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# taz.de -- "Nationales" Zentrum: Neonazis bieten mit
> Der Hamburger NPD-Chef Jürgen Rieger kann das ehemalige Landhotel bei
> Faßberg, für das er einen Pachtvertrag hat, möglicherweise kaufen. Die
> Zwangsversteigerung ist für den 16. Dezember angesetzt.
Bild: Im Sommer hatten Neonazis das ehemalige Hotel Gerhus in Faßberg schon ei…
Der Hamburger Neonazi Jürgen Rieger bekommt vielleicht doch noch das
ehemalige Landhotel Gerhus nahe dem niedersächsischen Faßberg. Am 16.
Dezember kann der Hamburger NPD-Chef das Anwesen vor dem Amtsgericht Celle
ersteigern. "Um zehn Uhr beginnt die Versteigerung", sagt Stephanie
Springer, Sprecherin des Oberlandesgerichts. Jürgen Rieger könne natürlich
mitbieten.
Der Termin hat die Gemeinde überrascht. Am Dienstagabend kam der
Gemeinderat zu einer Sondersitzung zusammen. Bürgermeister Hans-Werner
Schlitte (parteilos) wollte sich gestern nicht äußern.
Die Verwunderung über den Termin kann Gerichtssprecherin Springer nicht
nachvollziehen. Der Gläubiger, die Volksbank Südheide, habe die
Versteigerung angestrebt, das sei bekannt gewesen. "Als Gerichte sind wir
angehalten, zügig zu handeln." Der 16. Dezember sei der erste freie Termin
gewesen.
In der 7.000-Seelen-Gemeinde ist die Sorge groß, dass Rieger in dem
Landhotel sein lange geplantes "Zentrum für national denkende Menschen"
eröffnen könnte. Das 80-Betten-Hotel mit Campinganlage sei "ideal für Herr
Riegers Vorstellungen", sagt Anwohnerin Anna Jander.
Am 17. Juli dieses Jahres hatten sich Mitglieder der "Kameradschaft 73
Celle" Zugang zu dem Hotel verschafft, indem sie Schlösser aufbohrten - in
Absprache mit Rieger, der einen Pachtvertrag mit den Eigentümerfamilie
Hennies vorweisen konnte. Am 4. August erließ das Landgericht Lüneburg eine
einstweilige Räumungsverfügung. Die Besetzung des Hotels und das Aufbohren
der Schlösser sei "verbotene Eigenmacht", erklärte die Vorsitzende
Richterin. Die Räumungsverfügung war von dem Zwangsverwalter der Immobilie,
Jens Wilhelm, beantragt worden. Die Volksbank Südheide, der Gläubiger der
verschuldeten Hoteleigentümer, hatte Wilhelm eingesetzt.
Bei der Entscheidung zur Räumung hob die Vorsitzende Richterin hervor, dass
über den Pachtvertrag nicht verhandelt worden sei. "Hier wird keine
endgültige Regelung getroffen", sagte sie. Jürgen Rieger will den
Pachtvertrag mit der Eigentümerfamilie einen Tag, bevor der Zwangsverwalter
eingesetzt wurde, abgeschlossen haben. Als Pachtzins sei ein Betrag von 600
Euro monatlich für zehn Jahre vereinbart worden. Ausstehende Kosten für
Versicherungen von 4.000 Euro will Rieger gleich mit gedeckt haben.
Der Pachtvertrag macht der Gemeinde Faßberg besonders Sorgen. Zwar hat sie
ein Vorkaufsrecht, doch würde der Vertrag bei einem Kauf des Hotels
bestehen bleiben. Kommt es dagegen zur Versteigerung, steht die Gemeinde
vor zwei Problemen: Erstens hat sie nicht genug Geld, um selber mitbieten
zu können. Zweitens hat ein möglicher Investor bereits erklärt, nicht mehr
als 800.000 Euro zahlen zu wollen - ein Betrag, den Rieger vermutlich
leicht überbieten könnte.
Dabei, sagt Faßbergs Bürgermeister Hans-Werner Schlitte, hätte er bereits
eine Lösung gefunden gehabt. Mit dem Investor habe er ein finanzierbares
Konzept für ein Pflegeheim in dem Hotel entwickelt. "Wegen den
Preisvorstellungen der Eigentümer scheiterte es", sagt Schlitte. Er habe
schon früh befürchtet, dass "die Eigentümer versuchen, mit Rieger den Preis
hochzutreiben". Angeblich soll Rieger für das Hotel 1,2 Millionen Euro
geboten haben.
Helge Limburg, rechtspolitischer Sprecher der Grünen Landtagsfraktion in
Niedersachsen, rät der Gemeinde Faßberg zur Zurückhaltung. "Sie sollte
nicht versuchen, Rieger das Anwesen für einen überhöhten Preis
wegzukaufen." Es gebe einfach zu viele solcher Objekte im Lande, so dass
Rieger das Spiel an vielen Orten wiederholen könnte: Erst den Preis mit den
Besitzern hochtreiben, dann für den erzielten Gewinn eine Beteiligung
kassieren.
Die Gemeinde Faßberg solle "mit Nutzungsbeschränkungen und Auflagen"
Riegers Bestrebungen vereiteln, sagt Limburg. Was auf Faßberg zukommt, wenn
die Neonazis doch ins Hotel ziehen, zeigte sich diesen Sommer. Ende Juli
drangen Vermummte, möglicherweise aus der linken Szene, auf das
Hotelgelände vor, es fielen Schüsse. Am 4. August, am Morgen der
Räumungsverhandlung, machte die Polizei eine Razzia auf dem Gelände.
Gleichzeitig durchsuchte sie Wohnungen von Neonazis, die sich im Landhotel
aufgehalten haben sollen. Sie fand mehrere Schreckschusswaffen, ein
Butterflymesser und einen Schlagring.
7 Oct 2009
## AUTOREN
Andreas Speit
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