# taz.de -- Programm gegen Extremismus: Schwarz-Gelb verharmlost Nazigewalt | |
> Die Koalition will das bisherige Programm gegen Rechtsradikalismus auch | |
> zum Kampf gegen Linke und Islamisten nutzen. Aktivisten gegen rechts sind | |
> entsetzt. | |
Bild: Rechtsextreme am vergangenen Wochenende in Leipzig. | |
BERLIN taz | Union und FDP wollen künftig die Programme gegen rechts auch | |
zur Bekämpfung von Linksextremismus und Islamismus nutzen. Das geht aus dem | |
Entwurf des Koalitionsvertrags hervor, der der taz vorliegt. | |
Darin heißt es, dass "die Aufgabenfelder des Fonds für Opfer | |
rechtsextremistischer Gewalt sowie des Bündnisses für Demokratie und | |
Toleranz auf jede Form extremistischer Gewalt ausgeweitet werden". Die vom | |
Bund geförderten Programme gegen Rechtsextremismus sollen zudem in Zukunft | |
als "Extremismusbekämpfungsprogramme unter Berücksichtigung der Bekämpfung | |
linksextremistischer und islamistischer Bestrebungen" fortgeführt werden. | |
Aus dem Entwurfstext für den Bereich Justiz und Inneres geht hervor, dass | |
Rechtsextremismus nicht mehr explizit genannt wird, sondern mit Extremismen | |
jeder Art gleichgestellt wird. | |
"Wenn es denn so kommt, ist das ein dramatischer Schritt", erklärt Timo | |
Reinfrank, Geschäftsführer der antirassistischen Amadeu-Antonio-Stiftung. | |
Letztlich führe diese Gleichsetzung dazu, dass Rechtsextremismus | |
verharmlost wird. "Die Bundesprogramme werden so in ihrer bisherigen Form | |
infrage gestellt", sagt Reinfrank. Es sei fraglich, ob es überhaupt | |
nennenswerte Opferzahlen vermeintlich linksextremer Gewalt gebe. | |
Auch Grüne und die Linkspartei kritisieren das Vorhaben scharf. "Union und | |
FDP haben schon im Vorfeld mehrfach Rechts- und Linksextremismus | |
gleichgesetzt", sagt Daniel Gollasch, Rechtsextremismusexperte der Berliner | |
Grünen. Damit werde der Nationalsozialismus relativiert. | |
"Die Union versucht schon seit langem, den Kampf gegen rechts staatlich zu | |
kontrollieren", sagt Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linken. | |
Das Vorhaben sei völlig verfehlt. Links- und Rechtsradikalismus auf eine | |
Ebene zu stellen trage zur Verharmlosung von rechter Gewalt bei. "Seit 1993 | |
sind über 140 Menschen durch Gewalt von rechts ums Leben gekommen, aber | |
kein Einziger durch Gewalt von links", erklärt Jelpke. | |
Christian Ahrendt, Extremismusexperte der FDP, verteidigt den Entwurf. "Die | |
Programme können nicht breit genug aufgestellt werden, man darf sich nicht | |
nur auf Rechtsradikalismus konzentrieren", so Ahrendt zur taz. Es ginge | |
nicht um die Abschaffung der Programme, sondern um ihre Verfestigung und | |
darum, sie auch auf andere Bereiche auszuweiten. Ob die finanziellen Mittel | |
zur Bekämpfung von rechts künftig gekürzt würden, konnte Ahrendt nicht | |
beantworten. | |
Seit 2001 werden Mittel zur Entschädigung von Opfern rechtsextremer Gewalt | |
bereitgestellt. Für 2008 und 2009 wurden für die "Härteleistungen für Opfer | |
rechtsextremistischer Übergriffe", wie der Fonds offiziell heißt, je | |
300.000 Euro zur Verfügung gestellt. Zum Kampf gegen Rechtsextremismus sind | |
im Haushalt für 2009 und 2010 Mittel in Höhe von 19 Millionen Euro | |
vorgesehen. | |
22 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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