
| das erste Karikaturenmuseum der arabischen Welt - über 200 Zeichnungen von | |
| 50 Künstlern. | |
| Beim Stichwort "arabische Welt" denkt man nicht nur im Westen unwillkürlich | |
| an den Karikaturenstreit 2005 - die hitzige Debatte darüber, worüber man | |
| sich lustig machen darf und worüber nicht, ausgelöst durch | |
| Mohammedkarikaturen in einer dänischen Tageszeitung, die für viel Protest | |
| in der arabischen Welt sorgte. Die dänischen Karikaturen, glaubt Abla, | |
| waren eine gezielte Provokation, mit der Europa und die USA den neuen Feind | |
| Islam herausfordern wollten. "Das Schlimme ist, dass die Menschen hier | |
| genauso darauf reagiert haben, wie es von ihnen erwartet worden ist." Es | |
| wäre besser gewesen, das Ganze einfach zu ignorieren, meint er. | |
| Vielleicht nennt deshalb Mohammed Effat Ismail, freier Cartoonist und | |
| Präsident des Vereins von Karikaturisten in Ägypten, das Haus auch "die | |
| erste richtige Revolution seit 1952". | |
| Die bissig kommentierende Zeichnung ist kein Monopol des Westens. Seit | |
| Jahrzehnten hat der ägyptische Maler Mohammed Abla Karikaturen gesammelt. | |
| Viele hat er auch von den Karikaturisten selbst als Geschenk erhalten, als | |
| die von seiner Museumsidee erfahren haben. | |
| Gleich rechts am Eingang hängt die erste bildnerische Selbstkritik. Ein | |
| Mann ist auf einem Kaffeehausstuhl eingenickt. "Die arabische Welt", heißt | |
| es über ihm auf einem Straßenschild. An der Wand lehnen ein halbes Dutzend | |
| Neuzugänge. "Die Hirnfessel, das gefällt mir besonders gut, weil es so | |
| simpel ist", sagt Abla und zieht eine Tafel hervor, auf der ein Mensch im | |
| Röntgenquerschnitt abgebildet ist. Sein Hirn ist an eine schwere Eisenkugel | |
| gekettet. Meinungsfreiheit ist hier kein selbstverständliches Gut. | |
| "Es ist leichter als früher, aber Karikaturisten kämpfen immer noch mit | |
| roten Linien, wie dem Präsidenten und seiner Familie, dem Militär oder der | |
| Religion", erklärt Abla. Da hätten alle Künstler ihre Schere im Kopf. Aber | |
| vor allem die jüngere Generation von Karikaturisten findet immer wieder | |
| Wege, geschickt Tabus zu brechen. | |
| Um das zu untermalen, führt Abla zu einer Zeichnung des jungen Künstlers | |
| Makhlouf, der hauptsächlich für die unabhängige ägyptische Tageszeitung | |
| Al-Masri al-Youm arbeitet. Ratlos blickt dort ein Mann auf die ägyptische | |
| Flagge mit dem großen Staatsadler Senior, dem ein kleinerer | |
| Junior-Greifvogel zur Seite gestellt ist. Jeder in Ägypten weiß, hier geht | |
| es um die nun seit Jahren andauernden Gerüchte, dass der ägyptische | |
| Staatschef Husni Mubarak seinem Sohn Gamal die Macht vererben will. | |
| "Diese Zeichnung ist so intelligent und reduziert und doch versteht sie | |
| jeder in Ägypten sofort", schwärmt Abla von einem seiner, wie er sagt, | |
| "Lieblingsstücke im Museum". | |
| Andere Karikaturen erschließen sich dagegen sofort auch für nichtägyptische | |
| Besucher, wie "die Migration in den Norden". Eine Gruppe Männer mit | |
| storchähnlich langen Hälsen im Vogelzug nach Norden. Als Flügel dienen | |
| ihnen ihre leeren, nach außen gekehrten Hosentaschen. Oder - ganz aktuell - | |
| die Zeichnung von Amina, einer von vier ägyptischen Karikaturistinnen, die | |
| sich in den letzten Jahren einen Namen gezeichnet haben. Ein Mann droht auf | |
| einer abfallenden Wirtschaftskurve aufgespießt zu werden. Auf Arabisch geht | |
| es natürlich von rechts nach links in die Rezession. | |
| In einem Land, in dem die Hälfte der Bevölkerung nicht lesen und schreiben | |
| und sich die andere Hälfte kaum Bücher leisten kann, kommt der Kunst der | |
| Karikatur eine besondere Bedeutung zu", erläutert Abla. "Eine Zeichnung | |
| kann so viel ausdrücken wie eine ganze Seite Text und dabei in einem Land | |
| wie Ägypten wesentlich mehr Menschen erreichen." | |
| Auch der Nahostkonflikt ist immer wieder Thema: "Habt noch etwas Geduld, | |
| wir lösen euer Problem genauso, wie wir es mit ihm gelöst haben", sagt | |
| Uncle Sam zu dem Palästinenser und deutet auf einen Indianer hinter ihm. | |
| Oft geht es aber auch um die arabische Mangelware Demokratie, wie bei der | |
| Dusche aus dem kaligrafischen arabischen Schriftzug für Demokratie, unter | |
| dem eine Gruppe von Menschen sehnsüchtig einem einzelnen fallenden Tropfen | |
| entgegenblickt - 99,9 Prozent wird auf einer anderen Tafel das präsidiale | |
| Wahlergebnis verkündet, ebenfalls von der ägyptischen Zeichnerin Amina. Bei | |
| näherem Hinsehen zeigt sich allerdings, dass die Zahl aus lauter kleinen | |
| arabischen "Neins" besteht. | |
| Eine der Karikaturen im Museum beschäftigt sich mit dem so intensiv | |
| beschworenen Kampf der Kulturen. Eine Gruppe Männer sitzt in einem | |
| Kaffeehaus über einer Zeitung, deren Schlagzeile das neueste ägyptische | |
| Zugunglück verkündet. Einer der Leser wendet sich an die anderen | |
| Kaffeehausgäste mit dem Satz: | |
| "Im Westen beschäftigt man sich mit dem Zusammenstoß der Kulturen, während | |
| wir uns hier mit dem Zusammenstoß unserer Züge plagen." | |
| 28 Apr 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Karim El Gawhary | |
| ## TAGS | |
| Satire | |
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