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# taz.de -- Marionettenkaiser: Otto, der Läppische
> Die Herrschaft des einzigen Welfen-Kaisers war kurz und ausgesprochen
> glücklos. Braunschweigs Stadtmarketing freut sich trotzdem, dass er vor
> 800 Jahren den Thron bestieg.
Bild: Mit Harfe und gewelltem Haar der Innigkeit auf der Spur: Holger Schäfer.
Da denkst du Kaisergeburtstage werden nicht mehr gefeiert. Aber
Braunschweig ist für eine reaktionäre Überraschung immer gut. Zwar weiß
kein Mensch, wann genau Otto IV. geboren wurde.
Aber in puncto Devotionsbekundungen für Herrscher, Führer und
Oberbürgermeister sind sie an der Oker immer schon findig gewesen: Jetzt
begeht man dort, aus Stadtmarketinggründen, ein Kaiserjahr, weil der Sohn
Heinrichs des Löwen am 4. Oktober 1209 den Kaiserthron bestieg. Um ihn
nominell bis zum Tod 1218, faktisch aber nur drei Jahre lang für Friedrich
II. anzuwärmen. "Wir haben", raunt Landesmuseumshistoriker Gerd Biegel in
Anbetracht dieser Leistung, "einen großen Europäer vor uns".
Uiuiui. So hätte allenfalls noch Otto von Braunschweig selbst sich
beurteilt. Seriöse Mediävisten werten die Kaiserzeit des Welfen hingegen
als "Intermezzo". Und das ist noch die wohlwollendste Vokabel. Denn sie war
glücklos und schon nicht mehr real, als er am Sonntag, den 27. Juli 1214
bei der Schlacht von Bouvines auf die Mütze bekam. Otto fiel vom Pferd und
floh von Flandern zurück nach Braunschweig.
Klar, wer ihn zum Stadtwerbeträger machen will, wird auf Ottos
Unglücksfälle nicht so dringlich hinweisen. Und sich freuen, dass es in
Deutschland - anders als in Frankreich - die Tradition nicht gibt,
Herrschern Beinamen nach ihren tatsächlichen Fähigkeiten zu verleihen. Also
auch despektierliche wie beispielsweise "der Stammler", "der Nichtstuer"
oder schlicht: "der Irre". In Deutschland hingegen werden Könige und Kaiser
entweder für groß erklärt oder brav durchnumeriert. Sodass auch für den
läppischsten Potentaten eine personenzentrierte Großausstellung denkbar
bleibt. "Otto IV.", heißt sie, Eröffnung ist am 8. August, gezeigt werden
Reliquien wie der Original-Kaisermantel, und der Gimmick-Verkauf läuft
bereits.
Jämmerlich allerdings war Otto durchaus und nicht nur wegen seines
Schlachten-Unglücks. Denn das hat Ursachen. Der Welfe hatte von seinem
bedeutenden Vater Machtgier und Brutalität durchaus geerbt. Bloß nicht die
Intelligenz. Dass er überhaupt als König in Betracht kam, lag einerseits
daran, dass der auf Sizilien lebende Friedrich noch ein Kind war, und
Richard Löwenherz mit dessen Großvater und dem Vater des naheliegenderen
Bewerbers, Philipp von Schwaben, noch eine Rechnung offen hatte.
Andererseits fanden die Kleinfürsten undPapst Innozenz III. einen schwachen
deutschen Gesamtherrscher im Grunde eine prima Sache: "Das Schwert, das wir
geschmiedet haben", nennt der Papst ihn - Marionetten gab es eben noch
nicht.
Seinen Machtanspruch durchsetzen konnte der Welfe trotzdem nicht: Das
gelang erst, nachdem Gegenkönig Philipp ermordet worden war, und er selbst
sich mit dessen zehnjähriger Tochter Beatrix verlobte - auf dringende
Empfehlung der ihm verbundenen Fürsten. Als die am 22. Juli 1212, gerade
mal drei Wochen nach der Heirat in Nordhorn, unter ungeklärten Umständen
starb, war das auch das Ende seiner Macht: Die verbliebenen staufischen
Hofbeamten schlossen sich dem erst 18-jährigen Friedrich II. an. Den hatte
der Papst 1211 zum Gegenkaiser gesalbt. Weil Otto in einer ersten
Amtshandlung den Vatikan, seinen wichtigsten Verbündeten, mit Krieg bedroht
hatte.
Treue bewahrte Otto allein England, wo er aufgewachsen war, und das, unter
Johann Ohneland, im Zenit seiner Ohnmacht stand. Nach der Schlacht von
Bouvines zog sich Otto ganz ins Braunschweigische zurück.
Dort umgab er sich mit mittelmäßigen Schleimern wie Gervasius von Tilbury:
Der drechselte ihm für den winterlichen Hausgebrauch eine Weltgeschichte.
Nicht einmal in der aber spielt Otto eine große Rolle. Die Großausstellung
nimmt sich aus als wollten Tilburys Erben nun diesen Makel tilgen.
15 Jul 2009
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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Minnesang: Das Ziel ist absolute Innigkeit
Holger Schäfer suchte in der Musik Spiritualität und Gemeinschaft - und
fand den Minnesang. Zum 800. Jahrestag der Kaiserkrönung Ottos IV. singt
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