# taz.de -- Bankerboni auf dem G-20-Gipfel: Ans Eingemachte | |
> Die G 20 berät über den Finanzkapitalismus: Um kosmetische Korrekturen | |
> vorzunehmen oder um ihn zu bändigen? | |
Bild: Demonstration auf dem G-20-Gipfel in Pittsburgh. | |
BERLIN taz | Eine neue und unerwartete Erfahrung machte unlängst Wolfgang | |
Ziebart. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Chipherstellers Infineon | |
erhielt die Nachricht, dass sein letztes Gehalt und damit auch seine | |
Pension gekürzt werde. Die wirtschaftliche Situation der Firma habe sich | |
nach Ziebarts Ausscheiden im Frühjahr 2008 verschlechtert, deshalb sei der | |
Schritt unumgänglich, schrieb Infineon. | |
So wie Ziebart dürfte es künftig einer Reihe von Managern gehen, | |
möglicherweise auch dem früheren Arcandor-Chef Thomas Middelhoff und den | |
früheren Vorständen von BMW. Denn das politische Umfeld hat sich für die | |
Unternehmen mit der Finanzkrise stark verändert. So wollen die Regierungen | |
der mächtigsten Wirtschaftsnationen bei ihrem Gipfeltreffen am Donnerstag | |
und Freitag im US-amerikanischen Pittsburgh eine Beschränkung der | |
Bonuszahlungen für Bankmanager beschließen. | |
Deshalb freute sich Joachim Poß sehr über die Geschichte von Ziebarts | |
Ruhegeld. Denn nach Einschätzung des stellvertretenden Fraktionschefs der | |
SPD ist der Fall Ziebart das erste Beispiel dafür, dass das neue | |
Aktiengesetz wirkt. Darin hat die große Koalition kürzlich festgelegt, dass | |
der Aufsichtsrat die Bezüge des Vorstandes rückwirkend reduzieren soll, | |
wenn sie nicht mehr in einem "angemessenen Verhältnis zur Lage der | |
Gesellschaft stehen". | |
Die Gerechtigkeitsdebatte über die horrenden Gehälter von Managern | |
beschäftigt Deutschland schon einige Jahre - ohne die Finanzkrise wäre das | |
Gesetz aber nicht so schnell geändert worden. Und schon gar nicht hätte die | |
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) die neuen | |
Möglichkeiten bekommen, die sie jetzt hat. Denn auch Bafin-Chef Jochen | |
Sanio, Deutschlands oberster Bankenaufseher, kann nun, wenn er will, | |
ungerechtfertigt hohe Bonuszahlungen untersagen. | |
Das ist ein Anfang. Aber der Beschluss der G 20 könnte noch mehr | |
ermöglichen: Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) will erreichen, | |
dass Erfolgsbeteiligungen in einem bestimmten Verhältnis zum Fixgehalt | |
eines Managers stehen müssen. Und ein zweiter Ansatz ist im Gespräch: eine | |
feste Relation zwischen Boni und Gewinn. Dass Banken 60 Prozent ihres | |
Profits als Milliardenregen über den Wertpapierhändlern und Vorständen | |
niedergehen lassen, wäre dann nicht mehr möglich. | |
Zwar bleiben künftig auch mit den neuen Regelungen Millionengehälter weiter | |
möglich - eine absolute Obergrenze wird ja nicht eingeführt. Allerdings | |
ziehen die Regierungen die Schraube deutlich an. Der Rechtfertigungsdruck | |
auf die Unternehmen steigt. Man darf hoffen, dass Exzesse seltener werden. | |
Die Regulierung der Gehälter und Boni ist deshalb nicht überflüssig, | |
sondern auch ein Versuch, etwas Gerechtigkeit herzustellen. | |
Die Bonusfrage ist ein Beleg dafür, dass die Regulierung der Finanzmärkte | |
jetzt am Kern der Wirtschaft angekommen ist - beim Profit der Individuen | |
und Unternehmen. Nun geht es ans Eingemachte. Nicht nur bei den Gehältern, | |
sondern auch bei den Gewinnen der Banken. | |
Axel Weber, Präsident der Bundesbank und Hüter des Systems, sagte unlängst | |
in kleinem Kreis, dass infolge der neuen Regulierung die Renditen sinken | |
und die Geschäftsmodelle der Banken weniger profitabel würden. Diese | |
Äußerung beinhaltete einen Teil Beschwichtigung der kritischen | |
Öffentlichkeit, aber sie war auch eine Beschreibung des Kommenden. | |
Die Staats- und Regierungschefs der G-20-Staaten werden beschließen, die | |
Geschäfte der Banken zu bremsen. Als Instrument nutzen sie strengere | |
Vorschriften über das Eigenkapital der Institute. Während Banken ihre | |
Geschäfte heute nur mit wenigen Prozenten Aktienkapital und Rücklagen | |
absichern müssen, wird diese Quote künftig auf bis zu 8 Prozent steigen. | |
Für jedes risikoreiche Geschäft werden die Finanzhäuser dann mehr eigenes | |
Geld in Reserve halten müssen. Und der Aufbau dieser Kapitalreserve wird | |
den frei verfügbaren Gewinn reduzieren. | |
Was die G 20 da macht, ist also nicht nur Kosmetik. Es kostet die Deutsche | |
Bank, UBS, Barclays, Goldman Sachs und andere Institute Geld. Und reduziert | |
damit das Risiko gefährlicher Spekulationen. Allerdings ist dieser | |
Regulierungsprozess noch in der Schwebe. Konkrete Zahlen zur Höhe des | |
Eigenkapitals gibt es bislang nicht, sie werden auch noch eine Weile auf | |
sich warten lassen. Dies beinhaltet die Gefahr, dass die politische Dynamik | |
nachlässt, dass Gras über die Krise wächst und die Regulierungsversuche | |
verebben. | |
Was aber in jedem Fall klar ist, ist dies: Den G-20-Regierungen geht es | |
nicht darum, die Gewinne derart einzuschränken, dass aus großen Banken | |
wieder kleine werden. Weder Kanzlerin Angela Merkel noch Frankreichs | |
Präsident Nicolas Sarkozy oder US-Präsident Barack Obama wollen den | |
einheimischen Finanzsektor zerschlagen. Der Finanzkapitalismus bleibt | |
intakt. Er wird nur etwas langsamer. | |
24 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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