# taz.de -- Klima- und Donaldforscher Hans von Storch: "Freude am Absurden" | |
> Hans von Storch ist ein Professor mit zwei Lebensthemen: Der Meteorologe | |
> ist viel gefragter Klimaexperte - und Begründer der deutschen | |
> Donald-Duck-Forschung. Montagsinterview über die Anpassung ans Klima, | |
> hässliche Forschungsschiffe und Schneestürme in Entenhausen. | |
Bild: "Für die Temperatur auf der Welt ist es ziemlich egal, ob Hamburg ein Kl… | |
taz: Herr von Storch, Sie haben ein Ferienhaus in Dänemark. Bauen Sie sich | |
davor bald einen Deich? | |
Hans von Storch: Nein, ich wohne zwar am Meer, aber da gibt es teilweise | |
eine Steilküste. Die erodiert, aber das tut sie schon immer und das wird | |
sie immer weiter machen. Aber ich gehe davon aus, dass wir in 800 Jahren | |
direkt am Strand sind. | |
Aufgewachsen sind Sie auf der Insel Föhr. Dort mal überschwemmt worden? | |
In der Zeit, in der ich da gelebt habe, habe ich nicht erlebt, dass Deiche | |
versagt hätten. Dass der Hafen manchmal unter Wasser stand, war normal. Nur | |
die Hamburger ließen ihre Autos stehen - und die saufen dann ab. | |
Wer auf Föhr aufwächst, der hat Respekt vor dem Meer? | |
Natürlich, das ist auch angebracht. Angst muss man aber keine haben. | |
Es gibt Klimaforscher, die sagen dass sich das Verhalten der Menschen | |
dringend ändern muss, um den Klimawandel zu verhindern. Sie sind sind da ja | |
eher gelassen. | |
Moment. Ich bin fest davon überzeugt, dass der vom Menschen verursachte | |
Klimawandel real ist, sich weiter entfalten wird und ernst zu nehmen ist. | |
Ich bin aber nicht so optimistisch, dass wir den Klimawandel in absehbarer | |
Zeit "stoppen" können. Auch wenn wir alle Fahrrad fahren, den Müll | |
sortieren und nicht mehr zum Saufen nach Zypern fliegen. Und für die | |
Temperatur auf der Welt ist es ziemlich egal, ob Hamburg ein | |
Klimaschutzprogramm hat. | |
Das heißt: Emissionen einsparen bringt nichts? | |
Doch, das bringt was. Aber wir müssen daran denken, dass wir uns dennoch zu | |
einem gewissen Maß an einen Klimawandel anpassen müssen. Den bekommen wir | |
nicht auf Null. In Hamburg reden wir drüber, wie wir die Emissionen | |
verringern können, aber klären weniger, ob das Kanalisationssystem für | |
stärkere Niederschläge geeignet ist. Wir freuen uns lieber, etwas | |
Positives, Sichtbares zu tun. Wir fühlen uns besser, denn wir machen was | |
"fürs Klima". Jede Generation hat da andere Ideen, wie man die Welt | |
verbessern kann. | |
Sie gehören zur Generation der 68er, da gab es das Klimathema noch nicht. | |
Genau. Das ist in gewisser Hinsicht erfunden worden von der Atomlobby Mitte | |
der 80er Jahre. Atomkraft als Rettung vor den CO2-Emissionen. Uns ging es | |
damals um soziale Gerechtigkeit, Dritte Welt und Kolonialismus. | |
Gab es mal eine Zeit, in der Sie mehr Angst hatten vor dem Klimawandel? | |
Nein. | |
Wie hat sich Ihre Ansicht dazu denn entwickelt? | |
Studiert habe ich mal was Richtiges, nämlich Mathematik. Ich bin in der | |
Meteorologie gelandet, weil ich während des Studiums als Programmierer im | |
Institut für Meereskunde gearbeitet habe. Anfang der 90er Jahre kam dann | |
langsam das Thema Klimawandel angesegelt. Seitdem beschäftige ich mich auch | |
mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Klimawandels. Warum die Menschen | |
abstrakte Gefahren nach vorne schieben, anstatt konkret zu handeln. Vor der | |
Sturmflut kann man sich nicht schützen, indem man Fahrrad fährt. | |
Ihre Frau ist auch Meteorologin. | |
… eine echte, sie hat das studiert. | |
Reden Sie beide viel über die Arbeit? | |
Ja, aber wir haben ganz unterschiedliche Themen. Die Themen meiner Frau | |
sind wissenschaftlich höchst interessant, aber kaum für die Öffentlichkeit. | |
Gefällt es Ihnen, dass Sie mit Ihren Thesen im medialen Interesse stehen? | |
Ich bin da so reingerutscht, das kann ich nicht ändern. | |
Durch Ihre Ansichten polarisieren Sie aber doch bewusst. | |
Ich mache das, indem ich Fragen stelle, die sonst nicht gestellt werden. | |
Wenn das schon Polarisierung ist, dann ist das gut. Wenn ich sehe, die | |
Mehrheitsmeinung ist irrational, dann habe ich nichts dagegen, eine | |
Gegenmeinung zu beziehen. | |
Berühmt zu sein, hat ja auch Vorteile: Es gibt ein GKSS-Schiff, das | |
"Storch" heißt … | |
… dafür kann ich nichts, das lehne ich ab. Das Boot ist hässlich. | |
Können Sie mit dieser Ehrung nichts anfangen? | |
Schiffe benennt man nicht nach Lebenden. Wenn ich tot bin, können die gerne | |
ein Forschungsschiff nach mir benennen. Aber nur, wenn es schön ist. | |
Sie sind seit 30 Jahren promoviert. Hat man als Wissenschaftler irgendwann | |
genug geforscht und steigt einfach aus? | |
Aufhören zu forschen, hieße aufhören zu denken. Aber es kann schon sein, | |
dass es irgendwann ein anderes Thema gibt, über das ich nachdenke. | |
Sie ziehen sich in fast jedem Urlaub in Ihr erwähntes Ferienhaus zurück, | |
haben sogar Dänisch studiert. Warum? | |
Für jemand aus Schleswig-Holstein doch normal, oder? Außerdem: Mein | |
Großvater war Chefarzt des Krankenhauses in Tondern. Ich habe das Haus | |
geerbt und gehöre deshalb zu den zweieinhalb Ausländern, die in Dänemark | |
legal ein Sommerhaus haben. | |
Haben sie den Donaldismus auch in Dänemark kennengelernt? | |
Ich hab ihn dort vorgefunden. Eigentlich kommt er aus Norwegen. | |
Erste Erfahrungen mit Donald Duck haben Sie doch bestimmt schon in der | |
Kindheit gemacht. | |
Ja, man muss donaldisiert sein, das wird man im Alter von etwa acht Jahren. | |
Da muss man mit guten Geschichten konfrontiert werden. Frauen haben in der | |
Zeit selten Donald-Hefte gekriegt, deshalb sind sie in viel geringerem Maße | |
donaldisiert. Das ist auch ein Problem von Ostdeutschland. | |
1977, nach ihrem Studium, haben Sie die Deutsche Organisation der | |
nichtkommerziellen Anhänger des lauteren Donaldismus (D.O.N.A.L.D.) | |
gegründet. Muss man als Donaldist Akademiker sein? | |
Überhaupt nicht. Man braucht die Freude am Absurden. | |
Was macht Donald untersuchenswert? Dass er so sympathisch ist? | |
Donald ist ausgesprochen unsympatisch! Wollen Sie den als Nachbarn haben? | |
Das wär ja eine Katastrophe. | |
Zugegeben: Er ist etwas jähzornig. | |
Er hat auch katastrophale Ideen. Was ihn interessant macht, ist die | |
einfache Wahrheit: Donald ist eine Ente wie du und ich. Das ist einfach so, | |
jeder der die Geschichten gelesen hat, weiß das. | |
Sind Sie nicht eher Primus von Quack, der schlaue Professor? | |
Nein, das ist eine vollkommen trockene, belanglose Figur. Donald lebt ja | |
auch, Primus von Quack ist nur ausgedacht. Donald könnte jederzeit um die | |
Ecke kommen. Ich wär zwar überrascht, aber ich halte das für denkbar. | |
Donald ist ein Tausendsassa, er hat unzählige Berufe gehabt. Wären Sie | |
manchmal gern so vielseitig wie er? | |
Donald ist kein Vorbild für mich, ich will nicht so sein wie er. | |
Kommt es vor, dass Sie nicht ernst genommen werden - ein Klimaforscher, der | |
Donaldist ist? | |
Die Gefahr besteht. Deshalb mische ich den Donaldismus nicht mit der | |
Klimaforschung. Und als Donaldist trete ich nur selten auf. | |
Klimaforschung und Donaldismus sind nicht vereinbar? | |
Als der Umgang mit anderen Denkkonstrukten, doch. Donaldismus hat mit | |
Mathematik zu tun. Man sucht nach einer alternativen Logik, um Dinge auf | |
eine andere Weise zu sehen. | |
Aber im Donaldisten haben Sie das Klima in Entenhausen untersucht. | |
Das war schon relativ früh. Ich habe rausgefunden, dass der zweite | |
Hauptsatz der Thermodynamik in Entenhausen nicht gilt. Sie können dort mit | |
einer Maschine die Luft abkühlen. So entstehen Schneestürme an einem | |
Sommertag. | |
Was steht denn nun im Zentrum der donaldistischen Forschung? | |
Die Welt, in der Donald lebt. Die Welt, die in den Berichten von Carl Barks | |
dokumentiert wird. | |
Berichte? Sie meinen Geschichten. | |
Nein. Carl Barks hat von dieser Welt Entenhausen erfahren und berichtete | |
darüber. Natürlich nur eingeschränkt richtig, weil er einige Dinge nicht | |
verstanden hat. Wie alle anderen Journalisten auch. | |
4 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Jonas Jansen | |
## TAGS | |
Donald Duck | |
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