# taz.de -- Kampftrinken mit Todesfolge: Berliner Wirt muss ins Gefängnis | |
> Urteil im im Berliner "Tequila-Prozess": Wirt Aytac G. ist wegen schwerer | |
> Körperverletzung mit Todesfolge zu drei Jahren Haft verurteilt worden. | |
Bild: Kein singulärer Fall: Nach Wetttrinken verurteilter Berliner Wirt. | |
Für drei Jahre und fünf Monate muss der ehemalige Gastwirt Aytac G. ins | |
Gefängnis. Das Berliner Landgericht befand ihn der schweren | |
Körperverletzung mit Todesfolge und Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz | |
für schuldig. Weil der 28-Jährige zu lange auf sein Verfahren warten | |
musste, gelten zwei Monate der Strafe als verbüßt, außerdem werden ihm die | |
sieben Monate angerechnet, die er in Untersuchungshaft saß. | |
G. hatte im Februar 2007 in seiner Kneipe "Eye T" im Stadtteil | |
Charlottenburg mit dem 16-jährigen Schüler Lukas W. ein Kampftrinken | |
veranstaltet. Lukas W. trank binnen einer Dreiviertelstunde 48 Gläser | |
Tequila, während der Wirt selbst fast nur Wasser trank. In Folge des | |
Exzesses fiel Lukas W. ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Vier | |
Wochen später war er tot. | |
Noch kurz vor der Urteilsverkündung argumentierten die Verteidiger, | |
Johannes Eisenberg und Stefanie Schork, es habe sich bei dem Geschehen um | |
einen tragischen Unglücksfall gehandelt. Ihr Mandant habe zu keiner Zeit | |
die Absicht gehabt, den Tod von Lukas W. herbeizuführen. "Er hat sich auf | |
einen Blödsinn eingelassen, er hat eine Entscheidung getroffen, die war | |
dämlich", sagte Schork. Aber Aytac G. habe kein Verbrechen begangen. Anders | |
als bei Tritten, Stichen oder Schlägen wäre ihrem Mandanten nicht klar | |
gewesen, dass der immense Alkoholkonsum zum Tod des Jugendlichen führen | |
würde. Sie bezweifelte auch, dass das Wetttrinken, wie von der | |
Staatsanwaltschaft behauptet, gegen die guten Sitten verstoße. Schließlich | |
fänden derartige Duelle auf jeder zweiten Party statt. | |
Die Forderung des Staatsanwaltes von vier Jahren Haft sei der Schuld von | |
Aytac G. nicht angemessen, zumal die Jugendlichen, die beim Wetttrinken und | |
beim Betrug assistiert hatten, von einer Jugendstrafkammer lediglich mit | |
Verwarnungen bedacht wurden. | |
All diese Überlegungen, welche die Verteidigerin ins Feld führte, habe das | |
Gericht geprüft, versicherte der Vorsitzende Richter Peter Faust. "In der | |
Tat ist es gar nicht so simpel zu begründen, warum das strafbar ist." Der | |
Schüler habe das Wetttrinken initiiert, "er hat das Geschehen nahezu | |
herbeigenötigt". Die Besonderheit dieser Körperverletzung sei, dass keine | |
der üblichen Waffen benutzt wurden und dass der Geschädigte sich den Stoff, | |
an dem er starb, selbst verabreichte: "Lukas W. hat jedes der 48 Gläser | |
selbst in die Hand genommen", sagte der Richter. "Er hat sich selbst | |
gefährdet. Aber diese Selbstgefährdung ist dem Angeklagten zuzurechnen." | |
Aytac G. habe gewusst, dass es kein fairer Wettkampf gewesen sei, bei dem | |
er bis zur 20. Runde, möglicherweise auch bis zur 30. Runde nur Wasser | |
trank. "Das Ziel der Aktion war eine Körperverletzung", befand der Richter. | |
Der Angeklagte habe zwar nicht die Gefahr der Atemlähmung gekannt, aber | |
nach einem früheren Wetttrinken mit einem 18-Jährigen gewusst, dass es | |
schon nach 20 Tequila zu erheblichen Ausfallerscheinungen kommen könne. Er | |
habe für seinen damaligen Gegner sogar erwogen, die Hilfe eines Notarztes | |
zu holen. "Selbstverständlich wollte Aytac G. nicht den Tod von Lukas W. | |
herbeiführen. Sonst wäre er ja wegen Totschlags oder Mordes angeklagt | |
worden." | |
Der Fall hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt und eine Debatte über | |
sogenanntes Komasaufen ("Binge-Drinking") und Flatrate-Partys ausgelöst. | |
Dass das Schicksal von Lukas W. besonders tragisch, aber keineswegs | |
singulär ist, zeigen die Zahlen, die die Berliner Polizei am Freitag | |
veröffentlichte. Genau 834 betrunkene Kinder und Jugendliche haben die | |
Beamten in Berlin im laufenden Jahr bereits aufgegriffen - im gesamten Jahr | |
2008 waren es 1.209 Fälle. | |
4 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Uta Eisenhardt | |
## TAGS | |
Mexiko | |
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