# taz.de -- Ring des Nibelungen: Ein schrecklich nettes Rheingold | |
> An ihrer Inszenierung von Wagners Ring des Nibelungen wollte sich | |
> Hamburgs Opern-Intendantin Simone Young messen lassen. Wenn die | |
> "Siegfried"-Premiere am Sonntag nicht überzeugt, wird sie gescheitert | |
> sein. | |
Bild: "Kalt", "bemüht" und "mäßig originell" ätzte die Kritik über Inszeni… | |
"Amüsant" (Hamburger Abendblatt). "Fein gearbeitet"; "hochintelligent" | |
(Lübecker Nachrichten). "Eine musikalisch wie szenisch beispielhafte | |
Interpretation" (Die Welt) mit "exzellenter Personenführung" (Der Neue | |
Merker). "Ist es jetzt traurig oder einfach nur schön, dass im kleinen | |
Jugendstil-Theater von Lübeck eine der derzeit spannendsten | |
Wagner-Produktionen des Jahres 2009 läuft?" (Crescendo Online). | |
Wie Simone Young und Claus Guth zumute war beim Lesen dieser Lobhudeleien | |
für die "Siegfried"-Premiere im Theater Lübeck, lässt sich nur vermuten. | |
Spannend wäre es trotzdem. Denn: Am Sonntag steht auch an der Hamburger | |
Staatsoper eine "Siegfried"-Premiere ins Haus - als dritter Teil der | |
Tetralogie "Der Ring des Nibelungen" von Richard Wagner, der in beiden | |
Hansestädten auf die Bühne gebracht wird. In Hamburg führt Guth Regie, | |
Generalmusikdirektorin Young leitet die Produktion musikalisch. Für ihre | |
vorherigen Hamburger "Ring"-Premieren im März und Oktober 2008 wollte | |
niemand so warme Worte finden wie für jene in Lübeck. Der dortige "Ring" | |
hat alle Erwartungen übertroffen, der in Hamburg hat sie in Teilen | |
enttäuscht. | |
Die abgelieferte Deutung sei kalt, bemüht und mäßig originell, war im | |
Nachhinein zu lesen, genau wie die Bilder von Ausstatter Christian Schmidt. | |
Und auch die Hamburger Philharmoniker seien unter dem Dirigat von Hamburgs | |
Generalmusikdirektorin und Intendantin Simone Young eher farblos geblieben. | |
Auf den Punkt brachte es ein Hamburger Ehepaar nach dem "Rheingold" in der | |
S-Bahn, die sich gegenseitig versicherten, es sei ja doch "nett" gewesen. | |
Für eine Aufführung von Richard Wagners "Ring des Nibelungen" kann es kein | |
verheerenderes Urteil geben als "nett". | |
Mit dem "Siegfried" könnte jetzt alles gut werden. Der Druck, der dadurch | |
auf der Produktion liegt, ist enorm - zumal jeder der vier Teile des | |
Mammutprojekts mit Pauken und Trompeten angekündigt und von allerlei | |
Brimborium begleitet wird: Die Produktion hat eine eigene Homepage samt | |
eigenem Corporate Design. In Kooperation mit dem NDR begleitet die | |
Staatsoper Schüler aus Hamburg und den angrenzenden Bundesländern bei ihrem | |
Entdeckungsprozess von Wagners Werk. Mitschnitte des musikalisch höchst | |
mittelmäßigen Rheingolds und - ab Sonntag - auch der Walküre sind auf CD | |
erhältlich. | |
Begleitend zur Premiere finden Gastvorträge von Koryphäen der | |
Wagnerwissenschaften statt, darunter der Hamburger Politologie-Professor | |
Udo Bermbach und die Dramaturgen Wolfgang Willaschek und Alexander | |
Meyer-Dörzenbach. Letzterer gehört zum Regieteam des Norwegers Stefan | |
Herheim, dessen Bayreuther "Parsifal"-Deutung vom Fachorgan "Opernwelt" zur | |
Inszenierung des Jahres erklärt wurde. Die "Ring"-Deutung Claus Guths ist | |
von solchen Ehren bislang meilenweit entfernt. | |
Trotzdem oder gerade deshalb würde die Staatsoper gerne in der | |
Wagner-Champions League mitspielen. Wieder mitspielen, genauer gesagt: Der | |
Hamburger "Lohengrin" von 1998 und die "Meistersinger von Nürnberg" von | |
2002, beide inszeniert von Peter Konwitschny, fanden - und finden bis heute | |
- international Beachtung. Die sagenhafte Handlung um den Schwanenritter | |
Lohengrin setzte Konwitschny in einem Klassenzimmer der wilhelminischen Ära | |
an, die Handlung der Meistersinger wurde kurz vor dem Ende unterbrochen - | |
zugunsten einer Debatte um einige doch sehr deutschtümelnde Textpassagen. | |
"Ganz nett" sagte damals niemand - erst tobte das Publikum vor Wut, später | |
dann vor Begeisterung. Am Pult stand Youngs Vorgänger Ingo Metzmacher - | |
ihre Kritiker halten der Australierin Young noch heute vor, sie habe beide | |
Inszenierungen gleich nach ihrem Amtsantritt vom Spielplan und die Kulissen | |
in die hintersten Winkel verbannt. Um selbst noch eins draufzusetzen. Einen | |
"Ring" beispielsweise, dirigiert von Young persönlich, die einst Daniel | |
Barenboim bei den Bayreuther Wagner-Festspielen assistierte. Der Regisseur | |
ihrer Wahl, Claus Guth, kann mit dem "Fliegenden Holländer" einen | |
fulminanten und gleichfalls umstrittenen Bayreuth-Erfolg vorweisen. | |
"Es gibt Werke, an denen ein Opernhaus gemessen wird", hat Simone Young vor | |
dem ersten Teil der Tetralogie erklärt, "Projekte, die einen so enormen | |
Umfang haben, dass sie alle Kräfte des Hauses herausfordern und alle | |
künstlerischen Stärken bis ans Limit beanspruchen". | |
Der "Ring", sagte Young, sei für ein Opernhaus ein "Mission Statement". | |
"Ganz nett" kann dafür keine Lösung sein. | |
15 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Florian Zinnecker | |
## TAGS | |
Hamburg | |
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