# taz.de -- Irritierender Laptopsound von Snd: Im Fluss der Reduktion | |
> Spartanische Beats, Radikale Reduktion, Minimalismus in Reinform: Snd hat | |
> es sich zum Ziel gesetzt, das Publikum zu enttäuschen - und wird dennoch | |
> nicht langweilig. | |
Bild: Die beiden Musiker von Snd versprechen "Studien zu Langeweile, Bewusstsei… | |
Der Name Snd klingt spartanisch die Musik ist es auch: Zwei Typen an ihren | |
Laptops, ein paar trockene Beats, eine Handvoll digitaler Töne, die sich | |
ewig wiederholen, ohne wirklich gleich zu bleiben. So weit, so | |
unspektakulär. | |
Wenn die beiden Briten Mark Fell und Mat Steel jemals ernsthaft vorgehabt | |
haben sollten, mit ihrer Musik zu langweilen oder zu nerven, sind sie damit | |
bisher gescheitert. Auf ihrem aktuellen vierten Album, "Atavism", machen | |
Snd keine Ausnahme, denn die Klänge sind stringent wie nie zuvor. | |
Die beiden Musiker aus Sheffield sind exzessive Formalisten. Benannt haben | |
sie sich nach einem digitalen Audioformat für Apple-Rechner, dessen Kürzel | |
für "sound" steht. Um Reduktion geht es auch in ihrer Musik. | |
Snd gründeten sich 1998, produzierten eine Maxi für ihr eigenes Label und | |
wurden bald darauf von Mille Plateaux übernommen, wo sie drei Alben | |
veröffentlichten, bis das Label pleiteging. In der öffentlichen Wahrnehmung | |
verkamen Laptops seither zu dem, was in den synthesizerbegeisterten | |
Achtzigern mal Gitarren waren. Fell und Steel ließen sich davon nicht | |
beirren. Ihre Musik auf "Atavism" klingt unverändert radikal reduziert. | |
In ihren Stücken werden kleine Rhythmuspartikel aus Drumcomputer- und | |
Synthesizerklängen so lange aneinandergerieben, bis sie nachgeben und aus | |
den simpel scheinenden Elementen komplexe Figuren in permanenter | |
Veränderung entstehen. Sie erzeugen dabei keine klingenden Mobiles, sondern | |
wahrnehmungsverändernde Verschiebungsprozesse, die an den Rigorismus von | |
Minimalisten wie Terry Riley oder Steve Reich erinnern und in ihrer | |
Beharrlichkeit ihresgleichen suchen. Snd sind Stoiker der Wiederholung, die | |
ihre paar Klänge vor allem im Konzert in aller Gemütsruhe stauchen und | |
strecken. | |
Das ist auch schön anzusehen, denn Fell und Steel sind ausgebildet in | |
visueller Kommunikation. Ihre Computergrafiken folgen einem ähnlich | |
strengen Formwillen, bei dem allein der Weg ans Ziel führt. Besonders gut | |
zu sehen ist dies auf der Solo-DVD von Mark Fell. "Attack on Silence" | |
präsentiert Farb- und Sinustonspektren in permanenter Fließbewegung und | |
ohne benennbaren Inhalt. Fell geht es auch hier weniger um Konzepte als um | |
formale Aspekte. Deutlich wird das vor allem im mittleren Teil, in dem ein | |
Raster aus acht mal acht Quadraten zu wechselnden Klangflächen immer neu | |
eingefärbt wird oder einzelne Quadrate im Rhythmus mit Sinustönen | |
aufleuchten. Wer sich nicht mit der bloßen Gegenwart dieser Bilder und | |
Klänge zufriedengeben möchte und fragt, was das soll, findet die Antwort | |
womöglich auf Fells Homepage. Dort werden Besucher mit der Ankündigung von | |
"Studien zu Langeweile, Bewusstseinskontrolle und transzendentaler | |
Meditation" begrüßt. | |
Dahinter steckt eine gute Portion britischer Humor. Ähnlich Fells | |
Behauptung, beim Musikmachen wolle Snd vor allem das Publikum enttäuschen. | |
Es irritiere ihn, wenn seine Zuhörer anfingen, mit dem Kopf zu nicken. Auch | |
beim Hören von "Atavism" besteht diese Gefahr, denn einige der spröden | |
Tracks ohne Titel sind tiefkonzentrierter Digitalfunk, dem man sich kaum | |
verweigern kann. Nur zum Ende hin wird das Album dann doch mal anstrengend, | |
wenn das metallische Hämmern und die abgehackten Digitalfetzen anfangen, | |
dem eigenen Herz-Kreislauf-System zuzusetzen. Für Fell und Steel freilich | |
ein Erfolg, gelingt die beabsichtigte Irritation schließlich doch - und das | |
auf der elementarsten körperlichen Ebene. | |
7 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
Tim Caspar Boehme | |
## TAGS | |
Elektronik | |
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