# taz.de -- Kommentar Ressentiments gegen Roma: Wer die Bettelcodes verletzt | |
> Die osteuropäischen Roma sind von jeher die beispielhaft "fremden | |
> Fremden". Die Bettelverbote in vielen westeuropäischen Städten richten | |
> sich vor allem gegen Roma. | |
Wie schön, dass die Welt bunt ist, dass sich die Kulturen mischen: Kebap, | |
Sushi, Pizza, Weißwurst. Aber neben dem bekannten Fremden gibt es noch das | |
"fremde Fremde". Die osteuropäischen Roma sind von jeher die beispielhaft | |
"fremden Fremden". Die Praxis französischer Polizisten, Roma einen Stempel | |
auf den Unterarm zu drücken, sorgt jetzt für einige Empörung, wie zuvor | |
schon die Debatte über "Bettelverbote" in westeuropäischen Städten - die | |
richteten sich ja auch vornehmlich gegen Roma. | |
Im vertrauten Gespräch ist selbst vom gutmenschlichsten Menschenfreund zu | |
hören: "Aber die nerven auch wirklich." Es gibt kulturelle Codes, ein | |
"Gewusst, wie", das regelt, wie wir einander zu begegnen haben, im | |
privaten, im öffentlichen Raum, wie man Freunde begrüßt, mit fernen | |
Bekannten umgeht, wie nah man einem Unbekannten kommen darf. Und so gibt es | |
auch offenbar ungeschriebene kulturelle Gesetze, wie "man" bettelt: | |
Einigermaßen gewaschen und gekämmt sollte man dabei schon sein. Auch eher | |
sanft oder zumindest lustig. | |
Anderswo herrschen andere Codes, und wenn diese unterschiedlichen Codes | |
aufeinandertreffen, dann gibt es einen Clash der Kulturen. Keinen | |
lautstarken meist. Eher Gereiztheit. Im Zusammenhang mit den Roma hat sich | |
die Phrase vom "aggressiven Betteln" eingebürgert. Man will nicht | |
angesprochen werden. Man will nicht, dass die Bedürftigen ihre | |
Bedürftigkeit allzu ostentativ darstellen. Dies empfinden wir offenbar als | |
massive Übertretung. Wir fühlen uns erpresst, etwas zu geben, und werfen | |
den Bedürftigen noch das schlechte Gewissen vor, das wir haben, weil wir | |
nichts geben: Die sind schuld, dass ich mich jetzt auch schlecht fühle. | |
Dieses "Unwohlsein" lässt sich durch Rationalisierung bearbeiten. Die | |
beliebteste: Das sind ja Gangs, in denen Kinder gezwungen werden zu | |
betteln. Dann ist plötzlich nicht mehr eine soziale Realität schuld, die | |
ganze Ethnien in Chancenlosigkeit hält, sondern ein imaginierter Gangboss, | |
den zwar noch nie jemand gesehen hat, der aber prima zur Legitimierung von | |
Hartherzigkeit taugt. Übrigens: Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die | |
Bettelei auf irgendeine mafiaähnliche Weise "organisiert" ist. | |
Aber es ist eben verdammt schwer, nicht xenophob zu werden, wenn einen die | |
Fremden mit ihrem Elend und ihrem Fremdsein belästigen. | |
16 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Robert Misik | |
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