# taz.de -- die wahrheit: In der Schaumschlägerei | |
> Heruntergekommene Berufe – Heute: Der Fußballlehrer (der Kropf). | |
Bild: Manchmal steht der Trainer ganz allein auf dem Platz und weiß nicht mehr… | |
"Der Ball ist rund", "Der nächste Gegner ist immer der schwerste", "Nach | |
dem Spiel ist vor dem Spiel" - mit solchen Banalitäten brachte es der | |
Fußballlehrer Josef Herberger zum Weltphilosophen. Das war in jenen | |
mythischen Zeiten, als die Menschen noch an Wunder glaubten, die | |
Spielstätten "Waldstadion" und nicht "Commerzbank Arena" hießen und eine | |
ruhmreiche Spielerkarriere in der eigenen Lottoannahmestelle ihren | |
krönenden Abschluss fand. | |
Den Gipfel erklomm das Gewerbe aber erst im Pliozän des Profitums. Damals | |
regierten Autokraten wie Helenio Herrera, "der Sklaventreiber vom Rio de la | |
Plata", oder Max "Zampano" Merkel nach Art des promillegehärteten | |
Bankdrückers "Fernet-Branko" Zebec. Wenn der Jugo sagte, "das Tischtuch ist | |
grün, dann ist es grün. Auch wenn es blau ist!" (Gerd Müller). Seitdem ist | |
der Beruf ziemlich auf den Hund gekommen. Was man schon daran merkt, dass | |
dem modernen Fußballtrainer kindische Beinamen anhaften, welche die | |
verdruckste Banalität seines Wirkens trefflich zum Ausdruck bringen. "Jogi" | |
(Löw), "Kloppo" (Klopp) oder "Quälix" (Magath). | |
Der Fußballfreund kann diese Entwicklung nur begrüßen. Stutzt sie doch den | |
Trainer endlich auf ein Maß, das dieser Berufsgruppe zukommt. Denn in | |
keiner anderen Zunft hat eine mit Millionengagen gepflasterte | |
Schaumschlägerei ein so großes Reservoir an Inkompetenzlern hervorgebracht. | |
Am schlimmsten ist, dass sich diese Rotte von Tunichtguten mit dem | |
Wiederkäuen des obskursten erkenntnistheoretischen Larifaris mühelos über | |
Wasser halten kann. | |
Prototyp Ralf Rangnick, von Reportern gern als "Fußballprofessor" | |
tituliert, sondert dann Weisheiten wie diese ab: "Mit einer Mannschaft, in | |
der sechs oder sieben Spieler nur 1,80 Meter oder kleiner sind, kann man | |
international und auch national nicht mehr erfolgreich sein." Vier Monate | |
später demontierten elf spanische Gnome Jogis deutsche Kickergarde und | |
wurden Europameister. | |
Wenn solche "Experten" ihre Phrasentüten öffnen, regnet es saisonal | |
wechselnde Innovationen wie "Raute", "doppelter Sechser" und "totaler | |
Fußball". Das ist schieres Blendwerk, weil: alles schon mal da gewesen. | |
Denn was wir heute Taktik nennen, beruht im Kern auf den Erkenntnissen | |
eines tatsächlich genialen Trainerquartetts. | |
Den totalen Fußball, den betrügerischerweise erst Schalke mit seinem | |
Kreisel, später Ajax Amsterdam für sich reklamierte, erfand Anfang der | |
Dreißigerjahre ein Österreicher namens Hugo Meisl, in dem er das ebenfalls | |
revolutionäre WM-System des Arsenal-Trainers Herbert Chapman | |
flexibilisierte. Aus der Werkstatt Karl Rappans stammt der "Schweizer | |
Riegel". Die Betontaktik hieß in Italien "Catenaccio" und wird heute in | |
etlichen Abarten praktiziert. Das brasilianische 4-2-4, Grundlage des | |
modernen Offensivspiels, ist eine Kreation des Ungarn Béla Guttmann. Er | |
brachte den kontrollierten Hurrafußball 1957 nach São Paulo, wo ihn | |
Nationaltrainer Vicente Feola übernahm und mit der Raumdeckung kombinierte. | |
So wurde Brasilien 1958 Weltmeister. | |
Feola war auch der erste, der im Vorfeld der WM einen Psychologen auf seine | |
Spieler losließ. Der Seelenklempner empfahl sowohl Pele ("zu infantil") als | |
auch Garrincha ("ungeeignet für Drucksituationen") aus dem Team zu | |
streichen. Feolas Antwort sollte sich die Gilde hinter die Ohren schreiben: | |
"Vielleicht haben Sie Recht. Aber leider verstehen Sie nichts von Fußball." | |
Damit hätte dieser Irrweg hier eigentlich zu Ende sein müssen. Doch dann | |
kam ein Quacksalber wie Christoph Daum, der 1999 einen "Motivationsguru" | |
anheuerte, um den ewigen Zweiten Leverkusen endlich zum Meister zu machen. | |
Fortan mussten die Spieler vor jedem Training ein "Autosuggestions"-Mantra | |
brüllen: "Ich schaffe es, du schaffst es, wir schaffen es!" Am Ende waren | |
sie wieder Vizemeister. | |
Die Wahrheit ist: Die Trainerzunft samt ihrem pseudowissenschaftlichen | |
Budenzauber wird überschätzt. Oder, um mit Max Merkel zu reden: Die großen | |
Bayern "mit Beckenbauer, Maier, Müller hätte auch ein Besenstiel trainieren | |
können". Merkel übrigens hat monatelang versucht den | |
München-60-Schluckspechten um Goalgetter Rudi Brunnenmeier das Saufen | |
abzugewöhnen. Bis er die Stammgäste der Kneipe "Zwickmühle" gegen die | |
Abstinenzler spielen ließ. Die Alkoholiker gewannen acht zu eins. "Do hob i | |
gsagt: Saufts weiter!" So viel zum Fitnessfirlefanz. | |
Andersherum wäre eine Nulpentruppe wie Tasmania Berlin, die mit 15 zu 108 | |
Toren schlechtester Bundesligist aller Zeiten ist, auch nicht von einem | |
Trainerkollektiv zu retten gewesen, das aus Menotti, Cruyff und dem | |
Fußballgott persönlich bestanden hätte. | |
Fazit: Fehlt das spielerische Potenzial tritt das Übungsleitergrundgesetz | |
in Kraft: "Es ist das Schicksal aller Trainer, früher oder später mit | |
Tomaten beworfen zu werden", sagte der große Dino Zoff. MICHAEL QUASTHOFF | |
24 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Michael Quasthoff | |
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Fußball | |
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