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# taz.de -- Atheistenbus auf Deutschlandtour: Die Linie der Gottlosen
> Sieben Menschen mieten einen Bus. Sie wollen öffentlich dafür einstehen,
> nicht an Gott zu glauben. Auf ihrer Deutschlandtour werden sie von
> Christen verfolgt.
Bild: Provoziert derzeit einmal quer durch die Republik: der Atheistenbus.
Die Wege des Herrn sind unergründlich. Warum er ihnen an diesem Samstag
ausgerechnet die Tamilen geschickt hat, wird sich Andreas Bartels
vielleicht noch offenbaren. Fürs Erste ist ihm nur klar, was es praktisch
bedeutet: Der Bus mit ihrer Gottesbotschaft kommt nicht durch, er hängt am
Rand der Demo fest. Bartels, 46 Jahre alt, 35 davon bewusst als Christ,
schaut auf sein Handy.
Hinter ihm, am Berliner Fernsehturm, trommeln die Tamilen und schwenken
rote Fahnen. Vor ihm wartet der Bus der Atheisten, ein riesiger Schriftzug
auf der Seite: "Es gibt (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit)
keinen Gott." Bartels will ein sanfter, ein freundlicher Christ sein. "Wir
finden das ne tolle Kampagne", sagt er und meint die Ungläubigen. In seinen
schwarzen Klettverschluss-Sandalen geht er ein paar Schritte auf den
Doppeldecker mit der blasphemischen Botschaft zu. Bis er auf Carsten Frerk
trifft.
Frerk, 63 Jahre alt, davon 50 bewusst ohne Religion, hat die atheistische
Buskampagne mit sechs Mitstreitern initiiert. Sie wollten ihre Botschaft
auf deutsche Nahverkehrsbusse drucken lassen: Es gibt keinen Gott. In
London hatte das funktioniert und in etlichen anderen europäischen Ländern
auch, sogar in den USA. Nur in Deutschland weigerten sich sämtliche
Verkehrsbetriebe, den Slogan durch die Städte zu fahren.
Bibelzitate, Brüste, Bordelle, alles vertretbar. Aber Atheismus? Die
Organisatoren wunderten sich über die Absagen, mitten im 21. Jahrhundert,
wo die Massen doch eher Madonna zu verehren scheinen oder Mobiltelefone von
Apple. Wo etwa ein Drittel der Deutschen keiner Kirche angehört. Sie
sammelten im Internet Geld, fast 45.000 Euro, und planten eine Bustour als
Protest - eine atheistische Deutschland-Rundreise.
Als Andreas Bartels und seine Glaubensgenossen davon hörten, berieten sie
darüber, was Gott wohl davon halten würde, wenn sie einen Bus mit einer
Gegenbotschaft hinterherschickten. Sie waren sich bald einig, dass er das
bestimmt gut fände. Bartels arbeitet bei Campus für Christus, einem
evangelikalen Missionswerk, das um Studenten wirbt. Sie beschrifteten einen
Mercedes-Bus mit einer Antwort: "Und wenn es ihn doch gibt …", dazu eine
Internetadresse: [1][gottkennen.de].
So kommt es, dass sich Bartels und Frerk an diesem Samstag vor dem
Atheistenbus gegenüberstehen, beide grauhaarig und in Jacketts. Die Tamilen
trommeln. Bartels lächelt freundlich. Frerk ärgert sich. Den Christenbus
betrachte er als feindliche Übernahme. Er ruft es Bartels ins Gesicht.
Frerk ist promovierter Politologe und Humanist, er war
Groschenromanschreiber, Busfahrer, Drucker und hat jahrelang recherchiert,
wie die Krake Kirche ihre Arme um die Gesellschaft windet, genährt von
staatlichen Geldern. Er hat mehrere Bücher über Caritas, Diakonie und die
Finanzen der Kirchen verfasst. Er hat sich von Gott losgeschrieben. Und
jetzt verfolgt der ihn in Gestalt von Andreas Bartels und seinen Leuten von
Campus für Christus. Quer durch Deutschland.
Es ist ein Roadtrip, der auch etwas darüber erzählt, wie sich die Deutschen
in diesen Tagen zu Gott verhalten. Vielleicht geht es den meisten wie den
Berlinern, die den Bus sehen: Sie lächeln kurz oder gähnen, bis die nächste
Werbung vorbeifährt. Gott ist für sie ein bisschen wie Elvis Presley. Er
war einmal wichtig. Jeder hat von ihm gehört. Manche glauben, es gibt ihn
noch. Wenige glauben ganz fest daran. Es gibt ihrem Leben einen Sinn, ein
paar Zeilen zum Daranfesthalten, eine schöne Grundmelodie. Diese Leute
fühlen sich provoziert, wenn man ihnen sagt, dass das alles Quatsch ist,
alte Scheißmusik.
So ähnlich ist das mit dem Atheistenbus. Manchmal kommen Rentner, wie in
Rostock, heben die Krücken und rufen, dass sie sich von so was nicht
verunsichern lassen. Am häufigsten aber stehen da Menschen, die sagen, dass
sie Gott erlebt, gespürt haben. Evangelikale, Christen aus den Freikirchen,
Katholiken, denen in ihren Gemeinden das Charisma fehlt. Für sie ist Gott
vor allem ein Gefühl, für die Atheisten ist er ein schiefes
Gedankenkonstrukt, das auf einer dünnen Beweisgrundlage fußt. Sie sprechen
unterschiedliche Sprachen, das zeigt sich auch in Augsburg wieder, mitten
im Bistum des konservativen Bischofs Walter Mixa.
11 Uhr, Freitagmorgen, die Sonne scheint auf den roten Atheistenbus vor der
Augsburger Einkaufspassage. Gerhard Rampp, der stellvertretende Vorsitzende
des örtlichen Bunds für Geistesfreiheit, rechnet Passanten vor, was ein
Kirchenaustritt finanziell bringt, wenn die gesparte Kirchensteuer in eine
private Altersvorsorge angelegt wird. Seine Rechnung ist nicht ganz
unkompliziert, aber wenn man alle Förderungen einbezieht, auch die
Riesterrente, kommt man grob überschlagen auf 180.000 Euro, sagt er.
Der Vize-Vorsitzende trägt ein Tweed-Jackett und Gesundheitsschuhe. Er ist
58 Jahre alt, von Beruf Ethiklehrer. Verbände wie die Geistesfreien
organisieren die Busaufenthalte in den Städten. Rampp verfolgt mit seinen
Kirchenaustrittswerbung einen etwas missionarischen Ansatz. Das gefällt den
Leuten vom Atheistenbus nicht. Es wirkt ihnen zu sehr wie Bibelkreis, bloß
andersherum.
Am Rande des Platzes fährt der Bus der Evangelikalen vor. "Aha!", sagt
Rampp und marschiert los. Er stellt einen weiß-roten Poller an der Einfahrt
auf, zur Abwehr. Er besitzt eine Standgenehmigung, die haben keine.
Philipp Möller gefällt die Konfrontation nicht. Er würde lieber mit
Gleichgesinnten über Werte fern von Gott und Kirche sprechen. Das war ihr
Plan. Aber jetzt sind fast jedes Mal die Evangelikalen da, und immer wird
gestritten. Das ist wieder genau das falsche Bild. Möller ist 28 Jahre alt,
Pädagoge in einer Berliner Grundschule. Er ist das Mediengesicht der
Atheistenkampagne, die wichtigste Stimme. Er hat schon im Fernsehen
diskutiert, im Radio, es gibt eine Einladung zu Johannes B. Kerner.
Wahrscheinlich weil er so entspannt ist, redegewandt, nicht verbissen und
dazu ein bisschen witzig.
Möller hat sich ein kleines Stand-up-Programm überlegt, macht eine Show mit
verschiedensten Dialektparodien, und in Augsburg nimmt er auch noch Walter
Mixa ins Programm auf. Mit einem Kamerateam geht er auf die Suche nach dem
Bischof, der kürzlich erst gesagt hat, eine Gesellschaft ohne Gott sei die
Hölle. Die kleine Atheistenprozession wird am Ende vom Mesner aus Mixas
Mariendom geworfen. Der Mann droht sogar mit einer Anzeige. "Also jetzt
könnt ihr alle stolz erzählen, dass ihr aus der Kirche rausgeworfen worden
seid", sagt Möller draußen, ein bisschen wie ein dünner, deutscher Michael
Moore, im Schatten des mächtigen Kirchengebäudes.
Am Abend sitzen Möller, Frerk und die anderen in einem Wohnzimmer in
Wolfratshausen, 400 Meter Luftlinie von Edmund Stoiber entfernt, trinken
Chianti und Reuthberger Klosterbräu und staunen über ihren Erfolg. Die
Gastgeber vom Bund für Geistesfreiheit haben eine Teufelin an der
Hausfassade. Tausende Busse mit christlichen Botschaften in Deutschland,
sagt Carsten Frerk, und dann kommt dieser eine, ihrer, und provoziert so
ein Riesenecho. All die Artikel, Sendungen, Spenden. All der christliche
Widerstand. Es ist wie in der DDR, sagt einer. "Die haben Angst." Es ist
andererseits auch so, dass der volle Bus am nächsten Morgen so unbeachtet
durch München fährt, dass eine zugestiegene Atheistin vorschlägt, sie
sollten bei der nächsten Runde vielleicht ein bisschen schreien und
klatschen, damit sie auffallen.
An der Bushaltestelle, wo der Doppeldecker zwischendurch pausiert, warten
wieder einige Leute von der örtlichen Freikirche. Diesmal mit Putzeimern
und lebenden Gottesbeweisen. Der eine heißt Bernie, war einmal
heroinabhängig und substituiert jetzt mit Gott, der andere ist der Klaus,
bei ihm hat Gott gegen Marihuana geholfen. Steffen Welz ist 38,
IT-Ingenieur bei einer Bank, trägt einen Strohhut, eine eckige Sonnenbrille
und macht Menschen wie den Bernie und den Klaus auf Rockfestivals oder in
Junkie-Ecken mit Gott bekannt.
An diesem sonnigen Morgen putzt er den Atheistenbus. Manche hatten per Mail
gedroht, ihn mit Scheiße zu bewerfen. Welz schmiert jetzt seine Liebe
darauf, um seine christliche Sanftmut zu demonstrieren. Gott liebt den
Sünder, aber er hasst die Sünde, sagt er. Als Philipp Möller entgegnet, sie
sollten lieber ein bisschen tolerant sein, statt vor den Kameras nur so zu
tun - Schwulen gegenüber etwa -, da setzt Welz an: "In Lukas 16 steht …"
Möller: "Deine archaischen Mythen brauchst du mir nicht aufzutischen,
dieses Märchenbuch. Da könnten wir uns gleich über ,Herr der Ringe' von
Tolkien unterhalten."
Welz: "J. R. Tolkien wollte die Menschen mit Gott in Verbindung bringen."
Möller: "Er hat eine Geschichte geschrieben."
Welz: "Er war Christ, so wie ich auch. Er liebte die Menschen. Ich mag
dich."
Möller: "Ich mag dich auch, aber ich mag deine Einstellung nicht."
Sie werden auch am nächsten Tag trotzdem wieder da sein, kündigt Welz an,
wenn der Bus durchs bayerische Oberland fährt, zum Sylvensteinspeicher. Da
werden sie zusammen stehen. Die Christen werden die Schönheit von Gottes
Schöpfung betrachten. Und die Atheisten werden einen Stausee sehen und von
dem Dorf namens Fall erzählen, das Menschen geflutet haben, bis selbst die
Kirchturmspitze verschwunden war. Auch das allerdings ist ein Mythos. Die
Kirche hatte man vor der Flutung abgerissen.
17 Jun 2009
## LINKS
[1] http://gottkennen.de
## AUTOREN
Johannes Gernert
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mit einem gemieteten Bus durch ganz Deutschland.
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