# taz.de -- Schwarzes Gold: Ein Wald von Bohrtürmen wie in Baku | |
> Das Zentrum der deutschen Erdölindustrie lag einst bei Celle. Ein Museum | |
> erinnert an diese Geschichte. Heute untersuchen hier Geologen Bohrkerne | |
> aus aller Welt auf Hinweise nach Ölvorkommen. In Deutschland gibt es | |
> nicht mehr viel zu holen. | |
Bild: Ein Anblick wie im Wilden Westen oder am Kaspischen Meer: Ölförderung i… | |
Penibel gepflegte Gärten, ruhig grasende Pferde und rustikale Bauernhöfe in | |
rotem Klinker prägen die Region um Wietze. Die kleine Stadt am Rande der | |
Lüneburger Heide war bis in die sechziger Jahre des vergangenen | |
Jahrhunderts hinein die wichtigste deutsche Erdölstadt. Daran erinnern | |
heute noch das Zentrallabor der Deutschen Erdöl AG (Dea) und das deutsche | |
Erdölmuseum. Am Wochenende wird dessen 50. Gründungstag gefeiert und der | |
150. Jahrestag der ersten erfolgreichen Erdölbohrung unter der Regie des | |
Geologieprofessors Georg Christian Konrad Hunäus. | |
"Noch heute gibt es auf dem Museumsgelände einen Fleck, wo schweres Öl an | |
die Oberfläche gelangt. Vielleicht werden wir dort irgendwann wieder die | |
Förderung aufnehmen", sagt Heiko Möller lachend. Möller ist der Leiter des | |
RWE Dea-Labors in Wietze und Spezialist für die Analyse von Bohrkernen aus | |
aller Welt. Die Zusammensetzung der Gesteinsschichten im Untergrund und | |
deren Eigenschaften geben den rund dreißig Spezialisten im Labor konkrete | |
Hinweise, womit die Bohrmeister in Mauretanien, Norwegen oder Deutschland | |
rechnen können. | |
Das Unternehmen, eines der kleineren der Branche, sucht auf der ganzen Welt | |
nach Erdöl und Erdgas. 2008 brachten seine Ingenieure 26 erfolgreiche Gas | |
und Erdölbohrungen nieder. Vor allem im Ausland doch auch in Deutschland | |
wird mit modernster Seismik nach den letzten Erdölblasen im Untergrund | |
gesucht. | |
Nicht nur in Schleswig Holstein sind die schweren Traktoren mit dem | |
Bohrgestänge und die Vibrationstrucks unterwegs, um dreidimensionale Bilder | |
des Untergrunds zu zeichnen, sondern auch im Gifhorner Trog. Der liegt nur | |
einige Kilometer von Wietze entfernt. RWE Dea-Pressesprecher Derek Mösche | |
hofft dort auf einige kleinere Fundstätten. "Generell ist in Deutschland | |
nicht mehr mit größeren Vorkommen zu rechnen, denn die wurden wie in Wietze | |
längst ausgebeutet", sagt er. | |
Der überraschende Fund interessierte niemanden | |
Die Gegend rund um Wietze war einst gespickt mit Bohrtürmen wie ein | |
Rehrücken mit Speck. Wie auf den Ölfeldern in Baku, Pennsylvania oder Texas | |
sah es in der Lüneburger Heide aus. Mit Kellen wurde das zähflüssige Öl, | |
welches aus hunderten von Bohrlöchern quoll, in ausrangierte Heringsfässer | |
geschöpft und per Pferdefuhrwerk zur Bahnstation geschafft. Von dort wurde | |
das schwarze Gold in die Raffinerien von Hamburg und Bremen transportiert. | |
Dass es Öl in der Region gab, war schon früh bekannt. "Teerkuhlen" nannte | |
man die Löcher auf den Feldern, wo schweres, klebriges Öl austrat. Damals | |
ging man davon aus, dass Öl seine "Entstehung dem Gärungs- und | |
Erhitzungsprozess oder den unterirdischen Glühungen der fossilen | |
Kohlenlager" verdanke. Dort wo Öl austrat, musste sich, so die weit | |
verbreitete These, ein größeres Kohleflöz befinden. Deshalb ließ Professor | |
Hunäus 1858 sein Bohrgestänge genau neben einer Teerkuhle aufstellen. Der | |
renommierte Mann war im Auftrag des Königshauses von Hannover unterwegs, um | |
mit insgesamt 13 Bohrungen nach Rohstoffen wie Kohle und Braunkohle zu | |
suchen. | |
"Im Mai 1859 traf der primitive Bohrmeißel dann auf eine ölführende | |
Schicht", erzählt Martin Salesch, der Direktor des Erdölmuseums von Wietze. | |
Er ist der Herr über die letzten Bohrtürme von Wietze und kennt sich | |
bestens aus in der mit Erdöl geschriebenen Geschichte der Kleinstadt. Aus | |
gerade sieben Bauernhöfen bestand Wietze als Hunäus auf Öl stieß. Doch der | |
überraschende Fund interessierte weder den Geologieprofessor noch die Leute | |
in Wietze. | |
Kohle war damals weitaus gefragter als Öl. Mitte des 19. Jahrhunderts | |
benutze man in Deutschland Erdöl nur in bescheidenen Mengen als | |
Schmiermittel, zu Beleuchtungs- aber auch zu Heilzwecken. Erst mit der Ende | |
des 19. Jahrhunderts auch in Deutschland durchgreifenden Industrialisierung | |
wurde die Nachfrage nach Leuchtölen, vor allem Petroleum, größer, erklärt | |
Martin Salesch. | |
Erdölbonanza mit stattlicher Verzögerung | |
Da erinnerte man sich auch wieder an die Vorkommen in der Lüneburger Heide | |
und dem Bohrunternehmer Friedrich Hasenbein war es 1899 vergönnt, mit | |
seiner erfolgreichen Bohrung den Erdölboom in der Heide zu initiieren. | |
Fortan ging das Erdölfieber in der Lüneburger Heide um. Mehr als 350 | |
Bohrungen wurden bis 1904 unternommen und die Förderung stieg sprunghaft | |
an. | |
27.731 Tonnen waren es ein Jahr nach der erfolgreichen Hasenbein-Bohrung. | |
Zehn Jahre später konnte der Bedarf des Deutschen Reiches von 100.0000 | |
Tonnen allein aus dem Ölfeld von Witze gedeckt werden. Für die Region wurde | |
das Erdöl zum dominierenden Wirtschaftsfaktor. Mehr als 1600 Arbeiter | |
schufteten zur Hochzeit auf dem Ölfeld und sorgten dafür, dass aus dem | |
kleinen Dorf im Laufe der Jahre das deutsche Klein-Dallas wurde. | |
Wichtigstes Unternehmen vor Ort wurde die "Deutsche | |
Erdöl-Aktiengesellschaft" (Dea), die angesichts nachlassender Ergiebigkeit | |
der Vorkommen nach und nach zahlreiche Gesellschaften in Wietze übernahm | |
und später zum größten Erdölunternehmen des Deutschen Reichs aufstieg. Das | |
damalige Firmen-Emblem mit dem stilisierten roten Bohrturm ist ebenfalls im | |
deutschen Erdölmuseum zu sehen. Allein dessen Ausstellungshalle ist 600 | |
Quadratmeter groß. Dazu kommt noch ein zwei Hektar großer Außenbereich. | |
Letzterer ist Teil des ehemaligen Ölfeldes "Schwarzer Weg". Dieses wurde | |
bis ins Jahr 1964 von der Dea ausgebeutet und 1969 im Originalzustand - | |
sprich mit allen Geräten, Pumpanlagen und sonstigen Ausstellungsstücken - | |
an die Gemeinde Wietze übergeben. Einzige Auflage: Ein Museum sollte auf | |
dem Gelände entstehen. So kam Wietze zum "Deutschen Erdölmuseum". | |
Bei den anstehenden Jubiläumsfeiern wird Laborleiter Möller natürlich | |
zugegen sein und vielleicht auch einige Worte zur aktuellen Fördersituation | |
in Deutschland verlieren. Das wichtigste deutsche Ölfeld heißt Mittelplate | |
und liegt im Wattenmeer. Derzeit werden gerade drei Prozent des Bedarfs aus | |
heimischen Erdölfeldern, die vor allem in Schleswig-Holstein und | |
Niedersachsen liegen, gedeckt. Die Fördermenge ist rückläufig. "Bei Gas | |
sieht es hingegen etwas besser aus", sagt der RWE Dea-Mann. "Da werden | |
immerhin knapp zwanzig Prozent des Bedarfs in deutschen Landen gefördert." | |
Allerdings ist auch hier in Tendenz sinkend und eine Ölbonanza wie einst in | |
Wietze wird es wohl nie wieder geben. | |
Am 6. Juni feiert dasErdölmuseum die erste erfolgreiche Bohrung | |
1 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
## TAGS | |
Erdöl | |
Erdöl | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Leck in Ölbohranlage: Krebsgefahr nicht ausgeschlossen | |
Im niedersächsischen Kreis Grafschaft Bentheim ist jahrelang kontaminiertes | |
Wasser ins Erdreich gelaufen. | |
Theaterstück „Öl-Fieber“: Bis auf den letzten Tropfen | |
In Wietze in der Lüneburger Heide gelang die erste Ölbohrung der Welt. | |
Daran erinnert nun das Schlosstheater Celle mit dem Stück „Öl-Fieber“. |