# taz.de -- Designerin Laverrière in Baden-Baden: Moderne Anmutungen im Raum | |
> Die Ausstellung "Entre deux actes - Loge de comédienne" in der Kunsthalle | |
> Baden-Baden verfolgt aktuelle Anknüpfungspunkte von Kunst und Design. | |
Bild: Garderobe einer Schauspielerin- die Architektin und Designerin Laverrièr… | |
Das Café im Foyer provoziert das erste Déjà-vu. Ein rundherum gestreifter | |
Raum in ähnlicher Ausstattung war jüngst auf der Biennale in Venedig zu | |
sehen gewesen. Tobias Rehberger erhielt dafür den Goldenen Löwen. Für die | |
Neuinstallation ergänzte er den Titel seiner preisgekrönten Cafeteria "Was | |
du liebst, bringt dich auch zum Weinen" nur um ein diskret in Klammern | |
gesetztes "franchised". Auch nahezu alle weiteren jeweils einem Künstler | |
gewidmeten Räume in der Ausstellung "Entre deux actes - Loge de comédienne" | |
in der Kunsthalle Baden-Baden sind bereits in anderen Kontexten gezeigt | |
worden. | |
Ausgangspunkt der Ausstellung ist die Garderobe einer Schauspielerin, | |
einstmals eingerichtet von der inzwischen 100-jährigen Designerin Janette | |
Laverrière. Gemeinsam mit der iranischen Künstlerin Nairy Baghramian, mit | |
der sie bereits auf der 5. Berlin Biennale erfolgreich kooperierte, hat sie | |
nun ihr 1947 entstandenes Interieur aktualisiert. | |
Mit ihm hatte die ausgebildete Innenarchitektin, die auf Messen stets in | |
abgeschiedene Ecken verbannt wurde, damals einen Skandal verursacht. | |
Laverrière stellte dem Fachpublikum, das repräsentative Ausstattungen | |
erwartete, die ephemere Einrichtung eines untergeordneten Funktionsraums im | |
Theater vor und widmete sie überdies einer konkreten Person. Die auf einem | |
alten Foto sichtbaren Accessoires wie zwei verschlungene Vasen oder | |
Urlaubsfotos an der Wand lassen das innige Verhältnis zwischen Gestalterin | |
und Klientin augenfällig werden. | |
In ihrer jetzigen Form wird die in der Kunsthalle aufgebaute Installation | |
durch das Weglassen alles Schmückenden auf das Wesentliche reduziert und | |
ist nunmehr Gestaltung ganz im Duktus der Moderne: Funktional und sichtbar | |
zusammengefügte Möbelstücke, deren ästhetischer Gewinn allein in der | |
Eleganz ihrer verknappten Formen liegt. Die vormals durch die persönlich | |
geprägten Objekte anwesende Schauspielerin wird nun durch Aktfotos ersetzt, | |
die von dem Turiner Architekten Carlo Mollino (1905-1973) stammen. Anstelle | |
erotisch geformter Möbel, zwischen denen er einst die Nackten inszenierte, | |
hat Baghramian bizarre Bilderrahmen gesetzt, in die sie die Fotos drapiert. | |
Sinnliche Atmosphäre | |
Nonchalant wendet der räumliche Ausgangspunkt der Theatergarderobe die | |
Atmosphäre auch bei den übrigen Kunstwerken ins Sinnliche - wie etwa bei | |
der Raum-in-Raum-Architektur "Jean Cocteau" von Marc Camille Chaimowicz, | |
die seit 2003 in wechselnden Konstellationen gezeigt wurde. Der Hommage an | |
den französischen Dichter und Regisseur werden in Baden-Baden | |
seelenverwandte Werke von Gegenwartskünstlern wie Enrico David und Paulina | |
Olowska einverleibt. Dazu beschwört Chaimowicz in seinem fiktiven | |
Interrieur mit einer Hard-Core-Zeichnung von Tom of Finland und allerlei | |
anderem erotisch aufgeladenen Tinnef die legendäre Bisexualität Cocteaus. | |
Weitere Fetische, Objekte aus schwarzem Gummi, stehen im Raum von Fischli & | |
Weiß und verströmen einen satten Eigengeruch. Martin Kippenbergers "Gut | |
ausgeleuchtete vorweihnachtliche Ausstellung an der Leopoldstraße" scheint | |
ausgiebig erlebten Rauschzuständen zu entspringen, was nicht nur die | |
"Laterne an Betrunkene" belegt. Die Installation ist übrigens eine | |
Wiederkehr für die Kunsthallenleiterin Karola Kraus, zeigte sie doch die | |
Ansammlung deformierter Straßenlaternen 1991 in dem von ihr in München - | |
damals unter ihrem Mädchennamen Grässlin - betriebenen Kunstraum Daxer. | |
Die Moderne, auf die auch die weiteren Raumkonzepte von Richard | |
Artschwager, Cosima von Bonin und Franz West referieren, wird also zum | |
Aufhänger für sinnliche Erfahrungen, sei es in Beziehungen, sei es in der | |
Hommage an bekannte oder betrunkene Künstler. Das gilt auch für die Marilyn | |
Monroe gewidmete Skulptur "Ghost Wardrobe" von Claes Oldenburg, wo auf | |
paradoxe Weise schlaff hängende, geradezu skelettierte Kleidungsstücke an | |
die üppige Erotik des Stars erinnern. Doch erst durch das Interview mit | |
Jeanne Laverrière im Katalog wird einem wirklich bewusst, welche Stärke und | |
Rebellion einst moderner Gestaltung innewohnte. Und welche Sinnlichkeit - | |
die ihr doch so gern abgesprochen wird. | |
Mit 100 Jahren ist Jeanette Laverrière auf dem Höhepunkt ihrer Renaissance. | |
Demnächst werden im Centre Pompidou Küchenobjekte von ihr gezeigt. Und sie, | |
eine sehr wache und altersschöne Erscheinung, verfolgt noch immer aktuelle | |
Ideen, zum Beispiel eine Installation zu D. H. Lawrences "Lady Chatterleys | |
Lover". "Vielleicht kommt hier der Mann ins Spiel," meint eine sichtlich | |
entspannte Laverrière bei der Eröffnung in Baden-Baden, "als ein nützliches | |
Objekt." | |
25 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Michael Kasiske | |
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Ausstellung | |
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