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# taz.de -- Agrarpolitik in Burkina Faso: Afrikas giftgrüne Revolution
> Burkina Faso, eines der ärmsten Länder der Welt, krempelt seine
> Landwirtschaft um. Es setzt auf Biodiesel und Gentechnik.
Bild: Gentechnisch veränderte Pflanzen sollen künftig noch mehr Baumwollertr�…
OUAGADOUGOU taz | Zeichnungen von Löwen und Büffel schmücken die
Palastmauern, der traditionelle Führer empfängt im weiß-blauen Festgewand.
Der seit 19 Jahren amtierende "Kriegsminister" des traditionellen Königs
des Mossi-Volkes in Burkina Faso, dessen Titel in lokaler Sprache "Larle
Naba" lautet, ist ein Abkömmling jenes afrikanischen Kriegers, dessen
Reiterstatue noch heute vor den Jatrophabäumen am Eingang steht. Mit
bürgerlichem Namen Victor Tiendrébéogo, sieht sich der Larle Naba als
Vorreiter der Moderne: Er sitzt für Burkinas Regierungspartei im Parlament,
und er ist Geschäftsmann. Sein Traum: eine Agrarrevolution in einem der
ärmsten Länder der Welt. Schon 62.000 Bauern würden mit ihm
zusammenarbeiten, behauptet er, und 350 Dörfer hätten sich seiner
"Nationalen Union zur Förderung des Jatrophaanbaus" angeschlossen.
Der eigentlich aus Zentralamerika stammende Jatrophabaum gilt als die
Zukunftshoffnung der afrikanischen Agrarindustrie: Aus seinem Öl kann man
unter anderem Flugbenzin herstellen. Nun prescht Burkina Faso beim
großflächigen Anbau dieses Biokraftstoffes vor - mit dem Larle Naba an der
Spitze. 67.000 Hektar Land sind in Burkina dieses Jahr mit Jatropha
bepflanzt worden. Damit überholt Burkina seinen großen Nachbarn Mali, wo
Jatropha-Öl immerhin in 700 Gemeinden Stromgeneratoren antreibt.
Angestoßen wurde die Begeisterung des "Kriegsministers" für Jatropha in
Deutschland. Ende 2007 hatte Tiendrébéogo die Manager der Berliner Firma
Deutscher Biodiesel getroffen, die ihn überzeugen konnten, dass sein Land
für den Jatropha-Anbau ideal sei. Burkinas Bauern sind davon allerdings
keineswegs überzeugt. Jatropha wurde in der französischen Kolonialzeit
eingeführt - und wegen seiner Giftigkeit in Hecken angepflanzt, um Felder
vor wilden Tieren zu schützen. Bis heute wird Jatropha in Burkina Faso
deswegen mit Gift assoziiert. Es jetzt in großen Mengen anzubauen, statt
mehr Nahrungsmittel oder auch das größte Exportprodukt Baumwolle zu
pflanzen, ist umstritten. "Man muss sich diese deutschen Industriellen
genau anschauen", sagt Jean-Didier Zongo, Genetikprofessor an der
Universität der Hauptstadt Ouagadougou. "Ich fürchte, dass wir uns in ein
Abenteuer stürzen, ohne vorher die Auswirkungen eines großflächigen Anbaus
auf Mensch und Umwelt zu kennen."
Dazu sagt der Larle Naba, er sei selber Bauer und kenne sich aus. Anders
als in Indien, wo es bereits Jatropha-Monokulturen gibt, will er
Jatrophabüsche zusammen mit Lebensmitteln anpflanzen, als Mischkultur. Da
Jatropha sehr dürreresistent sei, könnten die Bauern auf diese Weise
Trockenperioden überstehen. Außerdem könne man Saatgut und Seife daraus
herstellen. Der Larle Naba wird von den anderen traditionellen Königen des
Landes unterstützt, und er zeigt stolz einen Brief des Staatspräsidenten
Blaise Comapaoré vom September 2008, in dem dieser ihn ermutigt.
Der erste Agrosprit aus Jatropha soll in Burkina Faso schon dieses Jahr
fließen. Eine 50.000 Euro teure Pilotanlage, die 30 Tonnen Jatropha pro Tag
verarbeiten kann, ist im Bau. Sie gehört der Firma Belwet Biocarburant, die
selbstverständlich dem Larle Naba gehört. 2011 soll eine größere Anlage
dazukommen, für zwei Millionen Euro. Das Ziel: bis 2020 50.000 Tonnen Öl
jährlich auf 200.000 Hektar. Weitere 100.000 Hektar Anbaufläche könnten als
Vegetationsgürtel im Norden des Landes im Kampf gegen die Wüstenausbreitung
dazukommen. Eine von der deutschen Entwicklungshilfe finanzierte Studie
empfiehlt Burkina Faso, 30 Prozent seines Treibstoffbedarfs durch Agrosprit
zu decken.
Jatropha ist nicht die einzige Innovation, mit der Burkina Faso seine
Landwirtschaft umkrempeln will. Als einziges Land Afrikas südlich der
Sahara außer Südafrika investiert Burkina Faso massiv in genveränderte
Baumwolle. Mit 500.000 Tonnen Ernteertrag in der letzten Saison ist Burkina
ohnehin der größte Baumwollproduzent Westafrikas; dieses Jahr sollen
450.000 Hektar Baumwollfelder mit genveränderten Varianten bepflanzt werden
- mehr als 60 Prozent der Gesamtfläche. 2008 waren es nur 15.000 Hektar.
Genutzt werden die Varianten Bollgard I und Bollgard II des US-Unternehmens
Monsanto sowie die Sorte VIP (Vegetative Insecticidal Protein) der
Schweizer Firma Syngenta. Diese Baumwollarten haben Gene eingesetzt
bekommen, die die Baumwolle für Heuschrecken giftig machen - ein großer
Schutz in einem Land, das regelmäßig von Heuschreckenplagen heimgesucht
wird.
Aus Sicht der Baumwollindustrie Burkina Fasos, schwer in Bedrängnis geraten
durch US-Subventionen, die afrikanische Baumwolle vom Weltmarkt drängen,
gibt es dazu keine Alternative. Die Weltmarktpreise seien im letzten
Jahrzehnt um 25 bis 30 Prozent gesunken, der Schädlingsbefall nehme zu und
man habe die Wahl zwischen Gentechnologie oder immer teureren Pestiziden,
sagt Célestin Tiendrébégo, Leiter der Sofitex, eines der drei
Privatunternehmen, die den Baumwollsektor beherrschen. Nach einer Studie
des burkinischen Agrarforschungsinstituts Inera sind die Ernten pro Hektar
mit Genbaumwolle um 4 bis 48 Prozent höher als mit traditioneller
Baumwolle. Die Sofitex spricht von 30 Prozent: 1,5 Tonnen pro Hektar statt
wie bisher 1,2 Tonnen. Man müsse außerdem die Pflanzungen nur noch zweimal
pro Erntezyklus mit Pestiziden spritzen statt wie bisher sechsmal, was den
Bauern Geld spart und ihre Gesundheit schützt.
Die Genbaumwolle ist in Burkina Faso noch umstrittener als Jatropha. In
Houndé, 250 Kilometer südwestlich der Hauptstadt, gehört der Bauer Kambi
Gnado zu den harten Gen-Ablehnern. Seine Gewerkschaft Syntap (Nationale
Gewerkschaft der Agrararbeiter) habe ihm gesagt, das sei schädlich für die
Natur. Er will lieber Hirse anbauen. In Houndé demonstrierten schon 2005
über 1.000 Bauern gegen die Genbaumwolle.
Aber als Bauer die Gentechnik abzulehnen, ist nicht so einfach, denn
Sofitex und die beiden anderen Baumwollunternehmen Fasocoton und Socoma
haben das Monopol auf die Vergabe von Saatgut und Pestiziden. Dao Bassiaka,
Generalsekretär des größten burkinischen Bauernbunds CFB, sagt resigniert:
"Der Staat hat die neue Baumwolle eingeführt, und niemand steht über dem
Staat." Selbst er hat Probleme mit Monsanto. Wie überall auf der Welt
zwingt das multinationale Unternehmen die Bauern dazu, per Vertrag
Monsantos Patentrechte anzuerkennen. Bassiaka findet, die Bauern selbst
sollten die Technologie besitzen. Weil das genveränderte Saatgut Monsantos
Eigentum bleibt, darf man es nicht weitergeben - in der afrikanischen
Landwirtschaft ist Saatgut aber Teil des dörflichen Naturalientausches.
Monsanto beansprucht Eigentumsrechte sogar an Pflanzungen, die ohne Wissen
des Bauern mit der genveränderten Variante verseucht worden sind. In Kanada
wurde ein Bauer deswegen zu 200.000 Dollar Geldstrafe verurteilt.
Jean-Didier Zongo ist der profilierteste Gegner der Gentechnik in Burkina
Faso. Der Genetiker von der Universität Ouagadougo hat die "Koalition der
Wachsamkeit gegen genveränderte Organismen in Burkina Faso" gegründet, um -
vergeblich - ein Moratorium für die neue Technologie zu fordern, bis deren
Auswirkungen auf andere Pflanzen und die menschliche Gesundheit erforscht
sind. In Westafrika ist Baumwolle nicht nur Teil der Textilindustrie,
sondern auch Teil der Nahrungskette: Das Öl wird genutzt, die Schalen
werden zu Viehfutter verarbeitet. "Genveränderte Pollen können andere
Pflanzen befruchten und sich in der Natur ausbreiten", warnt Zongo.
Experten bezweifeln, dass die Gentechnik den Pestizideinsatz verringert.
Die Heuschrecken könnten Resistenzen entwickeln - in Indien, wo Monsantos
Baumwolle bereits angebaut wird, ist der Schädlingsbefall auf den
Monsanto-Pflanzungen sogar höher als früher. Im indischen Bundesstaat
Andhra Pradesh soll die Baumwollernte pro Hektar nicht gestiegen, sondern
um 35 Prozent gesunken sein.
Der Streit ist weitreichend. Sofitex-Chef Tiendrébégio weist darauf hin,
dass laut einem Vertrag mit Monsanto der burkinische Staat Koeigentümer der
genveränderten Baumwollarten ist. 72 Prozent der Patentgebühren würden
dadurch an die Bauern zurückfließen. Er fragt sich außerdem, ob die
Gengegner nicht von Pestizidherstellern finanziert werden. "Wer so etwas
sagt, ist von Monsanto finanziert", erwidert Zongo.
Burkina Faso ist nun Testfall für ein globales Experiment. Andere
westafrikanische Länder beobachten es genau, denn Baumwolle gilt
international als "trojanisches Pferd" der Verbreitung von Gentechnik in
anderen Bereichen der Landwirtschaft.
27 May 2009
## AUTOREN
François Misser
## TAGS
Landwirtschaft
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