# taz.de -- Unruhiger Agrardsektor: Bauernkrieg im Regierungsviertel | |
> In Berlin demonstrieren Bäuerinnen und Bauern - auf unterschiedliche Art | |
> und Weise. Die einen wollen höhere Milchpreise, die anderen billiger | |
> Traktor fahren. | |
Bild: Da legt's Dich nieder: MilchbäuerInnenprotest vor dem Kanzleramt. | |
Donnerstag acht Uhr morgens in Berlin zwischen Reichstag und Kanzleramt, | |
also der politischen Machtzentrale. Nicht weit voneinander entfernt zwei | |
Demonstrationen, die zeigen, wie sehr die Bauern mit der Politik kämpfen - | |
und mit sich. | |
Ort 1: Vor dem Reichstag sammeln sich gut 20 Leute, fast alle Männer, | |
Bauern. Sie fordern, dass Traktorfahren billiger und die Steuer auf Diesel | |
für sie gesenkt wird. Sie halten Plakate hoch: "Agrardiesel - Nachteil muss | |
weg! Jetzt!" Diese Minidemo hat der Deutsche Bauernverband initiiert. Alle | |
paar Minuten kommt jemand aus der Politik - von CDU und FDP aber auch von | |
Grünen und Linken - dazu. Das ist so abgesprochen, professionell | |
organisiert. | |
Ort 2: Neben dem Kanzleramt campen seit Montag rund 250 Bäuerinnen, sechs | |
von ihnen sind im Hungerstreik. Zum Zähneputzen gehen sie in ein nahe | |
gelegenes Bistro. Das hat auch schon ein Stromaggregat, Stühle und Tische | |
geborgt. Die Bäuerinnen improvisieren - und singen nach dem Kinderlied | |
Bruder Jakob "Schwester Angie schläfst du noch? Hörst du nicht die Bauern? | |
Milchpreis hoch!" Hinter der Aktion steckt die Opposition zum Deutschen | |
Bauernverband, der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. | |
Die Demonstrantinnen hier halten von den Demonstranten dort nichts - und | |
umgekehrt. Eine Absenkung der Spritsteuer zu fordern - das sei "lapidar", | |
finden die Bäuerinnen. Das nutze vor allem kleineren Betrieben kaum. | |
Milchbauern fühlen sich seit langem vom Deutschen Bauernverband alleine | |
gelassen, der seine Mitglieder vor allem dazu animiert hat, auf Größe und | |
Menge zu setzen. So sind die Preise gefallen. Die Bäuerinnen fordern einen | |
Milchkrisengipfel mit Kanzlerin Angela Merkel. | |
"Jeder Baustein zählt", meint indes einer der Agrardieselkämpfer und rümpft | |
die Nase über den Hungerstreik. Der Steuersatz für deutsche Landwirte auf | |
Diesel könne im schlimmsten Fall bei 40 Cent pro Liter liegen. Er müsse | |
runter, zumal der französische Kollege nur 0,6 Cent zahle. Er sagt nicht, | |
dass in anderen Ländern zum Beispiel Düngemittel stärker besteuert werden | |
als hier. | |
Peter Ramsauer von der CSU und Hermann-Otto Solms von der FDP versprachen, | |
spätestens nach der Wahl die Steuer für Agrardiesel zu senken. Die SPD will | |
davon derzeit nichts wissen. Auch die Grüne Ulrike Höfken hält nichts von | |
Steuergeschenken für "ökologisch schädliche Kraftstoffe". Es gehe darum, | |
die Produktion zu regulieren. Das sehen die Milchbäuerinnen genauso. Sie | |
bekommen derzeit gerade mal 24 Cent pro Liter Milch - und wollen das | |
Angebot knapp halten, damit der Preis wieder steigt. Merkel soll sich darum | |
für eine Mengenbegrenzung in der Europäischen Union einsetzen. Aber die | |
Kanzlerin wollte am Donnerstag nicht mit ihnen reden. Ein | |
Regierungssprecher: "Ein Gespräch ist gegenwärtig nicht absehbar." Ort 1: | |
Die Dieselkämpfer sind abgereist. Ort 2: Die Milchbäuerinnen campen weiter. | |
14 May 2009 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
Hanna Gersmann | |
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Bauernverband | |
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weiter kämpfen. |