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# taz.de -- Werften: Neue Wege auf der Werft
> Nach der Beinahe-Pleite setzt die Hamburger Traditionswerft Sietas auf
> eine revolutionierte Bauweise im Schiffbau. Dabei werden industrielle
> Strategien aus dem Flugzeugbau eingesetzt, die die Bauzeit eines Schiffes
> halbieren und die Finanzierung erleichtern. Ein Besuch auf der Werft
Bild: Wie nur sollen die Schiffe in die Elbe kommen? Das Hafenbecken vor der We…
Das Jahr 2008 war kein gutes Jahr für die Traditionswerft Sietas in
Hamburg-Neuenfelde. "Wir sind von einer Welle von 14 Stornierungen
überschwemmt worden", sagt Produktionsleiter John Ölkers. Sietas stand kurz
vor dem Aus. Doch seit März dieses Jahres haben Rüdiger Fuchs und Rüdiger
Wolf von Hinrich Sietas das Management des 374 Jahre alten
Schiffbaubetriebes übernommen, der bislang von der Sietas-Familie geführt
worden ist.
Und nach einer konzertierten Aktion von Management, Anteilseigner,
Belegschaft, IG Metall und Politik sowie einem "neuen unternehmerischen
Konzept", in das Manager Fuchs seine Erfahrungen vom Flugzeugbauer Airbus
einfließen ließ, gibt es nach nur 160 Tagen auf der Werft wieder eine
Perspektive. "14 Schiffe in der Krise zu verlieren, ist schon ein Hammer",
sagt Fuchs. "Jetzt gibt es einen Neuanfang - wir haben noch viel vor uns,
sind aber auf einem guten Weg."
Kern des neuen Konzeptes ist der "Kurswechsel" vom traditionellen
Schiffbaubetrieb zu einer "modernen industriellen Werft für
Spezialschiffe". Vor gut einer Woche sei das letzte Containerschiff - der
Selbstentlade-Bulker "Beltnes" - "nach alter Bauart ausgeliefert worden",
sagt Fuchs. "Die ersten acht Sektionen eines weiteren Selbstentlade-Bulkers
werden bereits heute nach dem neuen industriellen Schiffbaukonzept
gefertigt."
Die neue Sietas-Zauberformel ist die "Parallelisierung von
Produktionsabläufen". Früher sei der Rumpf eines Schiffes systematisch
Segment für Segment im Dock zusammengebaut und mit Farbe konserviert
worden. Dann sei das Schiff im Wasser am Ausrüstungskai ausgestattet
worden. "Dann, wenn alles schon zugebaut war", sagt Fuchs. Nun werden große
Sektionen des Schiffes bereits in der Schiffbauhalle zusammengeschweißt und
währenddessen innen ausgerüstet und konserviert. "Die Bedingungen sind
besser, weil alles noch zugänglich ist", sagt Fuchs. Erst dann werden die
bis zu 450 Tonnen schweren Sektionen zugemacht, mit dem Kran ins Dock
gehievt und zusammengeschweißt, bevor das Schiff am Ausrüstungskai den
Feinschliff erhält. "Alles, was wir früher an Bord gemacht haben, machen
wir jetzt in der Schiffbauhalle", erklärt Produktionsleiter Ölkers die
revolutionierte Bauweise und zeigt dabei auf einen 300 Tonnen Stahl-Torso
in der offenen Halle, in dem innen Rohre zu sehen sind. "Jeder Fachmann
muss natürlich das Gleiche machen wie früher", ergänzt Ölkers. "Nur an
einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit." So würde überflüssige
Doppelarbeit vermieden. Es sei vorgekommen, dass die Malerarbeiten bereits
abgeschlossen waren, so Ölkers, aber der Schweißer bei der Installation von
Rohren alles wieder verbrannt hat. Selbst die Verkabelung in den einzelnen
Modulen erfolgt schon in der Schiffbauhalle. "Lediglich nautische Kabel,
die durchs ganze Schiff gehen, dürfen nach den Normen nicht getrennt
werden", sagt Ölkers. Sie müssten nach der Fertigstellung des Rohbaus am
Ausrüstungskai eingezogen werden.
Diese Parallelarbeit, "die die Chinesen auch ausprobieren, aber damit nicht
klar kommen", grinst Ölkers, bedeutet für Sietas jedoch nicht nur verkürzte
Durchlaufzeiten und höhere Produktivität, sondern hat den Nebeneffekt
"einer "Halbierung der Finanzierung", sagt der kaufmännische
Geschäftsführer Rüdiger Wolf. Denn für den Bau eines Schiffes muss die
Werft bei einer Bank Kredite aufnehmen - halbiert sich die Bauzeit,
reduzieren sich auch schneller die "Schulden" bei der Bank.
Überhaupt haben Fuchs und Wolf bei der Umstrukturierung der Sietas-Werft
die "Qualität des Orderbuches" unter die Lupe genommen, um ein Desaster wie
im vorigen Jahr künftig zu vermeiden. In Asien sei bei Schiffsbestellungen
20 Prozent Anzahlung der Reeder üblich, bei einer Stornierung werde das
Geld einbehalten. "Das war in Europa anders", sagt Wolf. Daher werde Sietas
künftig auf "verbindliche Verträge" pochen, so Wolf, "wo die Finanzierung
sicher ist, und das Schiff auch abgenommen wird."
Das Umstrukturierungskonzept hat Politik, Belegschaft und IG Metall
offenkundig überzeugt. So konnte Sietas vor wenigen Wochen neben den
georderten fünf Spezial-Schiffneubauten und den Bau von
Kreuzfahrtschiff-Segmenten für die Meyer-Werft in Papenburg auch noch einen
Super-Auftrag an Land ziehen - den Bau von zwei hochmoderne
Schwergutfrachtern im Wert von 120 Millionen Euro - die größten und
modernsten Heavy Lifter auf der Welt.
34 Millionen Euro Ausfallbürgschaft für Kredite gewährte daraufhin die
Stadt Hamburg, der Bund stellte weitere 26 Millionen Euro bereit. "Die
Stadt steht zu ihrem Engagement", sagt Wirtschaftssenator Axel Gedaschko.
Und auch die IG Metall Küste willigte in ein Abkommen zur "Neuausrichtung
der Sietas-Werft" ein, von der der Deutsche Schiffbau lernen könnte. Das
Abkommen sieht zwar den Abbau von 242 der knapp 1.000 Jobs auf der Werft
und den "schmerzhaften Verzicht" auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld vor.
Anderseits hat die Geschäftsführung der IG Metall aber eine
Beschäftigungssicherung bis 2012 gegeben und die Zusage gemacht, 15
Auszubildende einzustellen und nach der Lehre unbefristet zu übernehmen.
"Damit zeigt das Unternehmen, dass es nicht auf kurzfristige Rendite
setzt", sagt Daniel Friedrich, Tarifsekretär der IG Metall Küste, "sondern
eine langfristige Wachstumsstrategie hat."
24 Aug 2009
## AUTOREN
Kai von Appen
Kai von Appen
## TAGS
Insolvenz
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