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# taz.de -- Trotz massiver Repression: Irans Reformer wieder auf der Straße
> Nach mehreren Tagen der Ruhe trauen sich am Sonntag erstmals wieder
> mehrere tausend Demonstranten zu protestieren. Die Polizei schreitet
> brutal ein. Heute will der Wächterrat auszählen.
Bild: Wollen sich nicht unterkriegen lassen: Refomer protestieren am Sonntag in…
TEHERAN/BERLIN afp/dpa/ap/taz | Nach Tagen der Ruhe ist es laut
Augenzeugenberichten am Sonntag in Teheran wieder zu Zusammenstößen
zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Die Polizei, die
mit einem Großaufgebot anrückte, setzte den Angaben zufolge Tränengas gegen
tausende Anhänger von Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi ein. Auch ein
Bus mit den berüchtigten Basidsch-Milizen wurde gesehen.
Die Polizei riegelte das Areal weiträumig ab, die Demonstranten zogen ab.
Es waren die ersten Straßenproteste seit mehreren Tagen. Da politische
Kundgebungen verboten sind, Demontranten zahlreich verhaftet oder von
Milizen verprügelt werden und um ihr Leben fürchten müssen, wagen sich kaum
noch Oppositionelle auf die Straße.
Die Demonstranten waren trotz Verbots der Behörden in die Innenstadt
geströmt, um der 25 Toten bei früheren Protesten nach den umstrittenen
Wahlen vom 12. Juni zu gedenken. Ziel war offenkundig die zentrale
Ghoba-Moschee, wo eine behördlich genehmigte Trauerfeier geplant war.
Bei der Trauerfeier ging es um das Gedenken an den 1981 bei einem
Bombenanschlag getöteten Ajatollah Mohammed Beheschti, der in den 70er
Jahren auch Chefprediger der Hamburger Moschee war. „Beheschti, wo bist
du“, riefen die Demonstranten, „Mir Hussein wurde alleingelassen“.
Demonstranten mit gebrochenem Arm
Augenzeugen erzählten, einige Demonstranten hätten Arm- und Beinbrüche
erlitten. Jüngere Teilnehmer der Protestveranstaltung seien auf die
Polizisten losgegangen, nachdem diese eine ältere Frau geschlagen hätten.
Mit auf der Veranstaltung waren nach Berichten von Josh Shahryar auf
Anonymous Iran auch Reformkandidat Mehdi Karubi anwesend, und sprachen
persönlich zu den Demonstranten. Der quasi Oppositionsführer Mir Hussein
Mussawi konnte nur durch einen Lautsprecher und per Telefonverbindung zur
Menge sprechen. Er hatte es offenbar nicht bis zur Demonstration geschafft.
Nach Aussagen seiner [1][Kampagne auf Facebook], werden alle seine Schritte
„stark kontrolliert“. Offenbar kann er sich nicht mehr ganz frei bewegen.
Shahryar bezieht sich auf Twitterberichte und hat in der Vergangenheit
recht zuverlässig über die Proteste berichtet. Er fasst seine Bericht
täglich im [2][“Green Brief“ auf Anonymous Iran] zusammen. Über Twitter g…
es auch Meldungen, dass wieder Pistolenschüsse während der Proteste
gefallen sind.
Sondertribunal für verhaftete Demonstranten gegründet
Außerdem wurden offenbar wieder mehrere Reformer verhaftet. Dazu gehört
laut Anonymous Iran auch der Filmemacher Reza Attaran. Die genaue Zahl der
Verhafteten ist unklar, aber Shahryar geht von „mehreren Dutzend“ aus.
Im Iran ist ein Sonderausschuss gegründet worden, der über das Schicksal
der festgenommenen Demonstranten entscheiden soll. So wolle man
sicherstellen, dass es zu fairen Prozessen komme, sagte ein Justizsprecher
am Montag der Nachrichtenagentur Isna. Bei Kundgebungen gegen die
umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad waren in den
vergangenen zwei Wochen Hundertausende Menschen auf die Straßen gegangen.
Seit dem wurden mehrere Hundert Demonstranten, darunter Abgeordnete und
Journalisten, festgenommen.
Neuauszählung eines Teils der Stimmen begonnen
Im Iran hat die Neuauszählung eines Teils der Stimmzettel bei den
umstrittenen Präsidentschaftswahlen begonnen. Der Wächterrat habe am Montag
mit der erneuten Auszählung der Stimmen aus zehn Prozent der Wahlurnen
begonnen, berichtete der staatliche Fernsehsender El Alam. Die Prozedur
werde voraussichtlich am Nachmittag abgeschlossen sein, das Ergebnis in den
kommenden 24 Stunden verkündet.
Der Wächterrat hatte am Freitag angekündigt, eine Sonderkommission mit
einem Bericht über die Wahl am 12. Juni zu beauftragen. Der Ausschuss soll
die teilweise Neuauszählung der Stimmen überwachen.
Kranke aus Hospitälern verschleppt
Derweil werden immer grausamere Einzelheiten über Aktionen der iranischen
Basidsch-Milizen bekannt, die als absolut regimetreu und brutal gelten.
Nach Angaben der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International
verschleppen sie verletzte Teilnehmer von Protestkundgebungen aus Teheraner
Krankenhäusern.
Nach anderen Augenzeugenberichten terrorisieren sie die Menschen auch bei
nächtlichen Razzien. Ziel seien Bewohner, die – wie in Zeiten der
Islamischen Revolution vor 30 Jahren – nachts von den Dächern ihrer Häuser
Slogans wie „Gott ist groß“ und „Tod dem Diktator“ rufen. Wie die
Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch auf ihrer Webseite
berichtete, verschaffen sich die Paramilitärs gewaltsam Zugang zu den
Häusern, schlagen Bewohner zusammen und feuern Schüsse in die Luft.
Mussawi wirft Wächterrat Beteiligung an Fälschungen vor
Mussawi wirft dem Innenministerium und dem iranischen Wächterrat vor, an
Manipulationen beteiligt gewesen zu sein, die zur Wiederwahl des
erzkonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad geführt hätten. Der
oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei wies die Forderung von Mussawi nach
einer unabhängigen Überprüfung der Ergebnisse der Wahl erneut zurück. „Ich
fordere beide Seiten auf, die Jugend nicht emotional aufzustacheln, die
Menschen nicht gegeneinander aufzuhetzen und die Einheit der Nation nicht
weiter zu beschädigen“, warnte Chamenei.
Ahmadinedschad attackiert Westen
Nach Forderungen von US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela
Merkel, die demokratischen Rechte der Iraner zu achten und die iranischen
Nuklearpläne zu beenden, attackierte Ahmadinedschad den Westen scharf.
„Diesmal wird die iranische Nation entschieden und klar antworten, so dass
ihr (der Westen) beschämt seid und bereut“, drohte er.
Offenkundig mit Blick auf den Atomstreit fügte er hinzu: „Ohne jeden
Zweifel wird die neue iranische Regierung dem Westen entschiedener und
machtvoller begegnen.“ Der frühere iranische Atom- Chefunterhändler Ali
Laridschani rief den Westen auf, das „demokratische Leben“ in seinem Land
zu respektieren. „Der Iran ist nicht der Irak oder Afghanistan.“
Mussawi fordert Neuwahlen. Die vom Wächterrat angebotene Teilnahme an der
Überprüfung von zehn Prozent der Stimmen in einem Sonderausschuss – ein
Novum, wie es hieß – lehnte er ebenso wie der gleichfalls unterlegene
Präsidentschaftskandidat Mehdi Karrubi ab. Beide argumentieren, auch die
Mitglieder dieses Sonderausschusses seien nicht unparteiisch.
Fünf Botschafter wieder freigelassen
Unterdessen wurden neun örtliche Mitarbeiter der britischen Botschaft im
Iran festgenommen. Fünf sind inzwischen offenbar wieder freigelassen
worden. Den Festgenommenen werde vorgeworfen, in die Proteste der
Opposition gegen die umstrittenen Wahlen verwickelt zu sein. Der britische
Außenminister David Miliband sprach von einer „inakzeptablen, beispiellosen
Schikane und Einschüchterung“. Tatsächlich verbieten es internationale
Abkommen, Botschaftsangehörige zu belangen.
Auch die Europäische Union forderte den Iran am Sonntag auf, die
Mitarbeiter der Briten sofort freizulassen. „Wir rufen die iranischen
Behörden auf, die Festgenommenen zu schützen“, sagte der tschechische
Außenminister Jan Kohout vor Journalisten auf Korfu. Die EU habe den
iranischen Behörden klargemacht, dass eine Fortsetzung der Einschüchterung
ausländischer und iranischer Botschaftsmitarbeiter zu einer harten Reaktion
führen werde, hieß es weiter in der Erklärung der tschechischen
EU-Ratspräsidentschaft.
29 Jun 2009
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