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# taz.de -- Bustour durch 30 deutsche Städte: Atheismus on the road
> Weil Verkehrsbetriebe keine atheistische Werbung auf ihren Bussen wollen,
> schicken Aktivisten einen Doppeldecker durch deutsche Städte. Bei einer
> Testfahrt gab es erste Empörung.
Bild: Gottlos glücklich auf Deutschlandtour.
BERLIN taz | Herrscht in Deutschland Religionsfreiheit? Für die Vertreter
der atheistischen Buskampagne kann davon keine Rede sein. "Zur
Religionsfreiheit gehört es auch, nicht zu glauben", sagt Carsten Frerk.
Doch dafür in Deutschland öffentlich einzutreten, ist schwer. Vergeblich
hatte Frerk mit einer Gruppe gottloser Gesinnungsgenossen versucht, auf
Bussen städtischer Verkehrsbetriebe mit Slogans wie "Ein erfülltes Leben
braucht keinen Gott" für eine atheistische und aufgeklärte Weltanschauung
zu werben.
Doch aus allen angefragten Städten, siebzehn insgesamt, hagelte es Absagen.
"Gottverachtende Werbung" sei ausgeschlossen, hieß es aus Dortmund, man sei
zu Neutralität verpflichtet aus Hamburg.
In Essen, der einzigen Stadt, aus der zeitweilig eine Zusage vorlag, machte
man im letzten Moment einen Rückzieher. Es habe "massiven Protest einzelner
Fahrgäste" gegeben.
Während die Verkehrsbetriebe keine Probleme haben, christliche Bibelzitate
durch die Gegend zu kutschieren oder für den Kirchentag zu werben, tut man
sich mit der Gottlosigkeit schwer.
Für Frerk und seine Mitstreiter nicht nur ein Grund, eine Musterklage
anzustrengen - "zum ersten Mal werden nicht-religiöse Leute auf
Diskriminierung klagen" -, sondern selbst einen Bus auf Tour zu schicken:
weil die an das englische Vorbild "Atheist Bus Campaign" angelehnte
Initiative innerhalb kürzester Zeit eine Menge Spendengelder eintreiben
konnte, hat man einen roten Doppeldecker gemietet.
Der startet am Samstag in Berlin und [1][fährt mehr als dreißig Städte an].
"Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) keinen Gott" und
"Aufklärung heißt, Verantwortung zu übernehmen" prangt in riesigen
Buchstaben auf dem Gefährt.
In jeder Stadt werde man zu säkularen Stadtrundfahrten und Diskussionen
einladen und sicher auch mal John Lennons "Imagine there's no heaven"
spielen, erklärt Frerk. Am 18. Juni, zur Rückkehr des Atheisten-Busses nach
Berlin, gibt es dann eine große Abschiedsparty - "mit einem Solo für den
Teufel", bemerkt Frerk augenzwinkernd, der Atheismus sei schließlich eine
heitere Angelegenheit.
Ob Gläubige das Ganze auch so humorvoll nehmen? Es gebe ganz
unterschiedliche Reaktionen, erzählt Ralph Müller von der Hagen, der den
Atheisten-Bus auf einigen Kilometern seines gottlosen Roadtrips begleiten
wird. Richtige Hassmails gebe es und höllische Vernichtungsphantasien.
Doch aus den Kirchen kämen auch Stimmen, die der Bus-Aktion etwas
abgewinnen könnten, schließlich seien Diskussionen besser als Gott und den
Glauben überhaupt nicht zu thematisieren. Das Touristenpaar aus Bayern, das
den Bus bei einer Probefahrt vor dem Brandenburger Tor erspäht hat, kann
der Sache nicht ganz so viel abgewinnen.
"Ich bin gläubig und mich provoziert die Busaufschrift", erzählt die Frau.
Ihr Begleiter nimmt das Ganze lockerer, jeder solle doch seine Meinung
sagen dürfen. Ihnen gehe es nicht darum, die religiösen Gefühle anderer
Menschen zu verletzten, betonen die Atheismus-Aktivisten.
Man wolle Sympathien für den Atheismus wecken und Atheisten darin
bestärken, sich in Debatten einzumischen. "Wir brechen ein Tabu, denn über
die Funktionen und den Einfluss der Kirche wird in unserem Land zu wenig
gesprochen", beschreibt Müller von der Hagen seine Motivation für die
Bustour.
Sein Mitstreiter Peter Ibelher präzisiert: "Für mich hat der Vormarsch der
Evangelikalen, erst in den USA, jetzt auch hier, den letzten Antrieb
gegeben, mitzumachen. Ich sage: Leute, mischt euch ein, überlasst nicht den
Religiösen die Debatte." Das Ausmaß der Ablehnung ihrer atheistischen
Weltanschauung hat alle gottlosen Busfahrer überrascht.
In kaum einem der zehn anderen Länder, in denen das Beispiel der "Atheist
Bus Campaign" mittlerweile Schule gemacht hat, gab es Probleme mit
Atheistenwerbung auf Bussen öffentlicher Verkehrsbetriebe. Dabei sei in
Deutschland über ein Drittel der Bevölkerung konfessionslos und nur rund 20
Prozent der offiziellen Kirchenmitglieder besuchten regelmäßig eine
Gemeinde.
Die Vertreter der Religionen nutzten ihre Medienpräsenz also zur
Aufrechterhaltung eines ungerechtfertigen Wertemonopols, heißt es in einer
Erklärung der Buskampagne. In Berlin haben die Verkehrsbetriebe derweil
umgedacht: in Zukunft wolle man auf Bussen überhaupt keine religiöse oder
weltanschauliche Werbung mehr zulassen. "Wir werden sehen", sagt Frerk.
Bei seiner Beschäftigung mit dem Thema sei schließlich am auffälligsten,
dass sich viele Verkehrsbetriebe über die religiöse Werbung auf ihren
Bussen gar nicht bewusst seien. Zumindest in Berlin scheint es zudem zu
viele Busse und zu viel Werbung überhaupt zu geben. Auf seiner Vorabtour
durch die Hauptstadt nahm kaum einer der Passanten die religionskritische
Botschaft des Atheistenmobils wahr.
29 May 2009
## LINKS
[1] http://www.buskampagne.de/
## AUTOREN
Eva Völpel
## TAGS
Religion
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