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# taz.de -- Debatte King of Pop: I did it my way
> Sein Gesicht und seine Sexualität gefielen uns nicht. Und ihm selbst?
> Egal. Wir haben uns unseren eigenen Michael Jackson gebastelt.
Bild: Bessere Zeiten: Michael Jackson und Quincy Jones 1984 bei den Grammy Awar…
Er war ein Freak. Er schaute gequält. Und das schon lange Zeit. Das Leben
im Musikbusiness hatte ihm offensichtlich sehr zugesetzt. Er war übermäßig
geschminkt. Sein Look war schon immer blöd, doch zuletzt sah er aus wie
eine in Frisurfragen sehr ungeschickte Tunte. Und das sicher unfreiwillig,
denn für gender-bending war er nicht bekannt. Er war ein Freak, wie gesagt,
aber niemals zweifelte man an seiner musikalischen Größe. Und weil man an
ihr nicht zweifeln konnte, weil große Musiker sich für ihn einsetzten,
bezeichnete man ihn auch nie als Monster. Leider aber hatte er die
Schauspielerin Lana Clarkson erschossen, daher musste er nun ins Gefängnis.
Vieles am Fall des Produzenten Phil Spector, von dem hier die Rede ist,
gleicht dem des Michael Jackson, nur, anders als Jackson, wurde Spector
eben nie zum Alien erklärt, niemand befand ihn für psychisch krank, niemand
ließ Heere von Küchenpsychologen Hobbyanalysen erstellen. Niemand
behauptete, dass er ein Perverser war, während dies bei Michael Jackson für
die Mehrheit der Welt feststand, egal was er tat, egal was die Geschworenen
meinten, egal wie dürftig die Beweislage war.
Damit soll Michael Jackson nicht grundsätzlich freigesprochen werden, es
ist aber interessant, wie anders der schwarze Entertainer vor seinem Tod
behandelt worden ist als etwa der heterosexuelle weiße Mann. Phil Spector,
ein Junkie und Waffennarr, hatte einer Schauspielerin in den Mund
geschossen - dies mit einer fehlgelenkten Triebabfuhr in Verbindung zu
bringen, ist kaum einer Kommentatorin, kaum einem Kommentator eingefallen.
Die Hinrichtung von Frauen gilt eben, sofern sie in einer Villa und nicht
in einem fernen Land stattfindet, eher als ein Kavaliersdelikt. Spector ist
selbstredend - hier geht es allein um sehr unterschiedliche
Betrachtungsweisen der Massenmedien.
Denn bei Michael Jackson, dessen Beerdigung am Dienstag aufwendig
zelebriert werden wird, scheint die Idee, dass er sich der fehlgelenkten
Triebabfuhr hingab, nahezuliegen. Dass diese Idee naheliegt, ist darin
begründet, dass Michael Jackson anders, als dies oft behauptet wurde, eben
nicht gut mit den Medien umgehen konnte. Zwar spielte er durchaus mit den
Medien, log ganz offensichtlich, doch nie souverän genug. Vielmehr waren
ihm die Medien lange Zeit egal, nur Mittel zum Zweck, Steigbügelhalter auf
dem Weg zum größten Unterhalter aller Zeiten.
Tatsächlich zweifelte spätestens ab 1983 niemand mehr daran, dass Michael
Jackson ein Ausnahmeunterhalter war. Auch wurde selten bezweifelt, dass er
Herr seiner Musik war, dass er selbst bestimmte, was wie auf eine Platte
kam und nicht nur aus Höflichkeit als Koproduzent auftrat. Sogenannte
Homerecordings, die allerdings in seinem Fall nicht in der Küche
aufgenommen sein dürften, belegen, dass Jackson selbst es war, der
Gesangslinien festlegte. Die wichtigen Elemente seines Hits "Billie Jean"
standen schon fest, bevor Quincy Jones das Stück veredeln konnte. Noch bei
"Invincible", dem etwas lustlosen letzten Album zu Lebzeiten, hielt er alle
Fäden in der Hand. Die vielen Kiekser, mit deren Hilfe der schon früh
geschwächte Sänger seinen Lungen trickreich Sauerstoff verschaffte, oder
der berühmte Moonwalk waren die alleinige Erfindung des Perfektionisten
Jackson.
Jackson glaubte allerdings, allein mit seiner Kunst zu genügen. Er, als
Künstler ein Produkt der 1970er-Jahre, wusste bis zuletzt nicht, wie sehr
Medien nach Storys gieren und wie sehr sie denjenigen bestrafen, der sie
nicht füttert. Jackson aber dementierte nur in Notfällen, räumte nur in
Notfällen etwas ein und inszenierte nur in Notfällen sein Privatleben für
die Kameras. Dass er der heißblütige Liebhaber von Lisa-Marie Presley
gewesen sein soll, glauben wir daher nicht, nicht einmal dann, wenn sie
selbst es sagt. Dass seine Kinder wahrscheinlich biologisch gar nicht seine
Kinder waren, stellen wir mit Häme fest. Die OPs räumte er erst auf
Nachfrage ein. Die Drogen - Schmerzmittel aufgrund einer Verletzung. Kinder
im Bett - Jackson antwortete defensiv, daher musste "was" vorgefallen sein.
Seine eigene beschissene Kindheit - er heulte nicht vor der Kamera. Egal
wie oft er sagte, dass er stolz sei, ein männlicher Schwarzer zu sein -
wir, zumindest wir Weißen, wussten seit Mitte der 80er, dass er sich
schämte und Liz Taylor werden wollte. Jackson gestand nicht, was wir hören
wollten, daher konnten wir ihn nicht ehren. Er sagte: "I love you all", wir
fühlten uns verhöhnt. Er erzählte, so ein Plattentitel, "HIStory", doch wir
hörten gar nicht hin.
Man hätte ihn für anderes attackieren können - es gibt bei aller "Heal the
world"-Litanei auch weniger schöne Textzeilen in seinem Werk, man konnte
bei ihm Sexismus, Rassismus und Antisemitismus zumindest in rudimentärer
Form finden. Jackson flirtete mit der schwarz-nationalistischen Nation of
Islam, er stand Reagan näher als Obama, wenn er nicht sogar einfach nur
politisch naiv oder, schlimmer noch, im Grunde desinteressiert war.
Um solche Fragen aber ging es nie. Jackson ahnte wohl nicht, dass auch
seine letzten Shows seinem Image nicht geholfen hätten. Obschon sie nicht
mal schlecht geworden wären, wenigstens versprechen dies die posthum
veröffentlichten Videoaufnahmen von den Proben. Selbst jetzt kommen die
Nachrufenden, trotz all ihrer Krokodilstränen, nicht ohne den Verweis auf
seine Monstrosität aus, auf sein Gesicht, dass uns nicht gefiel, und ihm
deshalb nicht gefallen haben durfte, und auf seine Sexualität, die
selbstverständlich unerfüllt gewesen sein musste, denn wir konnten sie uns
nicht vorstellen.
Nun ist er tot, nun können wir uns seine Geschichte erzählen, wie sie uns
passt. Er kann sich nicht mehr wehren. Wir machen uns den Perfektionisten
menschlich, in dem wir ihn kleiner machen und auf unser Format bringen. Das
ist uns auch bei Elvis gelungen, der in unseren Augen als fettes,
tragisches Wrack starb, also so wie wir dereinst. Und Elvis lieben wir doch
alle.
Ruhm lohnt sich nicht, das ist, was wir immer auch hören wollen. Erfolg ist
tragisch, wir Schuster können bei unseren Leisten bleiben. Und ein Aufstand
gegen unser gewöhnliches Leben bringt sowieso nichts.
6 Jul 2009
## AUTOREN
Jörg Sundermeier
## TAGS
Michael Jackson
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