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# taz.de -- Räumung des Rechtsextremen-Hotels: Nazis müssen erst mal gehen
> Das von Neonazis besetzte Landhaus Gerhus ist geräumt. Das Landgericht
> Lüneburg gab einem Antrag des Zwangsverwalters in der einstweiligen
> Verfügung statt.
Bild: Wird wohl doch kein rechtsextremes Schulungszentrum: Das Hotel Gerhus in …
LÜNEBURG taz | Das von Neonazis besetzte Landhaus Gerhus in Faßberg ist
geräumt. Am Dienstagmorgen hatte das Landgericht Lüneburg in einer
einstweiligen Verfügung einem Antrag des eingesetzten Zwangsverwalters Jens
Wilhelm auf Räumung stattgegeben. Die rechtsradikalen Besetzer, die zur
"Kameradschaft 73 Celle" gehören, hatten sich am 17. Juli im Auftrag des
Anwalts und Immobilienpächters Jürgen Rieger durch das Aufbohren der
Türschlösser Zutritt verschafft und das Landhaus seither besetzt gehalten.
Rieger ist stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD. Er habe mit dieser
Aktion "verbotene Eigenmacht" ausgeübt, begründete die Vorsitzende
Richterin Angelika Maiß ihr Urteil.
Die Verhandlung am Dienstag vor der 3. Zivilkammer in Lüneburg fand unter
strengen Sicherheitsmaßnahmen statt. "Kein Nazizentrum in Faßberg"
forderten Anwohner vor dem Landgericht. Nachdem Wilhelms Anwalt, Daniel
Rosandic-Bruns, den verbliebenen Besetzern am Dienstag den Räumungsbefehl
überreicht hatte, verließen diese das ehemalige Hotel friedlich.
Rosandic-Bruns teilte mit, das Hotel werde von nun an von privaten
Sicherheitsuntermehmen bewacht. Sollte jemand das Grundstück betreten,
gelte dies als Hausfriedensbruch.
Vor der 3. Zivilkammer wurde nicht über die Rechtmäßigkeit des von Rieger
vorgelegten Pachtvertrags verhandelt. "Hier wird keine endgültige Regelung
getroffen", betonte Richterin Maiß bei der Urteilsbegründung. Die Kammer
entschied also nicht über die Zukunft eines möglichen Neonazizentrums in
Faßberg.
Gut vier Stunden vor der Verhandlung hatten Sondereinsatzkräfte der Polizei
noch das Gelände gestürmt und nach Waffen gesucht. Bei der Razzia
entdeckten die Beamten jedoch keine funktionsfähigen Schusswaffen, stellten
aber Pfefferspray, einen Teleskopschlagstock und mehrere Waffenattrappen
sicher. Gleichzeitig durchsuchten Beamte in Hannover und Rotenburg (Wümme)
Wohnungen von Neonazis, die sich im Landhaus aufgehalten haben sollen. Bei
ihnen stellten sie mehrere Schreckschusswaffen, ein Butterflymesser und
einen Schlagring sicher.
Einen Tag bevor der Zwangsverwalter Jens Wilhelm die Immobilie per Gericht
übernommen hatte will Jürgen Rieger mit der Eigentümerfamilie Hennies einen
Pachtvertrag abgeschlossen haben. Vertraglich wurde ein Betrag von 600 Euro
monatlich für zehn Jahre vereinbart. Ausstehende Kosten für Versicherungen
von 4.000 Euro hat Rieger auch gleich gedeckt. Ein Wohnrecht der
Eigentümerin wurde ebenfalls festgelegt.
"Das ist alles ganz rechtens", sagte Riegers Anwalt der taz. Wilhelms
Anwalt Rosandic-Bruns hielt dagegen: "Schon der Pachtzins ist
sittenwidrig." Alleine der geschätzte Verkehrsweg liege bei 950.000 Euro,
da sei der niedrige Pachtzins schon auffällig. "Sie würden sich doch auch
wundern, wenn sie einen Porsche für monatlich 100 Euro mieten könnten",
meinte Rosandic-Bruns.
Vor Gericht hatte Riegers Anwalt, ausgehend vom Pachtvertrag, versucht
darzulegen, dass sein Mandant rechtens gehandelt hätte. Um seinen Besitz zu
sichern seien die Schlösser geöffnet und der Bezug ermöglicht worden. Diese
Rechtsmöglichkeit durfte Rieger aber nicht für sich in Anspruch nehmen, so
die Vorsitzende Richterin, denn dieses Recht bedingt, dass wesentlich
zeitnaher gehandelt wird. Doch Rieger habe erst lange nachdem er bei dem
Zwangsverwalter auf seinen Besitz pochte gehandelt, sagte Maiß. Daniel
Rosandic-Bruns, der juristische Vertreter des Zwangsverwalters, wurde
deutlicher: "Herr Rieger scheint zu glauben, was er denkt, ist rechtens.
Das ist aber Selbstjustiz."
Im Gerichtssaal war die Reaktion der Anwohner verhalten. "Die Entscheidung
erfreut schon, gerade nach den Schüssen", sagte Anna Jander, die die
täglichen Mahnwachen vor dem Landhaus mitorganisiert hat. "Aber ein
Wiedereinzug ist ja noch lange nicht ausgeschlossen", betonte sie und
versicherte: "Wir werden Herrn Rieger nicht einfach machen lassen."
4 Aug 2009
## AUTOREN
Andreas Speit
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