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# taz.de -- Bundeswehrpsychiater über Traumata: „Selbstmord-Fälle gibt es“
> Bis zu zehn Prozent der Bundeswehrsoldaten könnten traumatisiert aus
> einem Auslandseinsatz zurückkehren, schätzt ein Bundeswehrpsychiater –
> aber nur ein Prozent begibt sich Behandlung.
Bild: Trauma-Rate von einem Prozent: Bundeswehr in Afghanistan
taz: Im Augenblick sind 6.900 deutsche Soldaten im Ausland im Einsatz. Wie
viele von ihnen werden traumatisiert zurück kehren?
Peter Zimmermann: Wir wissen es nicht. Im Moment liegt die Rate bei gut
einem Prozent. Es stellt sich aber eine steigende Zahl von ihnen in den
Bundeswehrkrankenhäusern vor.
Wie viele denn?
2006 waren es 80, ein Jahr drauf 130 und im letzten Jahr schon 250. Es ist
aber unklar, ob diese Zahl deshalb so stark ansteigt, weil es mehr werden,
oder weil sich mehr in Behandlung begeben.
Oder weil posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) erst nach und nach
ausbrechen?
Das ist auch das denkbar. Das kann Jahre später geschehen. Meist bricht
eine PTBS aber binnen sechs Monaten aus.
Was für Vorfälle sind es, die bei Ihren Patienten PTBS ausgelöst haben?
Es gab etwa den Fall einer Afghanin, die eine medizinische Behandlung
brauchte. Als zwei Soldaten sie in ihr Dorf zurückbrachten, wurde sie
gesteinigt – weil sie bei den männlichen Ärzten der Bundeswehr war. Oder
ein Soldat, der mit angesehen hat, wie ein alter Mann mit Beinprothese
ihnen vom Straßenrand zuwinkte – und im nächsten Moment auf die Motorhaube
des vorausfahrenden Fahrzeugs sprang und explodierte.
Ist es für Soldaten ein Problem, zuzugeben, dass sie eine psychische
Störung haben?
Ja. Das kann man aber heutzutage nicht mehr den Vorgesetzten anlasten. Die
sind besser aufgeklärt als früher und entsprechend fürsorglich. Das heisst
aber noch lange nicht, dass der Soldat auch glaubt, dass das so ist, und
trotzdem einen Karriereknick befürchtet.
Die Vorgesetzten sind eine Sache. Was ist mit den Kameraden?
Mit den einfachen Soldaten gibt es da natürlich auch Schwierigkeiten. Wenn
in der Gruppe einer sagt, „Ich habe eine psychische Störung“, können Sie
sich ja vorstellen, was er sich anhören kann. Das hat viel mit dem
Männerbild in hierarchischen Systemen zu tun.
Wie gehen Sie mit diesem Problem um?
Wir bauen niedrigschwellige Angebote, unterhalb eines Besuchs beim
Truppenarzt auf, etwa eine Telefonhotline und so genannte „Psychosoziale
Netzwerke“. Die Hotline wird etwa einmal pro Tag frequentiert.
Was geschieht mit einem Soldaten, der mit einer PTBS zu Ihnen kommt?
In der Regel behalten wir sie für eine zweiwöchige Stabilisierungsphase mit
Aromatherapie, Akupunktur, Entspannungstraining und Ergotherapie im
Krankenhaus. Danach wird die Behandlung ambulant fortgesetzt oder es folgt
eine weitere stationäre Therapie, zum Beispiel mit der EMDR-Technik, einer
Technik zur Traumatherapie mit Augenbewegungen.
Kennen Sie Fälle, in denen eine PTBS zum Selbstmord von Bundeswehr-Soldaten
geführt hat?
Ja, das gibt es. Dieses Phänomen ist in und nach Auslandseinsätzen aber
selten. Wie oft es genau vorkommt ist bisher aber nicht untersucht.
Sind an einer PTBS erkrankte Soldaten weiter dienstfähig?
Grundsätzlich ja. Einige behalten eine Restsymptomatik, die meisten
Erkrankten können danach aber ganz normal weiterarbeiten.
Aber nicht wieder im Ausland?
Doch, doch. Wenn jemand gut und suffizient behandelt wurde, gibt es gar
keinen Grund, ihn nicht wieder ins Ausland zu schicken. Wen man aber
keinesfalls wieder in einen Einsatz schicken sollte, sind unbehandelte
Soldaten. Von uns wird etwa ein Prozent der Soldaten behandelt, es ist aber
damit zu rechnen, dass zwischen vier und zehn Prozent erkranken. Die nicht
behandelten sollten keinesfalls wieder ins Ausland, die sind hochgefährdet.
Das steht aber niemandem auf die Stirn geschrieben.
Auslandseinsätze sind finanziell sehr attraktiv. Gibt es Soldaten, die eine
PTBS verschweigen, um wieder ins Ausland gehen zu können?
Klar, das kann ein Grund sein. Es gibt aber auch das Motiv, eine
unterbrochene Handlung zu Ende bringen zu wollen, das ist dann natürlich
die reinste Quälerei, weil diese Soldaten in ständiger Angst leben. Bei
manchen ist das aber Teil des Krankheitsgeschehens.
22 Jun 2009
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Selbstmord
Schwerpunkt Syrienkrieg
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