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# taz.de -- Wahlkampf der Großkoalitionäre: Der Kampf um die Ökos
> Knapp hundert Tage vor der Bundestagswahl lenken die beiden großen
> Parteien um: Sowohl SPD als auch CDU bemühen sich um einen grünen
> Anstrich.
Bild: Nicht nur idyllisch, sondern auch wirtschaftlich interessant, wie nun auc…
BERLIN taz | Alle reden plötzlich von der grünen Wirtschaft - vor allem
Politiker der großen Koalition. Am Montag lud SPD-Bundesumweltminister
Sigmar Gabriel nach Berlin zu einer "Innovationskonferenz": "Green
Recovery" - die grüne Erholung in Zeiten der Wirtschaftskrise. Es ging um
"eine neue Politik für Wachstum, Beschäftigung, Nachhaltigkeit", eigentlich
eine Fachkonferenz, organisiert von Gabriels Haus. Tatsächlich aber war es
Wahlkampf, denn es redeten: Gerhard Schröder, Ex-SPD-Kanzler, und
Frank-Walter Steinmeier, aktueller SPD-Kanzlerkandidat. Die SPD verspricht,
den Planeten und Jobs zugleich zu retten - und bis 2020 mit grünen
Technologien eine Million zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.
Das war einen Tag nachdem die CDU ihr Wahlprogramm vorgestellt hat - mit
grünem Anstrich. Die Christdemokraten kündigen an, die
Treibhausgasemissionen zu senken, bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu
1990. Und CSU-Chef Horst Seehofer hat schon vor Tagen wissen lassen, er
werde die CSU grüner machen. Parteikollege und Wirtschaftsminister
Karl-Theodor zu Guttenberg setzte später noch mal nach und erklärte:
"Ökologie ist nicht als Badeschlappenthema zu begreifen, sondern als
wirtschaftliche Chance". Umweltschutz wird konservativ.
Knapp 100 Tage vor der Bundestagswahl initiieren die Politiker einen
Schlagabtausch: Wer ist der Grünste im Land? Denn Öko zieht derzeit. Das
haben die Europawahlen gezeigt. Die Grünen warben mit Sonnenblumen und
Zahnrädern auf Plakaten für ihr Versprechen, die Wirtschaft zu
ökologisieren. Vom "Green New Deal" sprachen sie - mit Erfolg. Sie bekamen
12,1 Prozent der Stimmen. Am meisten Zuspruch bekam die Partei in den
Städten. "Das neue Bürgertum wählt grün", sagte Fraktionschefin Renate
Künast.
Offenbar eifern den Grünen jetzt Politiker und Wahlstrategen von SPD und
Union nach. Gabriel und Steinmeier fordern den "sozialökologischen New
Deal". "Energie und Ressourceneffizienz werden zu entscheidenden
Wettbewerbsfaktoren moderner Ökonomie", erklärt die SPD. Umweltminister
Gabriel sprach zwar schon immer sehr viel von ökologischer
Industriepolitik, hatte dabei aber mehr die wirtschaftsnahe Klientel im
Blick, weniger die Ökos.
Und seit seinem Amtsantritt 2005 gab er sich immer schon lieber als
"Innovationsminister" denn als Umweltminister. Doch als dann 2007 alle nur
noch vom Klimawandel sprachen und sich plötzlich die ehemalige
Umweltministerin und heutige CDU-Kanzlerin Angela Merkel zur Klimakanzlerin
aufschwang, verschwand Gabriels Öko-Wirtschafts-Kombination.
Die Idee des umweltfreundlichen Wachstums ist also nicht neu, konsequent
umgesetzt wurde sie aber nicht. Zu Zeiten von Rot-Grün kamen zwar der
Atomausstieg und die Förderung der erneuerbaren Energien. Mit der Windkraft
entstanden neue Firmen, neue Jobs. An dieser Politik änderte die jetzige
große Koalition auch wenig. Ansonsten stand Öko aber vor allem eins -
zurück hinter der Wirtschaft.
So spielte der Umweltschutz bei der Rettung von Opel keine Rolle. Weder der
Wirtschaftsminister noch der Umweltminister redete davon, den ersten grünen
Autohersteller der Welt zu schaffen. Wer die Abwrackprämie bekommen will,
muss sich auch keinen besonders spritsparendes Auto kaufen; die Regierung
verzichtete darauf, strikte Umweltkriterien zu setzen.
Ein geplantes Umweltgesetzbuch, das den Schutz von Arten, Boden und Wasser
verbessern sollte scheiterte - am Widerstand Seehofers. Zu Guttenberg
blockiert ein Energieffizienzgesetz. Die Union greift nicht ein. Und eine
Ökosteuer, die Arbeit entlasten und dafür Energie teurer macht, entwickelt
keine der Parteien weiter.
Um Ökologie pur ging es vielleicht mal - früher, als Umweltschutz zum
ersten Mal Regierungspolitik wurde. Das war ausgerechnet mit der FDP.
Anfang der 1970er-Jahre setzte Hans-Dietrich Genscher als Innenminister
erste ökologische Akzente. Unter seiner Regie entstanden die ersten Gesetze
zur Luftreinhaltung, zur Abfallbeseitigung und zum Schutz vor Giften wie
Blei. Dann kam die Ölkrise, und der Umweltschutz geriet in Verruf, ein
Jobkiller zu sein. Davon hat er sich lange nicht erholt - bis zu dieser
Wirtschaftskrise.
23 Jun 2009
## AUTOREN
Hanna Gersmann
Gordon Repinski
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