# taz.de -- Europas Milchbauern verzweifeln: Nichts ist in Butter | |
> Auf Preisverfall antwortet die EU-Kommission mit einem Flickenteppich aus | |
> Subventionen. Molkereien und Handel droht sie Kartellverfahren an. | |
Bild: Der Preisverfall von Milch geht weiter: Bald lohnen nicht mal mehr vier K… | |
BRÜSSEL taz | Die verzweifelte Lage der europäischen Milchbauern bringt | |
Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel um den Schlaf. Das verriet | |
sie gestern in Brüssel, als sie den von den Mitgliedsstaaten angeforderten | |
Bericht zur Lage auf dem Milchmarkt vorstellte. Mit welchen Instrumenten | |
sie den Bauern helfen will, deutete die Dänin nur recht vage an. Insgesamt | |
seien Beihilfen, Kredite und Ausgleichszahlungen von 600 Millionen Euro | |
geplant. Klipp und klar sagte Fischer Boel, was sie nicht tun wird: Die | |
Produktionsbeschränkung für Milch wieder einführen. Seit vergangenem Jahr | |
steigt die Milchquote in der EU jährlich um ein Prozent und soll 2015 ganz | |
auslaufen. | |
Dagegen laufen die Milchbauern Sturm. Erst letzte Woche demonstrierten sie | |
wieder vor dem Europaparlament in Straßburg. Auch | |
Entwicklungsorganisationen wie Oxfam machen sich für die Quote stark. Sie | |
fürchten, dass durch den Wegfall der Produktionsbeschränkung in der EU der | |
Weltmarktpreis weiter verfallen könnte. | |
Während Fischer Boel gestern vorrechnete, die Milchproduktion in der EU sei | |
aufgrund der Krise zurückgegangen und liege derzeit 4,2 Prozent unter der | |
erlaubten Quote, kommt Oxfam zu einem anderen Ergebnis. "Richtig ist, dass | |
das derzeitige Missverhältnis von Angebot und Nachfrage in der EU auf eine | |
gestiegene Milchproduktion UND eine gesunkene Nachfrage zurückzuführen | |
ist", heißt es in einer Marktanalyse der Organisation. Zwischen 2007 und | |
2008 sei die Produktion in Europa um 1,5 Millionen Tonnen gestiegen. | |
Die Kommission räumt in ihrem Bericht selber ein, dass sie Milch vom Markt | |
nimmt, um den Preisverfall zu stoppen. In diesem Jahr wurden bereits | |
Beihilfen für die private Einlagerung von 105.800 Tonnen Butter gezahlt. | |
81.900 Tonnen Butter wurden aufgekauft, das sind 8 Prozent der zwischen | |
Januar und Juni in der EU produzierten Menge. Die Kommission kaufte 43,5 | |
Prozent des gesamten Magermilchpulvers, das entspricht 231.000 Tonnen. | |
Gemessen am gesamten Milchmarkt sind die Mengen dennoch gering. Für 81.900 | |
Tonnen Butter braucht man nur 1,1 Prozent der in der EU produzierten | |
Milchmenge. | |
Die Kommission glaubt nicht, dass sich der Preis im kommenden Jahr erholen | |
wird. Doch die mittelfristigen Aussichten seien positiv, "da die | |
letztendlich eintretende wirtschaftliche Erholung dazu beitragen dürfte, | |
die Nachfrage nach Milcherzeugnissen zu steigern." Ein Mix aus | |
Überbrückungszahlungen soll den Bauernauern helfen, diese Phase zu | |
überstehen. So könnten die EU-Staaten Beihilfen für besonders bedrohte | |
Betriebe einführen. Auch Kredite in der Größenordnung von 15.000 Euro seien | |
denkbar, ähnlich den Sonderkrediten für Unternehmen, die besonders unter | |
der Wirtschaftskrise leiden. | |
Den Vorschlag des Deutschen Bauernverbandes, eine Schlachtprämie für | |
Milchkühe zu zahlen und dadurch die Produktion zu drosseln, lehnt Fischer | |
Boel ab. Zum einen sei das Agrarbudget bereits ausgeschöpft. "Wie sollen | |
wir dem europäischen Steuerzahler erklären, dass wir sein Geld ausgeben, um | |
völlig gesunde Tiere zu töten?" Zum zweiten würden dann die Fleischpreise | |
verfallen. | |
Stattdessen droht Brüssel dem Zwischenhandel. Am Preiskampf verdienten mal | |
die Großhändler, mal die Molkereien. Doch die Bauern seien die Verlierer. | |
Obwohl sich der Erzeugerpreis seit 2007 fast halbiert habe, seien die | |
Preise für Frischmilch, Butter oder Käse im Supermarkt nur wenig gefallen. | |
Die EU-Kommission fahndet nun nach Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht. | |
23 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Daniela Weingärtner | |
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