Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Centro sociale: Da waren's nur noch zwei
> Das Kulturhaus 73 hat seine Bewerbung um den Pferdeausspannstall im
> Karoviertel zurückgezogen. Der Druck aus der linken Szene war zu stark.
Bild: Tina Fritsche, Sprecherin vom Centro sociale, sammelt Spenden mit einer e…
Die Chancen des links-alternativen Stadtteilzentrums "Centro sociale", in
dem ehemaligen "Hunde- und Pferdeausspannstall" im Karoviertel bleiben zu
können, sind gestiegen. Ihr schärfster Mitbewerber, der Kulturveranstalter
"Kulturhaus 73", hat sich aus dem offiziellen Wettbewerb um die Immobilie
zurückgezogen. "Wir haben an den Bezirk Mitte geschrieben, dass wir unsere
Bewerbung nicht weiter verfolgen, das stimmt", sagt Kulturhaus-Sprecher
Philipp Müller.
Damit geht eine Geschichte zu Ende, bei der die Macher vom Kulturhaus 73
einiges über die Mechanismen des Schanzenviertels gelernt haben dürften.
Kaum wurde bekannt, dass sie sich an dem Wettbewerb beteiligen wollten,
quoll das Gästebuch des Kulturhauses über von Kommentaren, in denen die
Macher um Falk Hocquél unter anderem als "Blutegel am schon ziemlich
abgelutschten Schulterblatt" bezeichnet wurden.
Das Internetradio Byte FM, mit dem zusammen sich die Kulturhaus-Leute
beworben hatten, sprang ab. "Byte FM möchte einen Konflikt mit den
derzeitigen Betreibern vermeiden und nimmt mit sofortiger Wirkung Abstand
vom geplanten Vorhaben", hieß es in der offiziellen Erklärung zum Rückzug.
Und der Musikclub Knust, direkter Nachbar des Centro sociale, ließ
erklären, eine gemeinsame Bewerbung habe es nie gegeben.
Gleichzeitig bekam die Genossenschaft "St. Pauli Nord und rundum", die
hinter dem Centro sociale steht, immer mehr Mitglieder, und die Liste der
UnterstützerInnen wurde länger und länger: Die Grauen Panther Hamburg, die
Lesbisch Schwulen Filmtage, alle sind dafür, dass das Centro den Zuschlag
bekommt.
Die Alsterarbeit, einer der bis dahin verbliebenen Bewerber, zog sich mit
einer offiziellen Erklärung zurück, sie wolle "dieses noch recht junge
engagierte Stadtteil-Projekt" nicht gefährden. Doch das Kulturhaus 73
zögerte. Wenn das Centro dies wünsche, werde man die Bewerbung
zurückziehen, doch bis dahin sei keine Eile geboten, hieß es in einer
Erklärung. "Es liegt allein an der Genossenschaft sich zu entscheiden, ob
wir zurückziehen sollen oder nicht."
Publiziert wurde diese Äußerung ironischerweise auf den Seiten des
Online-Forums "Centro sociale bleibt", auf die sich die Diskussion
verlagert hatte, nachdem das Kulturhaus 73, dies eine weitere
Ungeschicklichkeit, die Beschimfungen in seinem eigenen Gästebuch gelöscht
hatte. Das Konzept von Falk Hocquél wäre gewesen, mit benachbarten
Buchhandlungen Lesungen zu organisieren. Radio Byte Fm hätte ein gläsernes
Studio errichtet, in dem Kurse im Radiomachen angeboten worden wären.
Anders als im Kulturhaus 73, wo die Wochendparties das Geld für die
Kulturveranstaltungen unter der Woche einspielen, hätte es Musik "nur
unplugged" gegeben, sagte Hocquél, eine weitere "Partyisierung" der Schanze
sei mithin nicht zu befürchten.
Doch da hatten sich die Fronten bereits verhärtet. Das Kulturhaus 73 könne
doch in die Genossenschaft St. Pauli Nord einsteigen, schlugen die
Aktivisten vom Centro sociale vor. Auf den Seiten des Online Forums "Centro
sociale bleibt", hinter der eigenen Angaben zufolge die "sympathisierende
Nachbarschaft" steckt, kochten alte Vorwürfe aus Hocquéls AStA-Zeit hoch,
in der er mit der Pony-Bar einen ersten Club eröffnet hatte. Der
Kulturmacher, der aus der Bürgerbewegung Ost kommt, verfolge kommerzielle
Interessen, hieß es dort.
Hocquél und seine Mitgesellschafter haben das immer bestritten. Ihnen gehe
es darum, ein Kulturangebot zu etablieren, das sich ohne Subventionen
selbst trage, mit Gewinn sei da nicht viel. "Was denken die eigentlich",
sagte Hocquél bei einem Gespräch im Juli des Jahres. Er selbst fahre
Fahrrad, wie fast alle seine Mitstreiter.
Von Beginn an war das Kulturhaus 73 in der Schanze unfreundlich empfangen
worden. Die benachbarte Rote Flora gab eine Grundsatzerklärung heraus, in
der Hocquél und seinen Mitstreitern vorgeworfen wurde, sie trieben die
Schickisierung des Schanzenviertels voran.
Das war vor drei Jahren, danach wurde es ruhiger - bis jetzt, wo sich die
Kulturhausmacher als Agenten der Gentrifizierung dargestellt sehen. "Das
ist totaler Quatsch", schnaubt Hocquél. "Was wir machen, hält die
Gentrifizierung auf, wenn man mal von Strategien wie Straßenschlachten
absieht."
Von Anfang an hatte das Kulturhaus 73 dem Centro angeboten, seine Bewerbung
zurückzuziehen, sollten am Ende nur sie beide übrig bleiben. Bekäme dagegen
das Kulturhaus 73 den Zuschlag, könne man dem Centro Räume geben, so das
Angebot, von dem die Centro-Leute jedoch nichts wissen wollten. Man habe
über den Vorschlag diskutiert, bewerte den Wettbewerb und seinen möglichen
Ausgang jedoch "anders".
Die vom Kulturhaus 73 erbetene klare Aufforderung, sich aus dem Wettbewerb
zurückzuziehen, könne und wolle man jedoch nicht liefern. "Nichts für
ungut, aber diese Entscheidung können und wollen wir euch nicht abnehmen."
- "Das könnte als unangemessene Einflussnahme verstanden werden", sagt
Centro-Sprecherin Tina Fritsche.
Nun hat das Fingerhakeln ein Ende: "Wir akzeptieren Eure abweichende
Meinung in Bezug auf die Chancen und Risiken Eurer Bewerbung" heißt es in
einer Mail des Kulturhauses an das Centro sociale, die im Gästebuch des
Kulturhauses aufgetaucht ist. "Die Art und Weise, wie ihr im Verlauf der
letzten Monate andere potentielle und tatsächliche Bewerber und
Kooperationspartner weggebissen habt, lässt für uns nur den Schluss zu,
dass ihr es partout alleine versuchen wollt, auch wenn ihr euch nur
indirekt dazu äußert."
Wie das Bezirksamt Mitte, das den Wettbewerb ausrichtet, bestätigt, ist
außer dem Centro sociale nur noch der Beschäftigungsträger Arinet im
Rennen. Der war am gestrigen Dienstag für eine Stellungnahme nicht zu
erreichen.
8 Sep 2009
## AUTOREN
Daniel Wiese
Daniel Wiese
## TAGS
Stadtentwicklung Hamburg
## ARTIKEL ZUM THEMA
Unkommerzielles Projekt in bester Lage: Im Centro ist’s zu teuer
Das linke Zentrum in St. Pauli zahlt 4.000 Euro Monatsmiete. Die
Nutzer*innen verhandelten über einen neuen Vertrag, bis Corona
dazwischenkam.
Haus 73 fehlt das Geld: Das Ehrenamt solls richten
Das Haus 73 am Schulterblatt steht nach eigenen Angaben vor dem Aus und
will nun neu starten: Im Fokus soll künftig das Kulturprogramm stehen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.