# taz.de -- Bei Abu-Ghraib hört Transparenz auf: Obama will Folter-Fotos gehei… | |
> Der US-Präsident will weitere Folterfotos aus Abu Ghraib nun doch nicht | |
> veröffentlichen lassen. Menschenrechtler und Liberale werfen ihm Abkehr | |
> vom Transparenzversprechen und "Bushismus" vor. | |
Bild: Rechtfertigt die Sorge um das Ansehen von US-Soldaten in Irak und Afghani… | |
WASHINGTON taz | US-Präsident Barack Obama hat es sich anders überlegt: Er | |
will die Veröffentlichung von 44 Folterfotos aus dem Abu-Ghraib-Gefängnis | |
in Bagdad nun doch juristisch anfechten. Die Bürgerrechtsunion "American | |
Civil Liberties Union" (ACLU) hatte im April die Herausgabe der Fotos vor | |
Gericht erstritten. "Die Parteien sind übereingekommen, dass die Fotos am | |
28. Mai vom Verteidigungsministerium vorgelegt werden", schrieb der | |
Staatsanwalt am 23. April an das Gericht. | |
Nun sind Obama Bedenken gekommen. Kurz vor seiner Abreise nach Arizona | |
sagte er am Mittwoch Abend: "Die Veröffentlichung der Fotos würde uns nicht | |
helfen zu verstehen, was eine kleine Zahl von Individuen in der | |
Vergangenheit getan hat." Im Gegenteil würden die Fotos die | |
"anti-amerikanische Stimmung weiter anheizen und unsere Truppen in große | |
Gefahr bringen". Jeder dieser Zwischenfälle auf den Fotos sei untersucht | |
worden, und einige Personen seien verurteilt worden, fügte er hinzu. Man | |
verheimliche oder rechtfertige keineswegs das Fehlverhalten, auch wenn die | |
Fotos nicht veröffentlicht werden. | |
Obamas Pressesprecher Robert Gibbs sagte, dass der Präsident sich vorige | |
Woche mit seinen Rechtsberatern getroffen und seine Besorgnis geäußert | |
habe, die Fotos könnten den US-Soldaten im Irak und in Afghanistan schaden. | |
Dieser Meinung war auch die Armeeführung, sie riet ihm am Dienstag von der | |
Veröffentlichung ab. | |
Verteidigungsminister Robert Gates, der die Fotos ursprünglich publik | |
machen wollte, sagte, die Einwände seiner Generäle haben ihn überzeugt. | |
"Sowohl General McKiernan, als auch General Odierno haben ihre große | |
Besorgnis ausgedrückt, dass die Veröffentlichung der Fotos das Leben | |
unserer Soldaten kosten könne." | |
Die Senatoren Joseph Lieberman von den Demokraten und Lindsay Graham von | |
den Republikaners schrieben vorige Woche in einem gemeinsamen Brief an | |
Obama: "Die Veröffentlichung dieser Fotos, die vergangenes Verhalten | |
zeigen, das heute verboten ist, kann nicht im öffentlichen Interesse sein, | |
sondern hilft der Propaganda von al-Qaida. Es schadet unserem Image und | |
bringt unsere Männer und Frauen in Uniform in Gefahr." | |
Im April 2004 waren bereits von Wärtern aufgenommene Bilder von | |
misshandelten und sexuell gedemütigten Häftlingen aus Abu Ghraib | |
veröffentlicht worden. [1][Die Fotos von nackten Gefangenen], die zu einer | |
Pyramide aufgetürmt oder wie Hunde an der Leine geführt wurden, lösten | |
weltweit Empörung aus. Mehrere Soldaten wurden zu Gefängnisstrafen | |
verurteilt. Die neuen Fotos sollen nach Angaben eines Pentagon-Angestellten | |
nicht so schlimm sein. | |
Im Jahr 2006 übergab die US-Armee das Gefängnis, das schon unter Saddam | |
Hussein ein Zentrum für Folter war, an die irakische Regierung. Es wurde | |
renoviert und im Februar als "Zentralgefängnis Bagdad" neu eröffnet. | |
Obamas Entscheidung, die Fotos geheim zu halten, wird von der | |
Bürgerrechtunion kritisiert. "Wir hatten erwartet, dass die Regierung Wort | |
halten würde", sagte Amrit Singh von der ACLU. "Es ist wichtig, dass die | |
Fotos veröffentlicht werden, damit sich die Öffentlichkeit ein Bild vom | |
Ausmaß der Folter an den Gefangenen machen kann." | |
ACLU-Geschäftsführer Anthony Romero sagte: "Die Taktik der Obama-Regierung | |
widerspricht dem angeblichen Wunsch des Präsidenten, die Rechtsordnung und | |
unseren Ruf in der Welt wieder herzustellen und eine transparente Regierung | |
zu führen. Diese Entscheidung ist besonders erschütternd angesichts des | |
Versagens, eine strafrechtliche Untersuchung der Folter unter der | |
Bush-Regierung einzuleiten." | |
In Amerika komme jedes Dokument früher oder später ans Licht, sagte er: | |
"Und wenn diese Fotos schließlich veröffentlicht werden, wird sich die Wut | |
nicht nur gegen die Bush-Regierung richten, sondern auch gegen Obamas | |
Komplizenschaft in der Vertuschung." | |
Mit den unabhängigen Liberalen hat es sich Obama ebenfalls verdorben. "Seit | |
seiner Amtseinführung hat Barack Obama ein bemerkenswertes Bestreben an den | |
Tag gelegt, Bushs Verbrechen im Allgemeinen und Bushs Folterregime im | |
Besonderen zu vertuschen", schreibt Jane Hamsher in ihrem Blog. "Einigen | |
seiner Anhänger ist das egal. | |
Aber andere finden, dass er seine Versprechungen von Transparenz verraten | |
hat, die er im Wahlkampf gemacht hat. Der Verdacht wächst, dass er sich zum | |
Komplizen von Verbrechen macht, die er vor der Öffentlichkeit verbergen | |
will." | |
Ein anderer Blogger schreibt: "Die Obama-Regierung fällt in den Bushismus | |
zurück." Und Joan McCarter beschreibt in ihrem linken Politblog "Daily Kos" | |
Obamas Eingreifen als "unwillkommenes und wahrscheinlich nutzloses | |
Wendemanöver". Innerhalb von zwei Stunden gingen 500 Kommentare zu ihrem | |
Blog ein, die meisten zustimmend. | |
Dick Cheney hingegen dürfte mit Obamas Entscheidung zufrieden sein. Der | |
ehemalige Vizepräsident der Bush-Regierung führt seit Obamas Wahlsieg eine | |
erstaunlich aggressive Kampagne gegen den neuen Präsidenten. Er reist als | |
Redner im Land herum und verkündet, dass Obamas Ablehnung von | |
Verhörmethoden wie "Waterboarding", der simulierten Ertränkung eines | |
Gefangenen, die USA unsicherer machen würde. | |
Während Bush seinen Ruhestand genießt und ständig betont, dass Obama sein | |
Schweigen verdiene, beschuldigt Cheney die US-Regierung, Helfershelfer von | |
al-Qaida zu sein. Der Grund: Er befürchtet, für die Foltermethoden zur | |
Rechenschaft gezogen zu werden. Dabei hat Obama bereits versprochen, | |
niemanden der Bush-Berater strafrechtlich zu verfolgen, die die Folter von | |
Terrorverdächtigen gebilligt haben. | |
14 May 2009 | |
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## AUTOREN | |
R. Sotschek | |
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Irak | |
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