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# taz.de -- Interview Pornofilmerin Anna Span: "Heute weiß man, was eine Klito…
> In ihrer Jugend war sie als Feministin noch gegen Porno. Doch sie hat
> ihre Meinung geändert, will sich nicht als Opfer sehen – und propagiert
> lieber einen eigenen weiblichen Porno-Stil.
Bild: Keine Pornoklischees: Drehszene aus "Messy fucker".
taz: Frau Span, warum machen Sie Pornofilme?
Anna Span: Ich habe mich schon immer für Sex interessiert, außerdem wollte
ich Frauen filmisch darstellen. Als ich Ende der 90er-Jahre die
Kunsthochschule abschloss, konnten Männer aus einem riesigen Angebot an
sexueller Unterhaltung wählen: Pornos, Lapdance, Sex gegen Geld. Für Frauen
gab es so gut wie gar nichts. Als angehende Filmemacherin war es für mich
aufregend, auf ein so unterentwickeltes Gebiet zu stoßen, ästhetisch wie
politisch.
Sie bezeichnen sich selbst als Feministin. Wie passt Pornografie dazu?
In meiner Jugendzeit war ich als Feministin natürlich gegen Pornografie.
Das änderte sich, als mir mit 16 Jahren klar wurde, dass meine Wut auf die
Männer in Wirklichkeit eher eine gerechtfertigte Eifersucht war. In meinen
Zwanzigern trat ich der 1989 gegründeten Gruppe Feminists against
Censorship (FAC) bei. Die Mitglieder von FAC sind der Meinung, dass nicht
pornografische Bilder, sondern realer Missbrauch zu sexueller Gewalt führt
und dass Zensur das Problem nur verschärft. Außerdem schreibt Nietzsche in
seiner "Genealogie der Moral": Die Sklavenmoral besteht darin, die Herren
als böse und sich selbst im Gegensatz dazu als moralisch überlegenes Opfer
darzustellen. Anstatt Männer davon abzuhalten, Pornos anzuschauen,
entschied ich mich dafür, lieber denjenigen Frauen, die Pornos mögen, eine
andere Pornografie anzubieten.
Woher wissen Sie denn, was Frauen sehen wollen?
"Die Frauen" gibt es nicht, deshalb kann man mit dem Versuch, "Pornos für
Frauen" zu machen, auch total daneben liegen. Man muss Filme machen, die
einem selbst gefallen - das ist im Porno nicht anders als im Autorenfilm.
Meine Filme gefallen auch vielen Männern; Frauen zwischen 25 und 55 Jahren
stellen nur 45 Prozent der Käufer. Ich mache also eher Pornos aus einer
weiblichen Perspektive.
Wie kann sich eine "weibliche Perspektive" in der männerdominierten
Pornoindustrie durchsetzen?
Allein in den USA erscheinen jedes Jahr 30.000 Porno-DVDs. Die meisten
dieser Filme werden von Männern gedreht und sind alles andere als
frauenfreundlich. Die Pornoindustrie orientiert sich eben immer dahin, wo
es Geld zu verdienen gibt. Das heißt aber auch, dass, wenn mehr Frauen sich
für Pornos interessieren, sich die Industrie verändern wird. Dass in
Zukunft mehr Frauen Filme machen, dass dadurch die Sexszenen anders werden
und sich der weibliche Blick auf die Sexualität stärker durchsetzt. Dann
kann Pornografie unter Umständen sogar befreiend sein.
Wie unterscheidet sich der weibliche Blick von dem männlichen? Zeigt
Frauenporno Blümchensex?
Überhaupt nicht, ich zumindest wollte schon immer Ständer sehen,
Ejakulationen und Leute, die nicht zimperlich miteinander umgehen - also
zeige ich das auch in meinen Filmen. Kinder und Tiere sind natürlich tabu.
Aber der Unterschied liegt nicht darin, was man darstellt, sondern wie man
Sex darstellt. Für mich ist die wichtigste Regel, niemals eine Frau zu
zeigen, die so aussieht, als hätte sie die Situation nicht unter Kontrolle
oder als würde ihr der Sex keinen Spaß machen. Die Frau kann sich auch
dafür entscheiden, die Kontrolle an ihren Partner abzugeben - was zählt,
ist ihr bewusstes Einverständnis. Alles andere ist reine Geschmackssache:
S/M, Pinkeln oder Kacken zum Beispiel kommen in meinen Filmen nicht vor.
Aber nicht, weil das unfeministisch wäre, sondern einfach nur, weil ich
nicht darauf stehe.
Woran sehen Sie denn, ob eine Frau mit der sexuellen Handlung am Set
einverstanden ist?
Wenn ich einen Film drehe, stelle ich zunächst sicher, dass jede
Darstellerin einen Reisepass besitzt. Und ich gestatte niemand anderem
Zutritt zum Set, so dass es nicht passieren kann, dass etwa ein Zuhälter
anwesend ist. Falls eine Darstellerin dann sagt, dass sie etwas nicht
machen will, versuche ich nicht, sie dazu zu überreden. Entweder ich drehe
die Szene nicht, oder ich drehe eine andere Szene mit ihr. Zufriedene
Models lachen am Set und unterhalten sich, unglückliche Models sind eher
still - von ihnen habe ich aber wenige kennen gelernt.
Vielleicht täuscht der Eindruck?
Wenn man einen Pornofilm anschaut, dann sieht man doch, ob die Frau einfach
nur fake erscheint und nicht wirklich Lust hat - oder ob sie das, was da
gerade passiert, echt ablehnt. Natürlich ist das subjektiv und nur ein
Eindruck, aber auf diese Weise beurteilen wir alle tagtäglich das Verhalten
unserer Umgebung.
Ist die "Neue Pornografie" nur ein Medienhype oder hat sie reale
Auswirkungen auf unser Sexleben?
In unserer Gesellschaft ist Sex immer noch mit vielen Ängsten verbunden,
und Konservative machen Pornografie für alle möglichen Dinge
verantwortlich, die zwischen den Geschlechtern schieflaufen. Den Vorwurf,
Pornografie verrohe die Jugendlichen, finde ich zum Beispiel einseitig -
wenigstens wissen junge Männer heute, was eine Klitoris ist. Dass
Jugendliche durch Pornos vielleicht auch entdecken, dass sie auf Analsex
stehen, finde ich per se nicht verwerflich. Ich habe durch Pornografie sehr
viel über meinen Körper und meine Fantasien gelernt. Wer nicht ehrlich zu
sich selbst ist und die eigenen Wünsche anerkennt, versagt sich einen
wichtigen Teil seiner Persönlichkeit.
Das Porn Filmfestival Berlin findet bis zum 25. Oktober im Moviemento-Kino
statt. Programm unter [1][www.pornfilmfestivalberlin.de]. Für den 24.
Oktober ist die Paneldiskussion "Chicks with Guts" angekündigt; sechs
Pornfilmregisseurinnen aus den USA, Europa und Australien äußern sich zum
Thema Pornografie von Frauen.
22 Oct 2009
## LINKS
[1] http://www.pornfilmfestivalberlin.de/
## AUTOREN
Jette Gindner
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